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Achtung Sperrfrist: 14.11.2012, 23.00 Uhr

Neue lebensrettende Richtlinien für Unterkühlungsopfer

PatientInnen und Einsatzkräfte profitieren von aktualisierten Behandlungsregeln

Leben und Tod eines Unterkühlungsopfers hängen von den ersten unmittelbaren Entscheidungen ab, die ein Rettungsteam am Unfallort fällt. Ein kanadisch-tirolerisches Forscherteam hat nun bahnbrechende Richtlinien zur Behandlung von Unterkühlungsopfern ausgearbeitet, die  eine signifikante Verbesserung der Überlebensrate versprechen. Die international bedeutenden Erkenntnisse werden am 15. November im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Innsbruck: 14.11.2012: Ein stark unterkühlter Mensch (Körpertemperatur unter 28°C) sollte nach neuesten Erkenntnissen - auch bei Herzstillstand - in ein spezialisiertes, mit modernen Wiederbelebungsmaschinen ausgestattetes, Schwerpunktrankenhaus gebracht werden. Dafür sollte auch ein längerer Transportweg von mehreren Stunden in Kauf genommen werden. Diesen Schluss zieht ein vierköpfiges Forscherteam aus Kanada, Tirol und Südtirol, darunter PD Dr. Peter Paal von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Anästhesie  und Intensivmedizin (Direktor: Univ.-Prof. Karl Lindner) sowie PD Dr. Hermann Brugger vom Institut für Alpine Notfallmedizin der EURAC in Bozen.

Internationales Interesse und Innsbrucker Expertise

Obwohl in den Alpen im Jahr durchschnittlich 100 meist junge und gesunde SportlerInnen durch Lawinenabgänge versterben und alleine in den USA jährlich circa 1.500 Menschen an den Folgen einer Unterkühlung zu Tode kommen, gab es bislang keine umfassenden und gesicherten Richtlinien für die Bergung, den Transport und die Behandlung von Unterkühlungsopfern. Diese für Opfer lebensbedrohliche und für HelferInnen anspruchsvolle Situation wird nun mit neuen Handlungsanweisungen (https://www.i-med.ac.at/pr/pressebilder/images/algorithmus_unterkuehlung.pdf) entschärft, die die Kanadier Douglas J.A. Brown von der University of British Columbia und Jeff Boyd vom Mineral Springs Hospital in Banff sowie Hermann Brugger und Peter Paal aus der Analyse aller aktuellen, weltweit verfügbaren Studienergebnisse ableiten. Mit der Veröffentlichung der aktuellen Erkenntnisse in einer der weltweit führenden Fachzeitschriften, dem New England Journal of Medicine am 15. November, stehen die Richtlinien nun der internationalen ÄrztInnenschaft zur Verfügung. Die aktuellen Erkenntnisse stützen sich insbesondere auch auf die in den letzten drei Jahrzehnten an der Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin durchgeführten Studien und gesammelten Erfahrungen. Immerhin werden z.B. an der Universitätsklinik Innsbruck pro Jahr 10 bis 20 Prozent aller Lawinenopfer von Europa behandelt.

Gute Überlebenschancen für Unterkühlungsopfer

Die wichtigste Erkenntnis: Unterkühlungsopfer haben sehr gute Chancen ohne bleibende Schäden einen Herzstillstand zu überleben, wenn sie in ein spezialisiertes Zentrum wie die Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin in Innsbruck gebracht werden. Dort kann die erforderliche Körpererwärmung und Herzaktivität durch eine Herz- Lungenmaschine oder ein kleineres System wie die Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) erfolgen. Bei diesen intensivmedizinischen Methoden übernimmt eine Maschine die Herz- und Atemfunktion der PatientInnen. Die aktuelle Analyse zeigt, dass dieses Vorgehen die Überlebenschancen auf bis zu 50 Prozent erhöht - im Gegensatz zu traditionellen invasiven Methoden, mittels derer Brustkorb oder Bauchdecke geöffnet werden, um die PatientInnen von innen mit Flüssigkeitsspülungen wiederzuerwärmen. Hier liegen die Überlebenschancen bei vergleichsweise niedrigen 10 Prozent.

„Wir wissen, dass die Lebensfunktionen bei stark Unterkühlten unter guter kontinuierlicher Herz-Lungen-Wiederbelebung auch nach Stunden vollständig zurückkehren können. Der derzeitige Weltrekord liegt bei einem Unterkühlungsopfer im Herzstillstand bei 6.5 Stunden Herz-Lungen-Wiederbelebung - und diese Person hat unbeschadet überlebt. Bei tief Unterkühlten kann deshalb auch eine mehrstündige Herz-Lungen-Wiederbelebung sinnvoll sein. Wichtig ist, dass der Körper zuerst abkühlt und damit in einen Konservierungszustand übergeht und dann erst der Herzstillstand eintritt. Damit kann ein Herzstillstand für länger als 30 Minuten anstatt der erfahrungsgemäßen fünf Minuten überlebt werden. Die Hoffnung sollte also keinesfalls zu früh aufgegeben und ein längerer Transportweg vorbei am ersten kleinen Krankenhaus direkt hin zu einem Zentralkrankenhaus mit Herz- Lungenmaschine oder ECMO in Betracht gezogen werden, da die Überlebenschancen deutlich ansteigen“, betonen die Autoren Hermann Brugger und Peter Paal. Peter Paal ist selbst ein erfahrener Berg- und Flugrettungsarzt und seit sieben Jahren an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin in der PatientInnenversorgung und in der Forschung tätig.

Auch Unterkühlte mit noch vorhandenem Spontankreislauf aber ausgeprägten Herzrhythmusstörungen sollten direkt in ein Schwerpunktkrankenhaus transportiert werden, um einen verzögernd eintretenden Herzstillstand optimal versorgen zu können. Bei Unterkühlten mit stabilem Kreislauf ohne Hinweise auf einen drohenden Herzstillstand reichen nicht-invasive Methoden - etwa spezielle Warmluftdecken - in kleinen Krankenhäusern aus, um eine rasche und sichere Erwärmung zu ermöglichen, so eine weitere Erkenntnis aus der prominent publizierten Sammlung aktuellen Wissens zur Behandlung von Unterkühlungsopfern.


Foto zum Download:

 

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Zwei der vier Autoren der neuen Forschungsarbeit, v.l.: PD Dr. Hermann Brugger vom Institut für Alpine Notfallmedizin der EURAC in Bozen und PD Dr. Peter Paal von der Univ.-Klinik für Änästhesie und Intensivmedizin der Medizinischen Universität Innsbruck (Foto: privat)

 

Das Bild kann unter Beachtung des Copyright honorarfrei verwendet werden.

Links:
Algorithmus
https://www.i-med.ac.at/pr/pressebilder/images/algorithmus_unterkuehlung.pdf

Accidental Hypothermia. Douglas J.A. Brown, M.D., Hermann Brugger, M.D., Jeff Boyd, M.B., B.S.,and Peter Paal, M.D., N Engl J Med 2012;367:1921-9.
http://dx.doi.org/10.1056/NEJMra1114208 

Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin
https://www.i-med.ac.at/patienten/ukl_anaesthesie-intensiv.html

Institut für alpine Notfallmedizin, EURAC

http://www.eurac.edu/en/research/institutes/memedicine/default.html

 

Medienkontakt:
Mag.a Doris Heidegger
Öffentlichkeitsarbeit und Webredaktion
Medizinische Universität Innsbruck
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