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Ticlopidin und Clopidogrel
I. Virgolini, Universitätsklinik für Nuklearmedizin, Wien
Die Thrombozyten-Aggregationshemmer Ticlopidin (Tiklid, Ticlodone) und das in einem europäischen Verfahren zugelassene Clopidogrel (Plavix) sind zwei eng verwandte Thienopyridine, welche selektiv und spezifisch mit der Adenosindiphosphat (ADP)-vermittelten Thrombozytenaktivierung interferieren, nicht jedoch wie Acetylsalicylsäure (ASS) mit dem Arachidonsäure-Metabolismus der Thrombozyten im Sinne einer Hemmung von Thromboxan A2. Umgekehrt hemmt ASS, allerdings nur vorübergehend, auch die Synthese des der Thrombozytenaggregation entgegenwirkenden endothelialen Prostazyklins (PGI2). Dieser Schutzmechanismus des Endothels bleibt daher unter Ticlopidin und Clopidogrel erhalten.
ADP ist der wichtigste endogene thrombozytenaktivierende Agonist. Liegen Endotheldefekte im Rahmen einer atherosklerotischen Erkrankung vor, ist die Interaktion zwischen Thrombozyten und Gefäßwand gestört, da ADP nicht unter Vermittlung von endothelialen ADPasen abgebaut wird. Es kommt zur lokalen Akkumulation von ADP in der Gefäßintima und dadurch zur vermehrten Thrombozytenaktivierung, d.h. Adhäsion, Aggregation, Sekretion. Thienopyridine inhibieren die Thrombozytenaktivierung, indem sie selektiv den auf Thrombozyten exprimierten 2-methylthio-ADP-Rezeptor-Subtyp blockieren (1). Sie hemmen im speziellen die Ausbildung von ADP-induzierten Fibrinogenbrücken zwischen Glykoprotein (GP IIb/IIIa)-Komplexen (i.e. den Fibrinogenrezeptoren) verschiedener Thrombozytenmembranen und damit irreversibel die Thrombozytenaggregation. Darüberhinaus kommt es zur Hemmung der Adhäsion sowie Freisetzung verschiedener Faktoren aus den alpha-Granula aktivierter Thrombozyten, wie PDGF (platelet derived growth factor) und α-Thromboglobulin (2). Eine wirksame Thrombozytenfunktionshemmung wird mit einer Dosis von 500 mg Ticlopidin pro Tag erreicht, das Maximum tritt nach 5-8 tägiger Behandlung ein. Die Blutungszeit wird dabei etwa verdoppelt. Nach Absetzen der Behandlung normalisieren sich Thrombozytenfunktionsteste und Blutungszeit innerhalb einer Woche.
Ticlopidin (Tiklid, Ticlodone)
Zum Wirkungsnachweis von Ticlopidin zur Sekundärprävention von thromboembolischen Erkrankungen, nämlich ischämischer Insult, koronare Herzkrankheit und periphere arterielle Verschlußkrankheit (PAVK), liegen mehrere kontrollierte Studien vor, wobei Ticlopidin in keiner Studie weniger effektiv war als ASS. Die meisten Schlaganfälle werden durch Thromboembolien verursacht und manchmal gehen ihnen transiente ischämische Attacken (TIA) voraus. In der randomisiert doppelblinden CATS Studie (3) wurde der Effekt von 2x250 mg Ticlopidin versus Plazebo bei 1072 Patienten nach komplettem thromboembolischen Schlaganfall über einen Behandlungszeitraum von drei Jahren untersucht. Es konnte gezeigt werden, daß Ticlopidin die Zahl der Schlaganfallrezidive, Herzinfarkte und vaskulär bedingte Todesfälle um 30% versus Plazebo vermindert, und daß dies bei beiden Geschlechtern gleich ausgeprägt war. In der doppelblinden, plazebo-kontrollierten STIMS (Schwedische Ticlopidin-Multicenter-Studie) wurde über 5.6 Jahre hindurch untersucht, ob 2x250 mg Ticlopidin die Häufigkeit von Myokardinfarkten, Schlaganfällen und TIAs bei 687 Patienten mit Claudicatio intermittens verringern kann (4). Die Gesamtmortalität, bedingt durch ischämische Herzkrankheit, war in der Ticlopidingruppe um 29% geringer als in der Plazebogruppe. Die einfachblinde, kontrollierte STAI (Studio della Ticlidina nell`Angina Instabile, 5) läßt den Schluß zu, daß 2x250 mg Ticlopidin eine effektive Prävention kardiovaskulärer Komplikationen der instabilen Angina ermöglicht: über einen Zeitraum von 6 Monaten wurde unter Ticlopidin das Risiko für einen nichttödlichen Myokardinfarkt um 46.1%, für einen tödlichen um 46.8%, sowie für alle Ereignisse um 46.3% gesenkt.
