Ein Berg an Veränderungen
Vor zwölf Jahren kam Elke Gizewski als erste Direktorin der neugegründeten Univ.-Klinik für Neuroradiologie nach Innsbruck. Nun wurde die Klinik in die Univ.-Klinik für Radiologie integriert und Gizewski zur Leiterin berufen. Ein Portrait über die Wissenschafterin und ihr vielseitiges Fach.
Am 8. März 2012, dem Weltfrauentag, gab die Medizinische Universität Innsbruck bekannt, dass Elke Gizewski auf den damals neu geschaffenen Lehrstuhl für Neuroradiologie am Department Radiologie berufen wird. Die Medizinerin aus dem Ruhrgebiet, die zuvor zwei Jahre lang die Neuroradiologie-Professur in Gießen innehatte, kam nach Innsbruck. Jetzt, zwölf Jahre später, ist die Univ.-Klinik für Neuroradiologie in der Univ.-Klinik für Radiologie aufgegangen und Gizewski wurde nach jahrelanger interimistischer Leitung der Klinik und einem neuen Bewerbungsverfahren zur neuen Direktorin berufen.
Dabei war die Radiologie zu Beginn ihres Medizinstudiums „gar nicht so mein Favourite“, wie sie zugibt. „Es war früher wirklich so, dass man im dunklen Kämmerchen sitzt und auf irgendwelche Befunde schaut, die damals auch noch weniger spannend waren, als heute.“ Sie wollte Kinderärztin werden, dann richtete sie ihren Blick in Richtung Neurologie und Neurochirurgie. Der rasende Fortschritt der Technologie, die Verbindung zwischen Technik, PatientInnen, Diagnostik und Therapie hat sie dann aber so begeistert, dass sie doch auf die Radiologie gekommen ist. „Das war einfach für mich die optimale Kombination.“ Das naturwissenschaftliche und technische Interesse hat Gizewski schon aus der Schule mitgebracht, wo sie Mathe- und Chemieleistungskurse absolvierte.
Flexibel bleiben
Eine wichtige Eigenschaft, die man als Radiologin brauche, sei Flexibilität – die Bereitschaft, sich auf schnelle Veränderungen einzustellen. „Für die Digitalisierung der Medizin war die Radiologie immer schon ein Schrittmacher, jetzt ist es mit KI-gestützten Verfahren wieder so. Es kommt zu kompletten Umbrüchen in Diagnostik und Therapie. Jemand, der das langfristig betreiben möchte, sollte auch eine gewisse Bereitschaft für interventionelle Verfahren mitbringen. Denn die KI, das ist unsere Hoffnung, wird künftig Anteile der Bildgebung zumindest unterstützend übernehmen und Freiräume für die eigentliche Detektivarbeit der Interpretationen und Entscheidungen zu weiteren klinischen Schritten schaffen. Zudem wird es mehr Möglichkeiten für bildgesteuerte minimalinvasive Eingriffe geben“, sagt Gizewski, die sich nach ihrem Umzug aus Deutschland auch auf einen ganzen Berg an Veränderungen einstellen musste.
„Ich komme aus dem Flachland. Da sind so hohe Berge schon erstmal gewöhnungsbedürftig. Sobald man aber einfach auch einmal auf einen Berg hinaufgeht, lernt man das zu schätzen.“ Früher war sie Rudern und sang im Chor, heute tritt sie in die Pedale und spielt Golf. Den Takt gibt derzeit ihre Tätigkeit an der Klinik vor, das Singen geht sich da nicht mehr aus. In Deutschland arbeitete Elke Gizewski auch als Psychotherapeutin. Heute nütze ihr das Verständnis für psychische Prozesse vorwiegend im Klinikalltag. Es bereitet ihr Spaß, mit einem „extrem guten und engagierten Team“ von rund 300 MitarbeiterInnen zu arbeiten. „Ich erlebe hier ein sehr positives Umfeld, auch mit den Kolleginnen und Kollegen der Nachbarfächer. Hier kann man gut über die Fächer hinweg gemeinsam für die PatientInnen tätig sein. Das ist ganz wichtig und auch besonders an diesem Standort, finde ich.“
Alle brauchen die Radiologie
Ein medizinisches Fach, das absolut keine Berührungspunkte mit der Radiologie hätte, fällt ihr gar nicht ein. „Das ist auch das, was es so spannend macht. Fast alle Patientinnen und Patienten, die an die Klinik kommen, haben irgendein bildgebendes Verfahren im Laufe der Abklärung. Wir haben eine extreme Breite und mehrere Standorte hier am Campus.“ Das spiegelt sich auch im großen Spektrum der Forschung wider, das von einer MRT-Studie über die Wirkung von Meditation auf das Gehirn bis zur österreichischen Leitung der EU-weiten TENSION-Studie zur kombinierten Behandlung – Medikamente und Thrombektomie – bei schwerem Schlaganfall, von high-end kardiovaskulären Studien an MRT und CT, KI-Anwendungen und „quantitative Imaging“ zu klinischen Studien minimal-invasiver bild-gesteuerter Verfahren reicht.
