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Stadt Innsbruck zeichnet medizinische Forschung aus

Verleihung des Preises der Landeshauptstadt Innsbruck für wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck

Im Rahmen eines Festakts in der Weiherburg wurden heute, Freitag, die PreisträgerInnen des Preises der Landeshauptstadt Innsbruck für wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck geehrt.

Nach einem Beschluss des Stadtsenats entsprechend dem Vorschlag eines Gremiums der Medizinischen Universität Innsbruck ging der Preis an drei ForscherInnen: 7.500 Euro an Mag.a Dr.in Natascha Veronika Hermann-Kleiter (Humangenetik) und zu je 5.000 Euro an ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Alexandra Lusser (Molekularbiologie) sowie an Dr. med. univ. Alexander Moschen PhD (Innere Medizin II). Der „Preis für wissenschaftliche Forschung an der Universität Innsbruck“ wurde 1979 ins Leben gerufen und seither jährlich vergeben. Nach Abtrennung der Medizinischen Universität mit dem UG 2002 wird der Preis jedes dritte Jahr, erstmals 2006, an WissenschafterInnen der Medizin vergeben. Der Preis ist ein deutliches Zeichen dafür, wie klar sich die Stadt Innsbruck mit der Arbeit und dem Engagement der jungen WissenschafterInnen der Medizin identifiziert und diese unterstützt.

Autoimmunität: Neuer Wirkungsmechanismus identifiziert

Die Arbeitsgruppe um Preisträgerin Natascha Hermann-Kleiter und Prof. Gottfried Baier von der Sektion für Humangenetik hat die Funktion eines Hormonrezeptors aufgeklärt, der im Zellkern lokalisiert ist und dort die Entwicklung von Immunzellen, die vor allem Autoimmunität -  die gegen den eigenen Körper gerichtete Abwehr - steuert. Diese Mechanismen sind für Erkrankungen, wie Arthritis oder Multiple Sklerose, von Bedeutung.

Natascha Hermann-Kleiter wurde 1970 in Salzburg geboren. Sie studierte in Salzburg Zoologie und absolvierte von 1993 bis 1996 am Institut für Molekularbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Salzburg ein Doktoratsstudium. Bis 1999 forschte sie als Postdoc an diesem Institut. Nach einer Karenzzeit, in der sie zwei Töchter zu Welt brachte, kam Hermann-Kleiter 2002 als Postdoc in Labor von Prof. Baier, wo sie seither zur T-Zell Signalverarbeitung forscht. Für ihre Leistungen wurde sie unter anderem mit dem Otto Seibert-Preis ausgezeichnet.

Wissenschaftliche Hintergründe und Details:

Um die Funktionsweise des Immunsystems verstehen zu können, ist es wichtig, die molekularen Mechanismen, die zu Aktivierung und Aufrechterhaltung wie auch zur Beendigung einer Immunantwort führen, zu kennen. Die Proteinkinase C (PKC) spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Arbeitsgruppe um Preisträgerin Natascha Hermann-Kleiter und Prof. Gottfried Baier von der Sektion für Humangenetik war auf der Suche nach neuen Interaktionspartnern, als sie einen neuen Rezeptor und dessen Signalweg in T Lymphozyten (weißen Blutkörperchen) aufklären konnte. Der nukleäre Rezeptor NR2F6 reguliert die entscheidenden Aktivierungsfaktoren der T Zelle und steuert so die Produktion der Immunmodulatoren und Botenstoffe Interleukin 2 und 17. Normalerweise unterdrückt NR2F6 die oben genannten Aktivierungsfaktoren – je nach äußeren Einflüssen kann dieser Rezeptor aber durch die Proteinkinase C deaktiviert werden und es kommt zur Aktivierung der Zelle. Dadurch erhält die Zelle eine Balancemöglichkeit, um zwischen Immuntoleranz oder produktive Immunabwehr zu entscheiden. Diese Balance ist besonders in Th17 Lymphozyten, einer hochspezialisierten Untergruppe der T Lymphozyten, von Bedeutung, da eine überschießende Aktivierung zum Angriff auf den eigenen Körper führen kann, wie dies zum Beispiel bei Multipler Sklerose oder Rheumatoiden Athritis geschieht. Normalerweise spielen diese Th17 Zellen bei der Abwehr von Pilzen und Parasiten insbesondere an den Schleimhäuten des Darms und der Lunge eine entscheidende Rolle. „Wir konnten mit dem nukleären Hormonrezeptor Nr2f6 einen Transkriptionsfaktor identifizieren, der negativ auf die Ausdifferenzierung von Th17 Zellen wirkt“, erklärt Hermann-Kleiter. „Wir haben aber nicht nur ein Protein identifiziert, das essentiell für eine ausgewogene Balance in der Immunantwort ist, sondern zusätzlich sowohl die Signalkaskade, über welche dieser Hormonrezeptor reguliert wird, als auch die transkriptionellen Gegenspieler auf den Zielgenen erkannt.“