Eine doppelblinde, plazebokontrollierte Bypasstudie an 173 Patienten (6) zeigte eine signifikante Senkung der Verschlußrate aortokoronarer Bypasstransplantate um 15.9% gegenüber 26.1% ein Jahr nach Operation. Eine weitere doppelblinde, randomisierte Studie (7) von Ticlopidin (2x250 mg) im Vergleich zu ASS (2x325 mg) plus Dipyridamol (3x75 mg), und Plazebo an 337 Patienten, bei denen eine perkutane transluminale Koronarangioplastie (PTCA) durchgeführt wurde, zeigte, daß gegenüber Plazebo beide Therapiegruppen eine signifikante Senkung der akuten ischämischen Komplikationsrate bewirken (p<0,01), wenn die Behandlung 4-5 Tage vor dem Eingriff begonnen wird. Die Inzidenz später Restenosen war jedoch unter medikamentöser Therapie nicht geringer als unter Plazebo. Intravaskuläre Stents sollen dazu beitragen, die Proliferation von glatten Muskelzellen zu verhindern, um das angiographische Primärergebnis zu verbessern. Unter Ticlopidin konnte in Monotherapie oder auch in Kombination mit ASS das Risiko akuter und subakuter Gefäßverschlüsse markant gesenkt werden. So zeigte eine randomisierte, leider aber nicht doppelblind durchgeführte Studie einer Kombinationstherapie von 2x250 mg Ticlopidin und 1x100 mg ASS (257 Patienten) versus antikoagulatorischer Therapie (Heparin i.v. 5-10 Tage lang, Phenprocoumon (Marcoumar) nach Einstellung, und 1x100 mg ASS, 260 Patienten), daß nach Stentsetzung das Auftreten sowohl von kardialen Ereignissen als auch von vaskulären und Blutungskomplikationen signifikant vermindert ist (9). Im Gegensatz dazu konnte eine weitere (kleinere) randomisierte Studie (10) diese Resultate nicht bestätigen. Insgesamt liegt noch keine Einigung über entsprechende Therapieschemata (ASS, Heparin, Ticlopidin, Phenprocoumon) bei Stenteinsetzung vor.
Die schwerwiegendste Nebenwirkung einer Behandlung mit Ticlopidin besteht im Auftreten einer Neutropenie (2.4% der Patienten). Diese tritt während der ersten 3 Behandlungsmonate auf, so daß engmaschige (siehe Fachinformation: in den ersten 3 Monaten der Behandlung alle 14 Tage) Blutbildkontrollen unbedingt notwendig sind. Die häufigsten Nebenwirkungen (12.5% der Patienten) sind jedoch Diarrhoe, Nausea (7.0%) und Dyspepsie (7.0%). Exantheme treten in 5.1% der Patienten auf (3,10).
