Weltweites Echo für Meilenstein in der europäischen MSA Forschung
- Bislang größter Erfolg für das Innsbrucker MSA-Team
- Prognose für Krankheitsverlauf der neurodegenerativen Erkrankung möglich
- Studiendaten als Basis für Entwicklung gezielter Therapie
Von der fortschreitenden, tödlich verlaufenden Erkrankung Multisystematrophie (MSA) sind in Österreich etwa 1000 Menschen betroffen - im Vergleich zu 30.000 Parkinson-Erkrankten. Bis heute gibt es keine wirksame Therapie, doch nun liefern Innsbrucker Forscher zukunftsweisende Erkenntnisse für die Entwicklung spezifischer Therapiestudien und ebnen damit den Weg für eine gezielte Behandlung.
Innsbruck, 13. Februar 2013: Der Untergang von Zellen in bestimmten Regionen des Gehirns ist Ursache für die Entwicklung der neurodegenerativen Erkrankung MSA. Die Symptome sind vielfältig und betreffen vor allem das autonome Nervensystem (wie Blasenentleerungsstörungen und Blutdruckstürze) und motorische Funktionen mit der häufigen Manifestation eines Parkinson-Syndroms mit oder ohne Ataxie (Kleinhirnfunktionsstörung). Für die MSA spezifisch ist das Nicht-Ansprechen auf die Parkinson-Therapie, was zum rasch progressiven Verlauf der Krankheit beiträgt. „Eine möglichst frühzeitige und gezielte Diagnose optimiert die Wirksamkeit therapeutischer Maßnahmen bei MSA, für die es bislang allerdings keine Heilung gibt", weiß Univ.-Prof. Gregor Wenning, der gemeinsam mit Univ.-Prof. Werner Poewe, Direktor der Univ.-Klinik für Neurologie, an der Medizinischen Universität Innsbruck eine europäische MSA-Studiengruppe (EMSA-SG) etabliert hat. In den vergangenen Jahren konnten im Rahmen dieses Forschungsnetzwerkes bereits einige wertvolle Beiträge zur Pathogenese und dem Verlauf der Erkrankung geleistet werden, etwa mit der Entwicklung einer krankheitsspezifischen Skala (Unified MSA Rating Scale, UMSARS http://dx.doi.org/10.1002/mds.20255) oder der Charakterisierung bildgebender Surrogatmarker (Messwert für die Therapiewirkung in klinischen Studien).
Meilenstein für die Entwicklung wirksamer MSA-Therapien
Mit den Ergebnissen einer neuen, im renommierten Wissenschaftsjournal The Lancet veröffentlichten, prospektiven Studie unter der Leitung von Prof. Wenning ist man nun der Entwicklung wirksamer Behandlungsstrategien einen großen Schritt näher gekommen. „Unsere Studienergebnisse erlauben die detaillierte Beschreibung des natürlichen Krankheitsverlaufs, die Angabe von Progressionsraten sowie von Prädiktoren für einen guten bzw. schlechten Krankheitsverlauf. Darüber hinaus wurde eine Datenbank zur Fallzahlerstellung für künftige Therapiestudien erstellt“, erklärt Prof. Wenning.
In der Kohortenstudie wurden 141 MSA-PatientInnen zwei Jahre lang mittels standardisiertem EMSA Minimal Datensatz sowie der UMSARS untersucht. Aus den gewonnenen Daten lassen sich sechs zentrale Ergebnisse ableiten:
- Betroffene zeigen mit durchschnittlich 56 Jahren erste Symptome für MSA, das mediane Überleben ab Diagnose beträgt 9,8 Jahre
- Das Vorliegen der Parkinson-Variante (MSA-P) sowie einer schweren neurogenen Blasenstörung bedeuten eine ungünstige Prognose
- Die UMSARS-Progressionsrate beträgt teilweise bis zu 70 Prozent in zwei Jahren
- Nicht nur motorische, auch vegetative Symptome (z.B. Pollakisurie, Harndrang, Dranginkontinenz, Harnretention, Impotenz, posturaler Schwindel, Synkopen) verlaufen rasch progredient
- Eine kürzere Krankheitsdauer bei Diagnose sowie mangelndes Ansprechen auf die Parkinsontherapie lassen eine rasche UMSARS-Progression erwarten
- Basis für Fallzahlerstellung: Für eine Interventionsstudie (Therapie X) sind 260 PatientInnen notwendig, um eine 30prozentige Wirkung in einem einjährigen Studiendesign bei einer statistischen Aussagekraft von 80% Power nachweisen zu können
„Die Ergebnisse dieser ersten großen multizentrischen Studie liefern somit einen wertvollen Beitrag für die Durchführung von Interventionsstudien (Überprüfung der Wirksamkeit von Therapien) und damit für die künftige Behandlung von MSA-PatientInnen“, resummieren Prof. Werner Poewe und Prof. Gregor Wenning.
Hintergrund
Neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Multisystematrophie und Angststörungen sind im Rahmen des neurowissenschaftlichen Schwerpunktes der Medizinischen Universität Innsbruck bzw. des universitätsübergreifenden Spezialforschungsbereichs zur Erforschung chronischer Erkrankungen des zentralen Nervensystems (SFB-F44) am Standort Innsbruck Gegenstand intensiver Forschung. Die europäische MSA Studiengruppe wurde von Prof. Poewe und Prof. Wenning im Januar 1999 in Innsbruck gegründet und repräsentiert ein wissenschaftliches Konsortium aus ForscherInnen und akademischen Zentren in Europa und Israel. Das Hauptaugenmerk der EMSA-SG liegt auf der Entwicklung krankheitsmodifizierender Therapien durch eine intensive translationale Forschungsausrichtung mit Evaluierung von innovativen, neuroprotektiven Strategien. Das von Prof. Nadia Stefanova geleitete experimentelle Neurobiologie-Labor ist in das Neurologische Forschungslabor (Leiter: Prof. Markus Reindl) am Department für Neurologie eingebettet und weltweit das einzige mit 100prozentiger Ausrichtung auf translationale MSA-Forschung.
Für Rückfragen: Univ.-Prof. Dr. Gregor K. Wenning Univ.-Klinik für Neurologie Tel.: +43 (0)512/504-81811 E-Mail: Gregor.Wenning@i-med.ac.at |
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(v.l.) Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe und Univ.-Prof. Dr. Gregor Wenning, Universitätsklinik für Neurologie. (MUI/Lackner). |
Weiterführende Links:
The natural history of multiple system atrophy: a prospective European cohort study. Gregor K. Wenning et al, for The European Multiple System Atrophy Study Group., Lancet Neurol. 2013 Feb 4.
http://dx.doi.org/10.1016/S1474-4422(12)70327-7
Europäische MSA Studiengruppe
http://www.emsa-sg.org/
Abteilung für Neurobiologie
https://www.i-med.ac.at/neurobiology/
Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 1.400* MitarbeiterInnen und ca. 3.000 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. Neu im Studienplan seit Herbst 2011 ist das Bachelor-Studium der Molekularen Medizin. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Die Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Darüber hinaus ist die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.
*vollzeitäquivalent