Protein spielt eine entscheidende Rolle während der Befruchtung

Die Preisträgerin Prof.in Alexandra Lusser und ihr Team von der Sektion für Molekularbiologie konnten in ihrer Arbeit einen Mechanismus aufklären, der entscheidend für die Verschmelzung männlicher und weiblicher Erbinformationen während der Befruchtung und damit für die Fortpflanzung ist. Eine Relevanz für den an Fruchtfliegen untersuchten Mechanismus wird nun auch für den Menschen angenommen.

Alexandra Lusser wurde in Lienz in Osttirol geboren und studierte an der Universität Innsbruck Mikrobiologie. Von 1994 bis 1998 absolvierte sie am damaligen Institut für Mikrobiologie der Medizinischen Fakultät ein Doktoratsstudium. Bis 2003 war sie Assistentin an diesem Institut, ein mehrjähriger Forschungsaufenthalt führte sie an die University of California in San Diego. Von 2004 bis 2008 arbeitete Lusser als Assistenzprofessorin an der Sektion für Molekularbiologie am Biozentrum Innsbruck. 2008 habilitierte sie sich im Fach Molekularbiologie und ist seither als Außerordentliche Professorin am Biozentrum tätig. Für ihre Forschungsarbeiten wurde Alexandra Lusser bereits vielfach ausgezeichnet, so erhielt sie den Höchst- und den Aventis-Preis, ein APART-Stipendium und den START-Preis, die höchste Auszeichnung für Nachwuchswissenschaftler in Österreich.

Wissenschaftliche Hintergründe und Details:

Die DNA als Trägerin der Erbinformation ist im Zellkern in einer hochkomplexen Struktur mit basischen Proteinen, den Histonen, organisiert. Dieser Komplex wird als Chromatin bezeichnet. Die Zugänglichkeit der DNA für Prozesse wird daher ganz wesentlich von der Struktur des Chromatins beeinflusst. Der Vorgang, bei dem die DNA mit Histonen verpackt wird, ist ein wichtiger Prozess, der für die Verdoppelung der Chromosomen notwendig ist und eine Grundvoraussetzung für Wachstum und Vermehrung der Zellen darstellt. Das Gebiet der Chromatinstrukturforschung hat in den letzten Jahren außerordentliche Fortschritte erfahren und großes Interesse hervorgerufen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil viele der Faktoren, die für die Modulation der Chromatinstruktur verantwortlich sind, bei der Entstehung von Krebserkrankungen aber auch von Erbkrankheiten beteiligt sind. Das molekulare  Motorprotein CHD1 ist ein zentraler Bestandteil der zellulären Maschinerie, die für die Verpackung der DNA verantwortlich ist. Durch die nun ausgezeichneten Untersuchungen an Fruchtfliegen mit einem defekten CHD1 Gen konnten Alexandra Lusser und ihr Team zeigen, dass CHD1 eine entscheidende Rolle für die Fruchtbarkeit der weiblichen Fliegen spielt. Eizellen, die von Weibchen produziert werden, denen CHD1 fehlt, können zwar befruchtet werden, die genetische Information des Spermiums und der Eizelle verschmelzen jedoch nicht miteinander. Dies führt zu einem Absterben der Embryonen. „Unsere Arbeit hat gezeigt, dass CHD1 unbedingt notwendig ist, um die Struktur des väterlichen Chromatins so zu verändern, dass es sich mit dem mütterlichen Chromatin verbinden und damit die weitere Entwicklung des Embryos erfolgen kann“, erklärt Lusser. „Im Menschen kennt man zwei Proteine, die mit dem Fliegen CHD1 eng verwandt sind. Es ist vorstellbar, dass CHD1 auch im Menschen eine ähnlich kritische Funktion während der Befruchtung ausfüllt. Ein wichtiges Ziel für die Zukunft ist daher die Aufklärung der Rolle von CHD1 in der humanen Reproduktionsbiologie.“