Unterschiede gegenüber Acetylsalicylsäure. In der über 6 Jahre hindurch durchgeführten randomisierten und doppelblind angelegten TASS (Ticlopidine Aspirin Stroke Study) (11) -Studie wurde die Wirksamkeit von 500 mg Ticlopidin gegenüber 1,300 mg ASS pro Tag an 3069 Patienten mit TIA, Amaurosis fugax, RIND (reversibles ischämisch-neurologisches Defizit) und "Minor Stroke" geprüft. Die Analyse ergab einen signifikanten Behandlungsvorteil für Ticlopidin (Risikoreduktion für Tod und nichttödlichen Schlaganfall) von 47.6% gegenüber ASS im ersten Behandlungsjahr. Ticlopidin konnte den Wirkungsunterschied über den gesamten Beobachtungszeitraum aufrechterhalten. Während für ASS die Wirksamkeit bei Frauen noch immer umstritten ist, war in dieser Studie der Behandlungserfolg für Ticlopidin bei beiden Geschlechtern gleich ausgeprägt. Ulzeration, Gastritis oder gastrointestinale Blutungen kamen bei 2.2% der Patienten unter Ticlopidin und bei 6.2% der Patienten unter ASS vor. 11.9% der Ticlopidin- und 5.2% der ASS-Patienten entwickelten Exantheme. Unter Ticlopidin entwickelten 0.9% eine schwere, aber reversible Neutropenie während der ersten Behandlungsmonate. Thrombozytopenien traten in 7 von 1529 Ticlopidin-behandelten Patienten und in 4 von 1540 ASS-behandelten Patienten auf.
Clopidogrel (Plavix)
Diese Substanz wurde über ein zentrales europäisches Verfahren zugelassen. In der über 5 Jahre hindurch durchgeführten CAPRIE (Clopidogrel versus aspirin in patients at risk of ischemic events) - Studie (11) wurde an insgesamt 19185 Patienten, welche bereits einen Schlaganfall, Herzinfarkt oder eine symptomatische PAVK erlitten hatten, gezeigt, daß unter 75 mg Clopidogrel täglich das Risiko für einen erneuten Schlaganfall, Herzinfarkt oder gefäßbedingten Tod 5.32% und unter 325 mg ASS täglich 5.83% beträgt (p<0.05). Die relative Risiko-Reduktion betrug dabei 8.7% zugunsten von Clopidogrel. Trotz gemeinsamer Pathogenese der atherosklerotischen Erkrankung gab es Unterschiede in den verschiedenen Patienten-Subgruppen. Der Nutzen gegenüber ASS erschien am stärksten in der PAVK-Gruppe (periphere arterielle Verschlußkrankheit), war geringer (kein signifikanter Unterschied zu ASS) in der Schlaganfall-Gruppe. In der Herzinfarkt-Gruppe war Clopidogrel zahlenmäßig (aber nicht statistisch signifikant) ASS unterlegen. Insgesamt läßt die Studie schließen, daß pro 1000 Patienten unter ASS 19 Manifestationen, unter Clopidogrel jedoch 24 pro Jahr verhindert werden können. In der Gesamtmortalität war aber kein signifikanter Unterschied zwischen Clopidogrel und ASS (5.8 versus 6%) zu sehen.
Die Nebenwirkungen in der Clopidogrelgruppe gegenüber der ASS-Gruppe waren: Schwere Formen von Hautausschlägen (0.7% vs. 0.5%), Diarrhoe (4.5 vs. 3.4%), unspezifische gastrointestinale Beschwerden (27.1% vs. 29.8%), Hirnblutung (0.4 vs. 0.5%) und Magen- und Duodenalulzera (0.7 vs. 1.2%). Bemerkenswert gering war die Nebenwirkung auf das hämatologische System: in nur 10 (das waren 0.1%) der Patienten wurde eine signifikante Neutropenie unter Clopidogrel und in 16 (0.17%) unter ASS verzeichnet.
