Human Brain Project (HBP): EU FET-Flagship mit österreichischer Beteiligung
Die Europäische Kommission hat offiziell bekannt gegeben, dass das Human Brain Project (HBP) als eines ihrer beiden FET-Flaggschiffprojekte ausgewählt wurde. In diesem neuen Projekt werden europäische Bemühungen im Hinblick auf eine der größten Herausforderungen der modernen Wissenschaft – das Verstehen der Funktionsweise des menschlichen Gehirns – gebündelt.
Innsbruck, 28.01.2013: Zweck des Human Brain Project ist es, unser gesamtes bestehendes Wissen über das menschliche Gehirn zusammenzuführen und das Gehirn Stück für Stück auf Supercomputern in Modellen und Simulationen nachzubilden. Diese Modelle bieten die Möglichkeit eines neuen Verständnisses des menschlichen Gehirns und seiner Erkrankungen sowie die Aussicht auf die Entwicklung völlig neuer Rechner- und Robotertechnologien. Am 28. Januar unterstützte die Europäische Kommission diese Vision durch die Mitteilung, dass das HBP als eines von zwei Projekten im Rahmen des neuen FET-Flaggschiffprogrammes finanziert wird.
Das Human Brain Project ist als Zusammenarbeit von über 80 europäischen und internationalen Forschungsstätten auf einen Zeitraum von zehn Jahren (2013-2023) angelegt. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf 1,19 Milliarden Euro. An diesem Projekt werden auch einige wichtige nordamerikanische und japanische Partner beteiligt sein. Die Koordination erfolgt an der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) in der Schweiz durch den Neurowissenschafter Henry Markram. Seine Kodirektoren sind Karlheinz Meier von der Universität Heidelberg (Deutschland) und Richard Frackowiak von der Clinique Hospitalière Universitaire Vaudoise (CHUV) bzw. der Universität Lausanne (UNIL).
Wissenschafter aus Innsbruck, Graz und Klosterneuburg beteiligt
Prof. Alois Saria von der Medizinischen Universität Innsbruck ist als einziger Vertreter Österreichs im Managementbereich des Projektkonsortiums tätig. Er soll in dem zukunftsweisenden Projekt die Ausbildung von rund 500 bis 1.000 PhD Studierenden koordinieren, neue Ausbildungsmodelle und Curricula entwickeln sowie eine neue Fernstudienplattform für junge WissenschafterInnen aufbauen. In dem Projekt werden darüber hinaus weitere Wissenschafter aus Österreich mitarbeiten. Der renommierte Hirnforscher Prof. Peter Jonas vom Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg wird essentielle Daten aus dem Hippocampus generieren, die dann in das Simulationsmodell einfließen.
Prof. Wolfgang Maass, Vorstand des Instituts für Grundlagen der Informationsverarbeitung der TU Graz, leitet im „Human Brain Project“ die Erforschung der „Principles of Brain Computation“. Dazu müssen die Forscher zuerst die Arbeitsweise von typischen Schaltkreisen von Neuronen verstehen: „Wir arbeiten dabei mit Supercomputer-Simulationen, die eine bisher nie dagewesene Fülle von einzelnen experimentellen Ergebnissen integrieren“, erklärt Maass. Sein Team will auf zentrale Fragen Antworten liefern: Worin unterscheidet sich die Arbeitsweise neuronaler Schaltkreise von jener von Computerchips? Können wir der Natur vielleicht den Trick abschauen, mit dem es ihr gelingt, mit unzuverlässigen Komponenten im besonders energieeffizienten Nanobereich zu arbeiten? Lässt sich dieser Trick sogar für den Entwurf von zukünftigen Computerbausteinen im Nanobereich nutzen?
„Da Teile des Projektvolumens offen ausgeschrieben werden, besteht die Möglichkeit für weitere Fachgruppen, sich an dem Projekt in Zukunft zu beteiligen und zusätzlich Mittel nach Österreich zu lenken,“ erklärt Prof. Alois Saria, Leiter der Innsbrucker Abteilung für Experimentelle Psychiatrie.
Wissenschafts- und Forschungsminister Dr. Karlheinz Töchterle gratuliert zur erfolgreichen Beteiligung am Projekt „Human Brain Project“. „Die Beteiligung österreichischer Einrichtungen neben renommierten Institutionen wie der Cambridge University, der Yale University oder dem Weizmann Institute of Science ist ein hervorragendes Beispiel für die innovative und exzellente Forschungsarbeit, die in Österreich geleistet wird. Es zeigt auch, dass die österreichische Forschung auf internationaler Ebene konkurrenzfähig ist und vermehrt strategische Partnerschaften eingeht.“
Auch FWF-Präsident Prof. Christoph Kratky freut sich über die Zusage. „Ich möchte allen in Österreich tätigen, am Human Brain Project beteiligten Wissenschaftern sehr herzlich gratulieren. Sie leisten mit diesem großartigen Erfolg einen wesentlichen Beitrag zur Vernetzung und zur internationalen Sichtbarkeit der österreichischen Grundlagenforschung, deren Leistungsfähigkeit einmal mehr unter Beweis gestellt wird.“
Dreijährige Vorbereitung
Die Auswahl des Human Brain Project als FET-Forschungsflaggschiff ist das Ergebnis einer über dreijährigen Vorbereitung sowie einer rigorosen Evaluierung durch eine von der Europäischen Kommission ausgewählte große Gruppe unabhängiger und hervorragender Wissenschafter. Die Partner werden in den nächsten Monaten einen detaillierten Vertrag mit der Gemeinschaft für die zweieinhalbjährige Anlaufphase (2013 bis Mitte 2016) aushandeln. Die Arbeit am Projekt beginnt in den letzten Monaten des Jahres 2013.