Fettsucht: Hormonelles Gleichgewicht gestört

Gemeinsam mit seinem Team konnte Dr. Alexander Moschen von der Univ.-Klinik für Innere Medizin II molekulare Wirkungsweisen einer aus Fettzellen freigesetzten, hormonähnlichen Substanz im Zusammenhang bislang ungeklärter entzündlicher Prozesse enträtseln. Diese Prozesse dürften im Rahmen von Fettsucht oder Zuckerkrankheit im Alter eine wesentliche Rolle spielen.

Alexander R. Moschen wurde 1978 in Innsbruck geboren. Er studierte hier Medizin und belegte nach dem Abschluss 2004 das PhD Programm für Infektionskrankheiten. Dieses schloss er 2007 erfolgreich ab. Seither forscht Moschen als Universitätsassistent an der Univ.-Klinik für Innere Medizin II in der Arbeitsgruppe von Prof. Herbert Tilg. Der Mediziner wurde für seine wissenschaftlichen Arbeiten bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Falk Preis der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (2005) und dem AESCA Preis für Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (2008).

Wissenschaftliche Hintergründe und Details:

In den vergangenen Jahren stellte sich heraus, dass Fettgewebe ein hormonell hochaktives Gewebe ist, dessen Botenstoffe nicht nur Stoffwechselprozesse, sondern auch immunologische Mechanismen im Körper maßgeblich beeinflussen. Botenstoffe, die überwiegend aus dem Fettgewebe stammen, nennt man Adipozytokine. Die immunbiologische Bedeutung einiger dieser Adipozytokine, wie zum Beispiel Leptin oder Adiponectin, wurde bereits nachgewiesen. Das Protein PBEF (auch Nampt oder Visfatin genannt) wurden als neuer, insbesondere aus dem Bauchfett stammender Vermittler beschrieben. Alexander Moschen konnte gemeinsam mit seinem Team in der nun ausgezeichneten Arbeit zeigen, dass PBEF/Nampt/Visfatin als entzündungsförderndes Adipozytokine wirkt, das Monozyten und Makrophagen stimuliert und deren Effektormechanismen aktiviert. Erst kürzlich demonstrierten die Arbeitsgruppe um Moschen, dass es im Rahmen der Adipositas (Fettsucht) zu einem Ungleichgewicht im Adipozytokinmilieu kommt, insbesondere auch in der Expression von PBEF/Nampt/Visfatin, die möglicherweise den Übergang von der nicht entzündlich verlaufenden Fettlebererkrankung hin zu einer potentiell bedrohlichen Fettleberhepatitis begünstigt. Dieses Ungleichgewicht ist durch eine Gewichtsreduktion umkehrbar. „In Zukunft könnte die Blockade von entzündungsfördernden und die Verstärkung von entzündungshemmenden Adipozytokinen ein attraktives Therapiekonzept in der Behandlung verschiedener immunvermittelter Erkrankungen darstellen“, sagt Preisträger Alexander Moschen.


Bilder der PreisträgerInnen und von der Preisverleihung finden Sie auf unserer Homepage unter: http://www.i-med.ac.at/public-relations/medienservice/