Zusammenfassung
Eine Langzeitbehandlung mit Hemmstoffen der Thrombozytenfunktion als wichtigen Schutz gegen Herzinfarkt, ischämischen Insultund vaskulären Tod gilt heute als gesichert (siehe auch Pharmainfo XIII/1/1998). Diese Aussage beschränkt sich nicht nur auf Atherosklerose-Patienten, die bereits ein vaskuläres Ereignis durchgemacht haben, sondern u.a. auch auf Patienten mit PAVK oder solche, bei denen ein koronarer Stent gesetzt wird.
Neben der bewährten ASS belegen zahlreiche Studien eine vergleichbare Wirksamkeit von Ticlopidin (2x250 mg). In der Rezidivprophylaxe des ischämischen Insults und auch in der Behandlung der PAVK scheint es gegenüber ASS sogar einen gewissen Wirkungsvorteil zu haben. In Kombination mit ASS wird Ticlopidin auch zur Hemmung der Thrombozytenaggregation im Rahmen von aortokoronaren Bypassoperationen und zur Prävention akuter und subakuter koronarer Thrombosen nach PTCA mit Stentimplantation erfolgreich eingesetzt, wobei die Behandlung aufgrund des protrahierten Wirkeintritts einige Tage vor dem geplanten Eingriff beginnen soll. Es liegt jedoch keine Einigung über verbindliche Therapieschemata (Ticlopidin, ASS, Heparin, orale Antikoagulantien) bei diesen Erkrankungen vor, insbesondere deshalb, weil der geringe therapeutische Vorteil von Ticlopidin mit einem hämatologischen Risiko erkauft wird (ca. in 2% Neutropenie oder Agranulozytose, aber auch Thrombozytopenie). Die Indikation zur Behandlung mit Ticlopidin ist daher streng zu stellen, und besonders bei Patienten mit TIA bzw. RIND (reversibles ischämisches neurologisches Defizit) sowie bei Patienten mit Bypass-Operationen und Hämodialysepatienten mit Shuntkomplikationen eher nur dann, wenn eine Behandlung mit ASS nicht vertretbar ist. Während der ersten drei Monate einer Langzeittherapie sind aber engmaschige Blutbildkontrollen notwendig.
Die zwar selten auftretende, aber doch schwere Neutropenie unter Ticlopidin wird unter Clopidogrel praktisch nicht gesehen. Neuere Studien zur Sekundärprävention mit Clopidogrel (75 mg pro Tag) zeigen einen möglichen Behandlungsvorteil gegenüber einer mittleren Dosis von ASS (325 mg pro Tag) bei Patienten mit bereits klinisch manifester Atherosklerose (insbesondere mit PAVK), so wie eine niedrigere Frequenz von Blutungskomplikationen. Die Zeitdauer der "Langzeitbehandlung" ist jedoch nicht definiert. Die pharmakologischen Vorteile von Clopidogrel gegenüber ASS (keine Schädigung der Magenschleimhaut) und Ticlopidin (keine Neutropenie) liegen jedenfalls auf der Hand, es wird aber erst das Ergebnis weiterer Studien sein, ob sie auch von klinischer Relevanz sind. Bei equivalenter Wirkung oder im Zweifelsfalle ist wie immer das jahrzehntelang bewährte Präparat (Acetylsalicylsäure) solange vorzuziehen, bis das Nebenwirkungspotential der neueren Substanz endgültiger beurteilt werden kann.
Literatur:
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8 New Engl J Med 334, 1084, 1996
9 Circulation 93, 215, 1996
10 New Engl J. Med. 321, 501, 1987
11 Lancet 348, 1329, 1996
Orale Tokolyse
H. Schröcksnadel, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Innsbruck
Vorzeitige Wehentätigkeit ist keine Krankheit, sondern nur ein Symptom einer tiefer liegenden Störung. Der Großzahl der Frühgeburten liegen 5 pathogenetische Mechanismen zugrunde. Dazu gehören Infektionen (aszendierend von der Vagina, systemisch oder von den Harnwegen ausgehend) und Plazentationsstörungen (wie bei Präeklampsie, Plazentainsuffizienz, Plazenta praevia oder vorzeitiger Sitzlösung). Pathologien von seiten des Feten (wie Fehlbildungen, Chromosomenstörungen oder Alloimmunopathien) oder des Uterus (Fehlbildungen, Myome oder Cervixinsuffizienz) sind ebenfalls häufige Ursachen. Mehrlingsgraviditäten, die infolge der assistierten Reproduktion heute eher häufiger zu finden sind, neigen auch zur Frühgeburtlichkeit.