Als sie vor zwölf Jahren herkam, um die Univ.-Klinik für Neuroradiologie aufzubauen, hatte sich Gizewski vorgenommen, den Neuroschwerpunkt innerhalb der Radiologie inklusive Interventionen und Neuroimaging weiterzuentwickeln – in der Forschung und auch in der Klinik. „Die ersten Schritte hier in Innsbruck waren es, ein Team von Neuro-Interventionisten auszubilden. Außerdem habe ich mich immer schon intensiv mit arteriovenösen (AV) Malformationen, also Gefäßfehlbildungen, auch außerhalb des Gehirns, befasst. Das habe ich dann versucht, trotz meiner Neuro-Berufung weiterzuentwickeln. Das kann ich jetzt noch mehr ausbauen und das Team weiter voranbringen“, erzählt sie. Einerseits interessiere sie sich für Möglichkeiten, solche Gefäßfehlbildungen schonend minimalinvasiv zu behandeln. Andererseits gehe es gerade bei Kindern darum, Herzveränderungen zu verhindern, die durch Kurzschlussverbindungen der Gefäße entstehen können. „Da sind noch viele Fragen offen. Dadurch, dass AV-Malformationen selten sind, gibt es noch keine ausreichenden Leitlinien.“ Derzeit laufen auch mehrere Studien zu vaskulären Erkrankungen und Projekte innerhalb von VASCAge, in denen es unter anderem um die automatisierte Erkennung von Gefäßveränderungen im Rahmen von „Imaging Biomarkers“ geht.
Exzellente Ausbildung
Ein großes Thema, das Elke Gizewski mit ihrem Leitungsteam angehen möchte, ist die Anpassung von Prozessen vor dem Hintergrund, dass „wir unter anderem auch aufgrund der Alterspyramide in Zukunft mit weniger Personal zurechtkommen werden müssen. Wir müssen uns überlegen, wie wir uns Assistenzsysteme noch mehr zu Nutze machen können und uns noch mehr Expertise aneignen, die wir auch unserem Nachwuchs vermitteln. In diesem Kontext ist es besonders positiv, dass die Med Uni sich entschlossen hat, eine eigene Professur für KI in der radiologischen Bildgebung zu etablieren.“ Über mangelndes Interesse am Fach vonseiten der Medizinstudierenden könne sie sich dabei nicht beschweren. „Die Studierenden machen inzwischen viele Wahlfächer bei uns. Gerade haben wir auch das Fach Digitale Radiologie kreiert, das durch eine Lehrförderung unterstützt wurde. Darin stellen wir viele Aspekte dieser modernen Befundungs- und Bildverarbeitungsmöglichkeit vor. Beliebt sind auch unsere vielen praktischen Übungen an Modellen bis hin zum Angio-Simulator.“ Die Innsbrucker Radiologie ist Gizewski zufolge im deutschsprachigen Raum eine der größeren. Sie sei gut ausgestattet und innerhalb Österreichs – auch dank der vielen Schwerpunkte, die in Zukunft noch mehr sichtbar und ausgebaut werden sollen – führend in der Ausbildung. „Dank unseres langjährigen PhD-Programms gemeinsam mit der Nuklearmedizin, HNO, Physik und der Strahlentherapie haben wir eine sehr zukunftsgerichtete Ausbildung, in der wir auch Nicht-MedizinerInnen, wie MathematikerInnen, PhysikerInnen oder InformatikerInnen die Möglichkeit geben, in einem medizinischen Kontext ihren PhD zu erwerben. Dies wurde durch die Erweiterung zur LFU und UMIT im Rahmen der doc.funds Förderung noch weiter ausgebaut. Das ist eine Schnittstelle, die zunehmend gesucht wird und eine Besonderheit unseres Standorts. Studierende lernen mittlerweile eine andere Radiologie kennen, als das bei mir noch der Fall war.“
(Innsbruck, am 13. Mai 2024, Text: T. Mair, Foto: MUI/D. Bullock)
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Univ.-Klinik für Radiologie