Medizinische Universität Innsbruck – Biozentrum: Wenn sich Zellen nicht an Spielregeln halten
Internationale Förderung der G7-Staaten und der Europäischen Kommission für Innsbrucker Grundlagenforschung
Innsbruck, am 1.6.2010: Eine besondere Auszeichnung erhielt das Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck: Für die Zellforschung stehen Dr. David Teis, Sektion für Zellbiologie am Biozentrum, als erstem Forscher in Österreich 300.000 USD Fördergeld in Form eines Karriere Entwicklungspreises (Career Development Award) des Human Frontier Science Programms (HFSP-CDA) zur Verfügung. Seine zentrale Forschungsfrage: Wie passen sich Zellen an ihre Umgebung an? Die hohe Relevanz des Themas spiegelt sich in der Tatsache wider, dass viele schwere Erkrankungen - wie zum Beispiel Krebs – damit beginnen, dass Zellen ihre Anpassungsfähigkeit verlieren und sich nicht mehr an die Spielregeln halten.
Der menschliche Körper besteht aus über 10 Billionen Zellen, die unterschiedlichste Aufgaben auszuführen haben. „Jede Zelle ist für spezifische Funktionen programmiert“, erklärt Dr. David Teis, Leiter des Membrane Traffic and Signaling Forschungslabors am Biozentrum Innsbruck. „Es gibt Hautzellen, Leberzellen, Zellen für das Wachstum usw. Man muss sich Zellen wie Lebewesen vorstellen: Sie korrespondieren mit ihrer Umgebung – in unterschiedlicher Umgebung verhalten sie sich auch unterschiedlich. Um ihre Funktion auszuüben, muss die Zelle sich an ihrer Umgebung orientieren und – wie im Team – mit ihr zusammenarbeiten.“ In einem Gewebeverband ergibt sich daraus ein koordiniertes Zusammenspiel – Grundlage für die Funktion eines jedes Organismus. Ändert sich die Umgebung, ändert sich auch das Zellprogramm: Bei einem Infekt zum Beispiel muss das Immunsystem reagieren, das im gesunden Zustand inaktiv ist.
„Umprogrammieren“ der Zelle: Kontrolle und Steuerung
Diese Reaktion ist möglich, weil sich an der Zelloberfläche so genannte Rezeptoren befinden. In einer Umgebung für Zellwachstum beispielsweise binden sich entsprechende Wachstumsfaktoren an die Rezeptoren. Damit werden Signale ausgelöst und die Zelle beginnt zu wachsen und zu vermehrt sich. „Wenn sich die Zelle hier nicht an die üblichen Spielregeln hält – gegebenenfalls also nach einer gewissen Zeit nicht mehr stoppt und unkontrolliert wächst und sich vermehrt, ist dies negativ. Ein Beispiel dafür ist die Entstehung von Tumoren. Für die Kontrolle und Steuerung dieses dynamischen Prozesses sind unter anderem die so genannten ESCRT-Proteine verantwortlich. Diese Proteine sorgen dafür, dass Rezeptoren an der Zelloberfläche zerstört werden“, erklärt Grundlagenforscher Teis. ESCRT („endosomal sorting complex required for transport“) bezieht sich auf eine Gruppe von Proteinen, die mitverantwortlich für den Abbau der Rezeptor sind.
Aufklärung der Zellfunktion als Grundlage für Krebs- und Aidsforschung
Das Ziel der geförderten Forschungsarbeit ist es nun, ein integriertes Bild der ESCRT-Protein-Funktion und aller damit zusammenhängender Prozesse, auf der Ebene des gesamten Organismus, zu erhalten. Dieser systembiologische Ansatz könnte somit Rückschlüsse auf das Verständnis dieser Anpassungs- und Modifizierungsmechanismen in Zellen ermöglichen. Diese Forschungsprojekte führt Dr. Teis in Kollaboration mit dem Team von ao.Univ.-Prof. Dr. Herbert Lindner (Sektion für Klinische Biochemie, Protein Analysis Group), der Gene Discovery Core Facility (Leitung Dr. Reinhard Kofler) und dem Team rund um Univ.-Prof. Dr. Zlakto Trajanoski, Leiter der Sektion für Bioinformatik, durch. "In Anbetracht der Relevanz der ESCRT-Protein-Komplexe für Krankheiten wie Krebs und Aids, birgt deren detaillierte Aufklärung Potential für neue Entwicklungen“, betont Teis. Internationale Unterstützung in Form einer Forschungsförderung in der Höhe von 300.000 USD erhielt das Team um Dr. Teis nun von dem internationalen Forschungsprogramm Human Frontier Science Programm (HFSP), das die Grundlagenforschung in den Lebenswissenschaften fördert.
Hintergrundinformation
Biozentrum Innsbruck
Das Biozentrum Innsbruck der Medizinischen Universität Innsbruck steht unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. Lukas Huber.
Sektionen:
- Sektion für Medizinische Biochemie
- Sektion für Neurobiochemie
- Sektion für Klinische Biochemie
- Sektion für Biologische Chemie
- Sektion für Zellbiologie
- Sektion für Genomik und RNomik
- Sektion für Molekularbiologie
- Sektion für Experimentelle Pathophysiologie und Immunologie
- Sektion für Molekulare Pathophysiologie
- Sektion für Entwicklungsimmunologie
- Sektion für Bioinformatik
Dr. David Teis
Dr. David Teis, Leiter des Membrane Traffic and Signaling Forschungslabors an der Sektion für Zellbiologie des Innsbrucker Biozentrums, wurde kürzlich der Career Development Award des internationalen „Human Frontier Science Program“ zuerkannt. Die renommierte Forschungsförderung in der Höhe von 300.000 US-Dollar wird damit erstmals einem Forscher in Österreich zuteil.
ESCRT-Proteine
ESCRT (endosomal sorting complex required for transport) sind eine Reihe von Proteinen, die an Endosomen wirken. Endosomen sind kleine Transportbehälter (Membran-Vesikel), die zum Abbau der Rezeptor verwendet werden.
Human Frontier Science Program
Das 1989 aufgelegte HFSP-Programm ist weltweit einzigartig in den Lebenswissenschaften und wird von den G7 Staaten Australien, Indien, Republik Korea, Norwegen, Schweiz, Neuseeland und den nicht in den G7 vertretenen Mitgliedern der Europäischen Union -vertreten durch die EU Kommission - getragen. Das HFSP unterstützt vor allem Forschungsansätze in den Grenzbereichen zwischen der Biologie, Chemie, Physik, Mathematik und den Computer- und Ingenieurwissenschaften. So sollen neue Herangehensweisen an das Erforschen komplexer biologischer Systeme gefunden werden. Innovation und Interdisziplinarität sind neben der wissenschaftlichen Qualität des Forschungsansatzes entscheidende Kriterien für eine Förderung.
Medizinische Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 1.700 MitarbeiterInnen und ca. 3.000 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden drei Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das Doctor of Philosophy (PhD) Doktoratsstudium als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. In der Forschung liegen die Schwerpunkte im Bereich der Molekularen Biowissenschaften (u.a. bei dem Spezialforschungsbereich „Zellproliferation und Zelltod in Tumoren“, Proteomik-Plattform), der Neurowissenschaften, der Krebsforschung, der molekularen Bildgebung und der Sportmedizin. Darüber hinaus ist die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck in der hochkompetitiven Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.
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