Jede einzelne dieser Ursachen kann über vorzeitige Wehentätigkeit oder vorzeitigen Blasensprung letztlich zur Frühgeburt führen. Die vorzeitige Wehentätigkeit ohne erkennbare Ursache wird in der Literatur nur mehr zwischen 5 und 20% angegeben (3).
Die aszendierende Infektion ist eine der Hauptursachen vorzeitiger Wehentätigkeit. Es kommt dabei durch bakterielle Endotoxine zur Freisetzung von Zytokinen wie Interleukin-1 oder Tumor-Nekrose-Faktor-α. Diese Substanzen induzieren in den Eihäuten und der Dezidua die Produktion kontraktionsfördernder Substanzen wie Prostaglandin E2 und F2α, Endothelin und Leukotrienen, aber auch die Produktion von Corticotropin-releasing hormon (CRH) und Interleukin-6 durch die Dezidua und das Chorion.
Bei uteroplacentar-vaskulären Veränderungen führen hingegen Ischämien zur Bildung von Sauerstoffradikalen mit der Bildung von Hydroxyperoxyden aus dem Arachidonsäure- stoffwechsel, die ebenfalls Kontraktionen der glatten Muskulatur hervorrufen. Aber auch durch chronische mütterliche oder fetale Streßsituationen kommt es in Zellen der Plazenta zur Freisetzung von CRH, das nicht nur die Synthese von Prostaglandinen stimuliert, sondern auch das Myometrium gegenüber kontraktilen Einflüssen sensibilisiert.
Die Kontraktion einer glatten Muskelzelle des Uterus wird durch die Myosin-leicht-Ketten-Kinase, diese wiederum durch Kalzium und zyklisches AMP, reguliert. Kalzium stimuliert die Myosin-leicht-Ketten-Kinase, cAMP hemmt sie. Über die Stimulation von ß2-Rezeptoren und dem damit verbundenen cAMP Anstieg wird das Myometrium (aber auch die Gefäß-und Bronchialmuskulatur) relaxiert. Aber auch durch eine Verringerung der intrazellulären Kalziumionenkonzentration kommt es zur Erschlaffung der Muskelzelle. Über diesen Mechanismus können Kalziumkanalblocker oder das kompetitiv wirksame Magnesium ansetzen.
An tokolytisch wirksamen Substanzen kommen im klinischen Alltag (meist in intravenöser Form) fast ausschließlich die Gruppe der Beta2-selektiven Betasympathikomimetika zum Einsatz (14). In Österreich ist für diese Indikation nur Terbutalin (Bricanyl) und Hexoprenalin (Gynipral) zugelassen. Betamimetika werden auch in oraler Applikationsform als "orale Tokolytika" verwendet (1,2).
Die Nebenwirkungen der Betamimetika, die bei parenteraler Verabreichung ausgeprägter zu beobachten sind, resultieren einerseits aus der Beta2-Wirkung, andererseits aus einer Beta1-Restaktivität. Es sind dies die bekannte Tachykardie (bei Mutter und Kind), das Ansteigen des systolischen mit gleichzeitigem Sinken des diastolischen Blutdrucks, Hitzewallungen und Tremor (4). Auf vorübergehende Blutzuckerspiegelerhöhungen bei Diabetes mellitus muß besonders in Kombination mit Glucokortikoiden geachtet werden. Durch Betamimetika kann aber auch eine gestörte Glucosetoleranz induziert werden (10). Es kann bei i.v.-Betamimetikagabe vorübergehend zur Oligurie kommen. In Kombination mit der Betamethasongabe zur Lungenreifung ist das Lungenödem ebenfalls eine schwere Komplikation, mit der man rechnen muß. Die Downregulation der Betarezeptoren bei Langzeittokolyse führt zu einem zunehmenden Wirkungsverlust.
