Internationaler Tag gegen Lärm am 27.4.2011
Am 27.4. ist der diesjährige Tag gegen den Lärm. Seit 1997 wird dieser Tag als „Noise Awareness Day“ international begangen, um das öffentliche Bewusstsein für die Vermeidung und Bekämpfung von Lärm zu wecken.
Innsbrucker Mediziner und Umweltärzte machen regelmäßig auf das krankmachende und umweltzerstörende Potenzial des Lärms aufmerksam. Aus aktuellem Anlass sei dieses Jahr der Lärm von Zweiradfahrzeugen in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt:
Dr. P. Lercher von der Sektion Sozialmedizin der Medizinischen Universität Innsbruck stellt die Problematik am Fallbeispiel der Hahntennjochstrasse dar, stellvertretend für viele Örtlichkeiten in Österreich:
Ruhige Gegenden und Bikerrouten
In den letzten Jahren hat sich die Hahntennjochstrasse von Imst ins Außerfern zu einer beliebten Rundfahrt-Strecke für Motorradfahrer im Alpenbereich entwickelt. Sie wird von den „Bikern“ zu den 10 schönsten Passfahrten in Österreich gezählt. Mittlerweile sind nicht nur die Wochenenden sondern auch die Werktage ähnlich ausgelastet.
In Imst wurde wegen der zunehmenden Lärmbelästigung durch den Motorradverkehr von Anrainern der Lehngasse eine Bürgerinitiative gegründet, dem Zugang zum Hahntennjoch. In diesem Bereich wurden Motorräder sogar mit über 100km/h von der Polizei geblitzt. 2009 sah sich das Land Tirol zum Handeln veranlasst und hat eine 30 km/h Beschränkung für diesen Bereich eingeführt, was zeitweise zu einer Besserung geführt hat – allerdings nur, wenn die Polizei kontrollierte. Die Biker sind jedoch sehr gut vernetzt. Die Anrainer fragen sich daher, warum das Land nicht endlich die notwendigen Dauerüberwachungs-einrichtungen installiert.
Aus fachlicher Sicht kann festgehalten werden:
1. Motorradlärm ist störender als PKW-Lärm. Nur durch die Beschränkung auf 30 km/h wird dieser Unterschied im Wohngebiet annähernd ausgeglichen
2. Laut Dienstanweisung Lärmschutz werden die zulässigen Lärmwerte überschritten
3. Die Hahntennjochstrasse dient in erster Linie als Verbindung für das Lechtal. 30% Motorradanteil am Verkehr (an Spitzentagen über 2000 Biker) bedeuten eine völlig überdimensionierte Freizeitnutzung.
4. Die Zuständigkeit des Landes ist durch eine parlamentarische Anfragebeantwortung eindeutig geklärt
5. Die Hahntennjochstrasse führt durch Wohngebiete und unmittelbar an einem ausgewiesenen Schutzgebiet (Ruhegebiet) vorbei.
6. Ruhige Gebiete sind gemäß Umgebungslärmrichtlinie zu schützen
7. Österreich ist auch insgesamt säumig bei der Umsetzung dieser Richtlinie
8. Weitere Biker-Lieblingsstrecken in Tirol sind der Kühtai-Sattel, das Timmelsjoch und die Piller-Höhe.
Im Idealfall würde dieser Zielkonflikt durch eine integrierte Vorgangsweise von Umwelt- und Naturschutz (Umweltanwalt) sowie Verkehrsmanagement gelöst werden. Tirol als Tourismusland sollte hier ein Vorreiter sein.
Dr. Heinz Fuchsig, Umweltreferent der Tiroler Ärztekammer, schlägt weitere Maßnahmen zur Lärmreduktion vor:
Innsbruck hat seit 2010 das Nachtfahrverbot für Mopeds mit Elektroantrieb aufgehoben. Aus gesundheitlicher Sicht müsste das Verbot für nichtelektrische Zweiräder auf 22.00 – 6:00 Uhr ausgedehnt und die Lärmemission von Zweirädern kontrolliert und geahndet werden. Gleiches gilt für Ausflugsstrecken; tausende Familien, die an Tiroler "Ausflugsstrecken" wohnen, können wegen des vorwiegend von Motorrädern erzeugten Lärmteppichs ihre Gärten nicht mehr benutzen. Hier ist das Land gefordert, eine Lösung mit den Betroffenen zu erarbeiten. Schließlich ist auch der Sommergastast, der Erholung in unverbrauchter Natur sucht, auf Lärm besonders empfindlich.
Die Förderung elektrischer Mobilität sollte sich – solange Elektroautos mehr als das Doppelte vergleichbarer Kleinwägen kosten – auf elektrische Zweiräder konzentrieren. Damit könnte man das Hundertfache an Lärm – und Schadstoffemissionen einsparen. In China sind – vor allem durch Verbote in 500 Städten – mehr als 100 Millionen Elektrozweiräder auf den Straßen.
Flughafen soll Kunden befragen: Es stellt sich die Frage, ob die Betriebszeit des Flughafens Innsbruck nach hinten verlegen lässt. Könnten die ersten Starts (und damit auch Probeläufe) um eine halbe Stunde verlegt werden, wäre der Schlaf in mehreren Stadtteilen länger geruhsam. Vor 9:00 Uhr starten auch in Wien selten Besprechungen oder Kongresse. Noch fragwürdiger sind Landungen in Innsbruck vor 6:45 Uhr.
Weitere Info: http://www.i-med.ac.at/sozialmedizin/documents/noise_awareness_day.html