Die Pathologie in Innsbruck
Die Geschichte der Innsbrucker Pathologie ist die Geschichte der Innsbrucker Medizinischen Fakultät schlechthin. Die Gründung der Medizinischen Fakultät wurde mit kaiserlicher Resolution vom 1.4.1869 genehmigt, am 25.10. desselben Jahres erfolgte die feierliche Eröffnung. Den entscheidenden Anteil an der Errichtung der Fakultät hatte der Wiener Pathologe CARL v. ROKITANSKY, der, gemeinsam mit dem Internisten SKODA und dem Pharmakologen SCHROFF, die Meinung vertrat, die Errichtung der Medizinischen Fakultät in Innsbruck sei aus wissenschaftlichen und pädagogischen Gründen wünschenswert. Es war vor allem der Verdienst Rokitanskys, wenn der Widerstand der Ministerialbeamten, die es für opportuner und vor allem billiger hielten, in Tirol „Wundärzte“ und nicht Doctores wirken zu lassen, gebrochen wurde.
Gleichzeitig mit der Fakultätseröffnung wurde 1869 der erste Oridinarius für Pathologie nach Innsbruck berufen. Professor FERDINAND SCHOTT, Schüler und erster Assistent von Professor ROKITANSKY, übernahm das Institut im alten Heiligen Geist Stadtspital, das sich von der noch heute stehenden Spitalkirche bis zum heutigen Realgymnasium ausbreitete. Die Pathologie bestand aus drei Räumen, die Leichenkammer lag ebenerdig neben der Küche, nach den Worten des Innsbrucker Chirurgen NICOLADONI war dies ein abschreckender Anblick für alle, die, Hilfe und Heilung suchend, das Spital betreten mussten. FERDINAND SCHOTT übernahm sofort die Planung und den Bau des neuen Institutes, das 1882 als ein einstöckiges Gebäude vollendet wurde. Das Aufblühen der Fakultät erzwang bereits 1892 den Aufbau eines zweiten Stockwerkes und die Errichtung des Hörsaals. Das 1894 vollendete Institut blieb äußerlich unverändert bis 1971 stehen.
Das neu errichtete Institut stand in einem kaum bebauten Stadtteil weit vom Krankenhaus entfernt, eine schlechte und dürftig beleuchtete Straße verband das Spital mit der Pathologie, was enorme Schwierigkeiten beim Leichentransport, und einen Zeitverlust für Ärzte und Studierende bedeutete. Der Chirurg NICOLADONI sprach von einer „Zerreißung des Organismus der Fakultät“. Auf seine Initiative und nach Verhandlungen mit der Stadtgemeinde und dem Unterrichtsministerium wurden die neuen Kliniken und Institute in der unmittelbaren Umgebung des Pathologischen Institutes aufgebaut. So steht noch heute die Pathologie im Zentrum der Medizinischen Fakultät, südlich davon liegen die vorklinischen Institute, nördlich und westlich davon die einzelnen Kliniken. Es ist dies für jeden Pathologen ein mehr als symbolischer Standort, eine Verpflichtung nicht nur räumlich sondern auch geistig die Klinik und Vorklinik zu verbinden, Impulse von beiden Seiten zu empfangen, Impulse nach beiden Seiten auszustrahlen.