Kontraindikationen für Betamimetika bestehen bei Erkrankungen des Herzens (wie Vitien oder Cardiomyopathien), der Lunge (Pneumonie, pulmonale Hypertension) oder Niere (Niereninsuffizienz, akute febrile Pyelonephritis), aber auch dem entgleisten Diabetes mellitus und der Hyperthyreose, Amnioninfektionssyndrom und schweren uterinen Blutungen.
Diesen Nebenwirkungen und Kontraindikationen steht eine nur limitierte Wirksamkeit gegenüber. In kontrollierten Studien (1,2) ließ sich zeigen, daß mit intravenösen Betamimetika allein keine Verbesserung der perinatalen Mortalität erzielbar ist, allerdings war es möglich, die Schwangerschaft um 24 - 48 Stunden zu prolongieren. Dies kann (zwischen der 24. - 34. Woche p.m.) zur Lungenreifeinduktion mit Betamethason und zum Transfer der Schwangeren an ein Perinatalzentrum genutzt werden. Beide Maßnahmen stellen einen Vorteil für das Neugeborene hinsichtlich Mortalität und RDS (respiratory distress syndrom) Inzidenz dar.
Eine weitgeübte Praxis nach Sistieren der Wehentätigkeit ist eine langsame Senkung der intravenösen Dosis und die Umstellung auf die orale Applikationsform. Diese Therapie wird dann meist über mehrere Wochen, z.T. bis zur 37. Schwangerschaftswoche fortgeführt. Zur Frage der Wirksamkeit der oralen Langzeitapplikation nach i.v.-Therapie gibt es nur wenige, placebokontrollierte, sehr heterogen aufgebaute, Studien.In den meisten dieser Studien (5-9) konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen Kontroll- und Placebogruppe gefunden werden, was das Geburtsgewicht, die perinatale Mortalität, das Gestationsalter zum Zeitpunkt der Geburt bzw. den durch die Therapie gewonnenen Zeitraum betraf. Aufgrund der vorliegenden Arbeiten erscheint es sehr fraglich, ob durch orale Tokolyse nach i.v.-Therapie Vorteile hinsichtlich des fetal outcome erzielbar sind.
Orale Tokolytika als Primärtherapie werden vor allem in der ambulanten Behandlung von Schwangeren mit nicht cervixwirksamer Wehentätigkeit bzw. bei unregelmäßigen Kontraktionen eingesetzt. Diesbezüglich besteht auch von seiten der Frauen ein gewisser Druck auf den behandelnden Arzt, diese Beschwerden medikamentös zu beseitigen. Es läßt sich pharmakokinetisch und pharmakodynamisch (an uterinen Kontraktionen, Puls, Blutdruck) beweisen, daß eine orale Betamimetikagabe in wirksamer Menge resorbiert wird (13). Trotzdem konnte in Risikograviditäten (Z.n. Abort, Frühgeburt, Placentainsuffizienz, Cervixinsuffizienz, Geminischwangerschaften) durchgeführten kontrollierten Untersuchungen kein günstiger Effekt im Sinne der Verlängerung der Gravidität festgestellt werden (1). Ein entscheidender Punkt ist hier die angewandte Dosis der Betamimetika. Die bei i.v.-Gabe gemessenen Plasmaspiegel liegen um das 5 - 20 fache höher als bei oraler Medikation (11,12). Eine echte Wehentätigkeit wird nicht unterdrückt, es kommt allerdings zur Reduktion von nicht cervixwirksamen Kontraktionen, die aber nicht zur Frühgeburt führen. Die primäre orale Tokolyse wird daher als wirkungslose Therapieform mit mütterlichen und kindlichen Nebenwirkungen von der "Standardkommission Tokolyse" abgelehnt (1).