Statements aus Österreich
Univ.-Prof. Dr. Herbert Lochs, Rektor Medizinische Universität Innsbruck
Das Ziel des Projektes die Funktionsweise des Gehirns in seiner Komplexität zu verstehen ist sehr visionär. Für die Medizinische Universität Innsbruck und den Forschungsstandort Tirol ist es eine besondere Auszeichnung, dass Prof. Saria im Managementteam einen zentralen Beitrag leistet. Darüber hinaus ist die Beteiligung der Medizinischen Universität Innsbruck eine weitere Anerkennung für unseren hervorragenden neurowissenschaftlichen Forschungsschwerpunkt.“
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Dr.h.c. Harald Kainz, Rektor der TU Graz
"International und interdisziplinär gemeinsam zum Erfolg: Eine so komplexe Materie wie das menschliche Gehirn zu erforschen braucht ein breites Spektrum an Disziplinen, die an einem Strang ziehen. Das neue Forschungs-Flaggschiff der EU eröffnet bisher ungekannte Möglichkeiten für die Gehirnforschung. Wir freuen uns und sind stolz, dass Wissenschafter der TU Graz hier mit ihrer weltweit beachteten Expertise eine zentrale Rolle spielen."
Weitere Informationen:
Kurzlebensläufe von Prof. Saria, Prof. Maass und Prof. Jonas (PDF)
Das Human Brain Project in Kürze (PDF)
FET-Flagship Initiative & Presseinformation der EU:
http://cordis.europa.eu/fp7/ict/programme/fet/flagship/
Presse Kit mit weiteren Bildern und Informationen:
Presseaussendung der Europäischen Union:
http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-54_en.htm?locale=en
Fotos zum Download:
Die Bilder können unter Beachtung der Copyrightangabe honorarfrei verwendet werden.
Wissenschaftliches Porträt des Human Brain Project
Das Human Brain Project wird für neue Instrumente sorgen, die das Verständnis des Gehirns und seiner Grundmechanismen fördern und eine zukünftige Anwendung dieses Wissens in den Bereichen Medizin und Informatik ermöglichen.
Informations- und Computertechnik (ICT) ist ein wesentlicher Bestandteil des Human Brain Project. Im Rahmen des Projekts sollen ICT-Plattformen für Neuroinformatik, Hirnsimulationen und Supercomputer entwickelt werden, die die Bündelung neurowissenschaftlicher Daten aus aller Welt, die Integration dieser Daten in einheitliche Gehirnmodelle und -simulationen, die Verifizierung der Modelle mittels biologischer Daten und die Verbreitung der Ergebnisse in der weltweiten Scientific Community ermöglichen. Das Ziel besteht darin, es den NeurowissenschafterInnen zu ermöglichen, die Verbindungen von Genen, Molekülen und Zellen mit Wahrnehmung und Verhalten des Menschen nachzuvollziehen.
In einer neuen Plattform für medizinische Informatik werden klinische Daten aus aller Welt zusammengeführt, um es MedizinforscherInnen zu ermöglichen, klinisch wertvolle Informationen zu entnehmen und in Computermodellen von Krankheiten zu verwenden. Ziel ist es, Techniken zur objektiven Diagnose von Krankheiten des Gehirns zu entwickeln, die ihnen zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen und die Suche nach neuen Behandlungsformen zu beschleunigen.
Letztendlich werden im Rahmen des HBP neue Plattformen für „Neuromorphic Computing“ und „Neurorobotik“ aufgebaut, die es ForscherInnen ermöglichen sollen, neue Computersysteme und Roboter auf der Grundlage der Architektur und Schaltkreise des Gehirns zu entwickeln. In diesen neuen Systemen wird das Detailwissen über das Gehirn dazu verwendet werden, wichtige Probleme künftiger Computertechnik (Energieeffizienz, Zuverlässigkeit und die großen Schwierigkeiten bei der Programmierung hochkomplexer Computersysteme) zu lösen.
Im Rahmen des HBP werden unabhängige WissenschafterInnen finanziell unterstützt, um die neuen Plattformen für ihre eigene Forschung nutzen zu können. Hierfür ist ein beträchtlicher Teil des Projektbudgets vorgesehen. Kurz gesagt wird mit dem HBP ein CERN für das Gehirn geschaffen.
Film über das Human Brain Project:
http://www.humanbrainproject.eu/index.html
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Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 1.400* MitarbeiterInnen und ca. 3.000 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. Neu im Studienplan seit Herbst 2011 ist das Bachelor-Studium der Molekularen Medizin. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Die Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Darüber hinaus ist die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.
*vollzeitäquivalent