Als Nachfolger des am 31.8.1887 verstorbenen SCHOTT wurde GUSTAV ADOLF POMMER bestellt. In Graz geboren, studierte und promovierte er in seiner Vaterstadt, wo er auch als Assistent am Pathologischen Institut bei RICHARD HESCHEL und HANS KUNDRAT tätig war. Von seinen Lehrern und Fachkollegen missverstanden – er war, wie Professor RATZENHOFER anlässlich der Grazer Tagung sagte, einer der Begründer des funktionellen Denkens in der Pathologischen Morphologie – schied er 1880 aus dem Grazer Institut aus und ließ sich als praktischer Arzt nieder. Unter schwierigen Umständen entstanden die großen Abhandlungen über die Osteoklasten-Theorie und über Osteomalazie und Rachitis. 1886 wurde er von EPPINGER doch für Pathologische Anatomie habilitiert und bereits am 1.10.1888 als Oridinarius nach Innsbruck berufen. POMMER widmete sich in Innsbruck dem geistigen Aufbau des Institutes: dem Unterricht und der wissenschaftlichen Tätigkeit. Die Institutsversammlung war im Wesentlichen sein Werk, er schaffte bereits 1897 einen Projektionsapparat für den Hörsaal an. In seiner Innsbrucker Zeit entstanden die berühmten Abhandlungen über Artritis deformans (1913), sowie über die Gelenksgicht, letztere wurde sogar nach der 1922 erfolgten Emeritierung fertiggestellt. Der bekannte Innsbrucker Chirurg Professor BREITNER bezeichnete die von POMMER gegründete Schule als „das Kernstück der Fakultät“. Hofrat Professor POMMER starb am 29.12.1935.
Nachfolger POMMERS wurde 1923 nach einer kurzen Supplenz durch Doz. FRANZ JOSEF LANG, Professor GEORG BENNO GRUBER, der das Institut, einem Ruf nach Göttingen folgend, 1928 wieder verließ. Sein umfangreiches wissenschaftliches Werk, seine Untersuchungen auf dem Gebiet der Missbildungen sowie seine Abhandlungen über die Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, der Leber und des Gefäßapparates brauchen hier nicht besonders hervorgehoben zu werden. Die Universität Innsbruck hat seine Tätigkeit am hiesigen Institut mit der Ernennung zum Ehrensenator gewürdigt.
1930 wurde FRANZ JOSEF LANG ordentlicher Professor für Pathologie in Innsbruck. Er führte das Institut ununterbrochen bis zu seiner 1965 erfolgten Emeritierung. LANG wurde in Elbigenalp in Tirol geboren und promovierte, nachdem er im ersten Weltkrieg als Oberleutnant der Tiroler Kaiserjäger gedient hatte, 1919 in der Tiroler Hauptstadt. Er war Assistent POMMERS und GRUBERS, ging 1922 zu ZEISLER nach Altona und 1925 als Rockefeller-Fellow in die USA, wo er bei JOBLING in New York und später beim berühmten ALEXANDER MAXIMOW in Chicago arbeitete. Kurz vor seiner Berufung nach Innsbruck war er stellvertretender Leiter der Abteilung für experimentelle Zellforschung des Krebsinstitutes der Charité in Berlin.
So wie dem von ihm verehrten und immer liebevoll als „der Hofrat“ bezeichnetem Professor POMMER, so galt auch das Interesse LANGS der Pathologie des Stütz- und Bewegungsapparates. Ein Interesse, das er auch seinen Schülern weiter vermittelte. Eine große Zahl von Einzelarbeiten, Monographien und Handbuchbeiträgen ist die sichtbare Frucht eines der Wissenschaft gewidmeten Lebens. LANG bemühte sich von Anfang an um eine Institutsvergrößerung. Die Zeitumstände, die langen Kriegsjahre, in denen er auch als Dekan der Medizinischen Fakultät Innsbruck vorstand, machten seinen Bestrebungen zunichte. Er widmete sich daher dem Innenausbau des Institutes: dem Ausbau der Bibliothek sowie dem Unterricht und der Forschung. Zahlreiche Ärzte aus Übersee, vor allem aber aus Italien – namentlich aus der Orthopädischen Klinik der Universität Florenz – wurden teilweise von LANG ausgebildet. Zu seinen bekanntesten Schülern zählen der 1970 verstorbene Vorstand des Pathologischen Institutes des Krankenhaus Wien-Lainz – Professor LEO HASELHOFER, sein ebenfalls bereits verstorbener langjähriger treuer Oberarzt Professor HERMANN GÖGL, sowie Professor F. MILLER, Vorstand des Institutes für Zellbiologie der Universität München und Professor J. THURNER, Vorstand des Pathologischen Institutes der Landeskrankenanstalten Salzburg. LANG starb am 7. Oktober 1975 als verehrter Emeritus, der bis zu seinem Ableben fast täglich das Institut besuchte.