Hochdosiertes Magnesium intravenös (4-6g loading dose, anschließend 2-3g/Std.) zeigte in mehreren randomisierten Studien einen den i.v.-Betamimetika gleichwertigen tokolytischen Effekt (15-17). In einem im Nov. 1997 erschienenen Research Letter (18) wird anhand einer prospektiv randomisierten Studie Magnesiumsulfat (2g/Std) mit einer inhomogen gemischten Kontrollgruppe (Ritodrin, Terbutalin, Indometacin oder Nifedipin) verglichen. In der Magnesiumgruppe traten bei 75 Kindern 10 Todesfälle (bis zu einem Zeitraum von 260 Tagen post partum) auf, in der Kontrollgruppe nur 1 Todesfall (p=0,02). In der Einzelfalldarstellung verstarben 2 der Kinder an einem fetofetalen Transfusionssyndrom, 3 weitere an einem plötzlichen Kindstod im Alter von 41-128 Tagen, 1 weiteres an nicht näher spezifizierten, kongenitalen Anomalien. Unter Abzug dieser Fälle ist wohl kein signifikanter Unterschied mehr nachweisbar. Diese präliminären Daten rechtfertigen es derzeit nicht, von einer indizierten Magnesiumtokolyse Abstand zu nehmen, zumal sich dieselbe Therapie bei der schweren Präeklampsie und Eklampsie als Krampfprophylaxe und somit auch im Sinne der Reduktion der perinatalen Mortalität als wertvoll erwies.
Die orale Gabe von Magnesium wird in einer Dosis von 10-30 mmol/d bei leichten, cervixunwirksamen Wehen angewandt. Es bestehen Zusammenhänge zwischen Magnesiummangel und gesteigerter Neigung zu Wehentätigkeit. Ein alimentär bedingtes Magnesiumdefizit kann in der Schwangerschaft manifest werden, sodaß durch Substitution hier prophylaktische Effekte möglich erscheinen. Es gibt dazu allerdings keine kontrollierten Untersuchungen (1). Nach erfolgreicher i.v-Tokolyse erwies sich eine orale Fortführung der Magnesiumtherapie als den oralen Betamimetika gleichwertig, jedoch mit deutlich geringerer Nebenwirkungs-Rate. Allerdings war die Effektivität beider oraler Therapien nicht signifikant besser als keine medikamentöse Therapie (im Sinne eines ausschließlich observierenden Verhaltens) (5).
Durch Blockade der Kalziumkanäle kann eine tokolytische Wirkung durch Kalziumkanalblocker vom Typ der Dihydropyridine wie z.B. Nifedipin erreicht werden. Die Wirkung tritt sublingual nach 3 bis 5 Minuten, oral nach 20 Minuten ein. Der Einsatz während der Schwangerschaft zur Tokolyse, als auch zur RR-Senkung bei Gestosen, erschien primär auf Grund von Tierversuchen nicht vertretbar. Am fetalen Schaf wurden bei hohen Dosen infolge Beeinträchtigung des uteroplacentaren Blutflusses erhöhte Azidoseraten und eine niedrigere Sauerstoffsättigung nachgewiesen (19). In einer Reihe anderer Tierversuche waren diese Ergebnisse jedoch nicht zu bestätigen (19). Zwischenzeitlich wurden eine große Zahl von Frauen (mit Frühgeburtlichkeit oder Präeklampsie) im Rahmen randomisierter Studien behandelt und es ließen sich hier keine negativen Effekte auf den Feten belegen (19-23). Die Verträglichkeit (Nebenwirkungen aufgrund der Vasodilatation: Tachykardie, Hautrötung und Kopfschmerzen) war im Vergleich zu den i.v.-Betamimetika entscheidend besser bei gleicher tokolytischer Effektivität (19-23). Eine abschließende Beurteilung ist aufgrund noch begrenzter klinischer Erfahrungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfrüht, im Rahmen eines Review in Obstetrics and Gynecology (19) wird Nifedipin für den Einsatz in der Schwangerschaft als sicher bezeichnet. Nifedipin ist dzt. von der FDA für den Einsatz in der Schwangerschaft nicht zugelassen.
