Weniger Therapieabbrüche mit neuen Schizophrenie-Medikamenten
Wolfgang Fleischhacker von der Klinischen Abteilung für Biologische Psychiatrie der Medizinischen Universität Innsbruck hat gemeinsam mit René Kahn, einem niederländischen Kollegen, die weltweit größte Behandlungsstudie über Therapieabbrüche bei Schizophrenie-Ersterkrankten geleitet. Dabei zeigte sich, dass Patienten Antipsychotika der zweiten Generation dauerhafter einnehmen als ein älteres Vergleichsmedikament. Die Studie wurde jetzt im „Lancet“ veröffentlicht.
Schizophrenie ist eine psychiatrische Erkrankung, die die gesamte Persönlichkeit des Patienten betrifft. Häufig leiden die Erkrankten unter Wahnideen oder Halluzinationen, hören Stimmen oder fühlen sich verfolgt. Auch ziehen sich viele Patienten von ihren Mitmenschen zurück oder büßen intellektuelle Fähigkeiten ein. Im Durchschnitt erkrankt einer von Hundert Menschen irgendwann in seinem Leben an Schizophrenie. „Schizophrenie kann gut mit Antipsychotika behandelt werden, wenn dies früh geschieht“, erklärt Wolfgang Fleischhacker. Diese Medikamente müssen lange eingenommen werden – bei einer Ersterkrankung mindestens ein Jahr. Allerdings setzen viele Patienten ihre Medikamente vorzeitig ab. Ihnen drohen Rückfälle und eine Verschlimmerung der Erkrankung. Für den praktischen Erfolg einer Schizophrenie-Behandlung ist daher entscheidend, dass Patienten das ihnen verschriebene Antipsychotikum konsequent einnehmen. Das tun sie in der Regel aber nur, wenn sie es gut vertragen und wenn sowohl sie als auch ihr behandelnder Arzt mit der Wirkung zufrieden sind.
„Die Abbruchrate ist ein pragmatisches Kriterium, um die Effizienz eines Medikaments in der klinischen Realität zu messen. Denn darin spiegelt sich sowohl das Nutzen-Risiko-Verhältnis als auch die subjektive Akzeptanz wieder“, urteilt Fleischhacker. Mit Hilfe dieses Kriteriums wurde in der Studie der Behandlungserfolg verschiedener Medikamente verglichen. Seit etwa zehn Jahren gibt es eine heftige Kontroverse, ob die älteren Medikamente oder die neuen Antipsychotika der zweiten Generation bessere Erfolge erzielen. Die alten Medikamente sind zwar billiger, stehen aber in dem Ruf, häufig zu motorischen Nebenwirkungen zu führen.
Ergebnis mit großer klinischer Relevanz
Es gibt bisher kaum Studien, die die Wirkung der beiden Medikamentengruppen an Patienten untersuchen, bei denen Schizophrenie zum ersten Mal aufgetreten ist. Noch seltener sind Untersuchungen an einer breiten, für die tägliche Praxis repräsentativen Patientengruppe über einen langen Zeitraum. Diese Lücke füllt nun die Innsbruck-Utrechter Untersuchung. Rund 500 ersterkrankte und noch nicht vorbehandelte Patienten in 13 europäischen Ländern nahmen ein ihnen nach dem Zufallsprinzip zugewiesenes Medikament ein: entweder Haloperidol, ein Antipsychotikum der ersten Generation, oder eines von vier neuen Medikamenten (Amisulprid, Olanzapin, Quetiapin, Ziprasidon). Nach einem Jahr wurde die Studie ausgewertet, und es zeigte sich, dass während einer Behandlung mit den neuen Antipsychotika deutlich weniger Behandlungsabbrüche zu verzeichnen waren als unter Haloperidol. Da ein Absetzen dieser Medikamente den häufigsten Grund für einen Rückfall darstellt, ist dieser Befund von großer klinischer Relevanz.
Überraschenderweise wurde als einer der Hauptgründe für den Unterschied in den Abbruchraten mangelnde Wirksamkeit angegeben. Die Studie wertete allerdings auch sekundäre Testvariablen aus, die keine Wirkungsunterschiede zwischen den Medikamenten widerspiegelten. Eindeutig war jedoch, dass Haloperidol zu mehr parkisonähnlichen Nebenwirkungen führte als die neueren Medikamente. Fleischhacker schlussfolgert: „Diese Studie legt nahe, bei neuerkrankten Schizophrenie Patientinnen und Patienten ein Antipsychotikum der zweiten Generation als Therapie erster Wahl zu verschreiben.“
Ein Bild von Prof. Fleischhacker finden Sie unter: http://www.i-med.ac.at/public-relations/medienservice/
Publikation: Effectiveness of antipsychotic drugs in first-episode schizophrenia and schizophreniform disorder: an open randomised clinical trial. René S Kahn, W Wolfgang Fleischhacker, et.al. The Lancet 2008; 371:1085-1097. http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(08)60486-9
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