Nach LANGS Emeritierung wurde das Institut supplierend von Professor GÖGL und Dozent K. O. SCHMID (Graz) geführt. Am 1.3.1967 wurde Professor ALBERT PROBST als neuer Vorstand nach Innsbruck berufen. Er übernahm ein räumlich beengtes Institut, das den Anforderungen der Zeit nicht mehr entsprach. Mit Unterstützung der Fakultät, des Bundes und des Landes Tirol wurde zuerst der Seziersaal umgebaut und modernisiert, sowie der Altbau erweitert. Im Jänner 1972 konnte der neue Hörsaal eröffnet werden, gleichzeitig begann der Neubau des Institutes, dessen Fertigstellung und feierliche Eröffnung am 30.11.1974 erfolgte. Danach wurde die Renovierung des seit 1894 stehenden Altbaus in Angriff genommen und 1980 beendet. Alt- und Neubau, durch ein gemeinsames Stiegenhaus verbunden, stellen heute eine funktionelle räumlich großzügig ausgestattete Einheit dar.
Trotz dieser fast 10-jährigen Bautätigkeit, zeitweise stand den Assistenten ein einziges Labor für Routine- und Forschung zur Verfügung, wurde am Institut intensiv wissenschaftlich weitergearbeitet. Die Routinediagnostische Tätigkeit hat in diesen Jahren stark zugenommen.
Herr Prof. Dr. Gregor MIKUZ war von 1984 bis 2010 als Ordinarius tätig. Frau Prof. Dr. Irene ESPOSITO war von 2014 bis 2015 in Innsbruck. Seit 2018 leitet Herr Prof. Dr. Dr. Johannes HAYBÄCK das Institut.
Literatur
HUTER, F.: Hundert Jahre medizinische Fakultät Innsbruck 1869-1969. Band VII/1. Kommissionsverlag der österreichischen Kommissionsbuchhandlung, Innsbruck, 1969. – LANG, F. J. und A. PROBST: Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie. In: Hundert Jahre medizinische Fakultät Innsbruck 1869 – 1969. Band VII/2. Kommissionsverlag der österreichischen Kommissionsbuchhandlung, Innsbruck, 1969. – RATZENHOFER, M.: Die Geschichte der Pathologie an der Universität Graz. Verh. Dtsch. Gesell. Path. 56, XXIII-XXXIII (1972). – THURNER, J.: Gedenkblätter – F. J. LANG. Verh. Dtsch. Ges. Path. 60, 489-495 (1976).
(Univ.-Prof. Dr. Gregor Mikuz – ehemaliger Institutsvorstand)
Ehemalige Vorstände der Pathologie Innsbruck
Vorstandsperiode | |
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2018-2023 |
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2014 - 2015 |
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1984 - 2010 |
(1917-1983) |
1967 - 1983 |
Prof. Dr. Franz Josef Lang Die Rolle des Vorstandes des Instituts für Pathologie in den Jahren 1928 bis 1965 und des Dekans der Medizinischen Fakultät von 1937/38 bis 1943 vor und nach dem sogenannten "Anschluss an das Dritte Reich“ 1938 wird derzeit genauer untersucht. |
1928 - 1965 |
5. Prof. Dr. Georg Benno Gruber Die Rolle des Vorstandes des Instituts für Pathologie ( 1923 – 1928 ) nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 ist derzeit Gegenstand von Untersuchungen. |
1923 - 1928 |
(* Graz, 27. 6. 1851; † Innsbruck, 29. 12. 1935) |
1888 - 1922 |
( Erster Ordinarius für Pathologische Anatomie der Universität ) |
1869 - 1887 |