In ihrer Wirksamkeit ebenfalls den i.v.-Betamimetika bzw. dem i.v. Magnesiumsulfat gleichzustellen sind die Prostaglandinsynthesehemmer wie das Indometacin (24, 25: Flexidin, Indobene, Indocid, Indohexal, Indomelan, Indometacin, Ralicid). Mütterliche Nebenwirkungen bei rektaler oder oraler Applikation sind mit Ausnahme einer verlängerten Blutungszeit (28) zu vernachlässigen. Allerdings passiert lndometacin die Plazentaschranke und kann bei längerer Anwendung zum Verschluß des Ductus BotaIli führen, bzw. die fetale Urinproduktion deutlich senken. Die Angaben hinsichtlich der Häufigkeit kindlicher Nebenwirkungen sind aber durchaus kontroversiell (24-27). Daher soll lndometacin, das für diese Verwendung allerdings nicht registriert ist, nur bei strenger lndikationsstellung im Zeitraum vor der 32.Schwangerschaftswoche und nicht länger als 48 Stunden eingesetzt werden (24,25). Fetale Herzfehler, aber auch ein Oligohydramnion stellen Kontraindikationen dar.
Zusammenfassung
Betamimetika als orale Tokolytika sind nicht imstande, zur Frühgeburt führende Kontraktionen über eine Placebowirkung hinaus zu hemmen. Dies gilt auch für orale Magnesiumtherapie. Aufgrund des geringeren Nebenwirkungs-Spektrums bei gleicher Wirksamkeit zur i.v.-Tokolyse könnte Nifedipin in Zukunft eine Rolle spielen, wobei hier noch Studien an größeren Kollektiven abzuwarten sind. Indometacin soll nur bei strenger Indikationsstellung vor der 32. Schwangerschaftswoche eingesetzt werden.
Literatur:
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5 Am. J. Obstet. Gynecol., 175,834, 1996
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7 Am. J. Obstet. Gynecol., 173,1518, 1995
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14 Br. J. Obstet. Gynaecol., 95, 211, 1988
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16 Am. J. Obstet. Gynecol.,156, 631, 1987
17 Am. J. Obstet. Gynecol., 159, 685, 1988
18 Lancet 350, 1517, 1997
19 Obstet. Gynecol., 83, 616, 1994
20 J. Perinat. Med., 23, 409 ,1995
21 Am. J. Obstet. Gynecol., 167, 52, 1992
22 Am. J. Obstet. Gynecol., 169, 960,1993
23 Obstet. Gynecol. 90,1230,1997
24 Obstet. Gynecol., 74, 567, 1989
25 Am. J. Obstet. Gynecol., 169 ,97, 1993
26 Am. J. Obstet. Gynecol., 155,747, 1986
27 N. EngI. J. Med., 329, 1602, 1993
28 Obstet. Gynecol., 84, 820, 1994
Nachtrag Schlafmittel
Herr DDr. V. Weisshäupl hat uns dankenswerterweise auf einen Fehler in der Tabelle über Halbwertszeiten (HWZ) aufmerksam gemacht. Für Flunitrazepam ist die HWZ 10-20 Stunden (und nicht wie in der Tabelle angegebenen Minuten).
Eine weitere Frage ist bezüglich der Bewertung von Neuroleptika als Schlafmittel (ersatz) aufgetaucht. Wir werden sie demnächst beantworten.
P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien
Montag, 7. September 1998
Pharmainformation
Kontakt:
em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler
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