Risikofaktor Lipoprotein(a)-Konzentration: Neue Einsichten erklären genetische Regulation
- Innsbrucker Team identifiziert neue Lp(a)-Genmutation
- Mutations-TrägerInnen vor Herzerkrankungen besser geschützt
- Neuer Ansatzpunkt für protektive Herz-Kreislauf-Therapien
Der sportliche, nicht-rauchende und stets gesund wirkende 45jährige, der plötzlich an den Folgen eines Herzinfarkts stirbt, gehört sehr häufig zu jenen 20 Prozent der Bevölkerung, die eine genetisch bedingt erhöhte Lipoprotein(a)-Konzentration und damit ein hohes Risiko für Herzkreislauferkrankungen haben. Mit der Entdeckung einer neuen, weit verbreiteten Mutation liefert ein Team der Innsbrucker Sektion für Genetische Epidemiologie nun ein vielversprechendes Erklärungsmuster für die bislang weitgehend ungeklärte Regulation der Lp(a)-Konzentrationen.
Innsbruck, am 25.04.2017: Lp(a) – 1963 erstmals beschrieben und schließlich als einer der wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren bestätigt – wird an der Sektion für Gentische Epidemiologie der Medizinischen Universität Innsbruck (Direktor: Florian Kronenberg) bereits seit vielen Jahren intensiv beforscht. Das renommierte European Heart Journal berichtet nun über eine neue, vom Innsbrucker Forschungsteam um Florian Kronenberg entdeckte Mutation, die für niedrige Lp(a)-Konzentrationen verantwortlich ist.
„Lp(a)-Konzentrationen werden fast ausschließlich durch ein einziges Gen namens LPA kontrolliert. Dieses Gen beinhaltet eine schon lange bekannte ‚copy number variation‘ (großer Genom-Abschnitt, der in unterschiedlichen Personen unterschiedlich oft vorhanden ist – hier in bis zu 70 Kopien), namens KIV-2. „In diesem bisher weißen Fleck der genetischen Landkarte konnten wir, neben zahlreichen weiteren Mutationen, auch jene Mutation identifizieren, die in deren TrägerInnen zu niedrigen Lp(a)-Konzentrationen führt und damit zu einem verringerten kardiovaskulären Risiko beiträgt. Und das, obwohl diese Personen aufgrund ihrer restlichen genetischen Ausstattung eigentlich hohe Konzentrationen aufweisen sollten“, so Kronenberg. Dieser Erkenntnis des Innsbrucker Teams ging ein langer und technologisch herausfordernder Prozess voraus.
Ausdauer, Innovation und Zusammenarbeit entlarven neue Mutation
Sogenannte kleine Lp(a) Isoformen (eine Isoform ist eine Proteinvariante) mit wenigen KIV-2-Wiederholungen gehen mit erhöhten Lp(a)-Konzentrationen einher und in Folge mit einem stark erhöhten Herzinfarkt-Risiko. Bis zu 20 Prozent der Bevölkerung haben erhöhte Lp(a)-Konzentrationen. In den vergangenen zehn Jahren wurden an der Sektion für Genetische Epidemiologie die Lp(a) Isoformen und Konzentrationen von mehr als 24.000 Menschen gemessen. Dabei stellte sich überraschend heraus, dass eine beträchtliche Anzahl der Personen von diesem eigentlich gut etablierten Zusammenhang abwich, also niedrige Lp(a)-Konzentrationen trotz kleiner Isoform aufwies. Damit standen die ForscherInnen vor der Herausforderung, im technologisch schwer zugänglichen und deshalb kaum beleuchteten KIV-2-Bereich des Gens nach Antworten für diese Beobachtung zu suchen.
„Um eine bisher kaum durchführbare umfangreiche Mutationsanalyse in großen Kollektiven zu ermöglichen, mussten wir erst ein ganz spezielles Next Generation Sequencing (NGS) Protokoll mit hoher Sensitivität erarbeiten“, berichtet Stefan Coassin, Molekularbiologe an der Sektion für Genetische Epidemiologie und Erstautor der neuen Forschungsarbeit. Auch die bioinformatische Auswertung musste erst auf die speziellen Eigenschaften der KIV-2-Region zugeschnitten werden, was mit dem Know-How der an der Sektion beschäftigen Bioinformatiker gelang. Schließlich musste auch eine spezifische Methode etabliert werden, um kostengünstig tausende Personen zu untersuchen („Genotypisierung“). Diese zeigte, dass 22 Prozent der Bevölkerung eine Genmutation tragen, die niedrige Lp(a)-Konzentrationen trotz kleiner Isoform hervorrufen. Die Mutation war bisher aufgrund ihrer Lage im Genom nicht identifizierbar gewesen.
Genmutation schützt vor Herzerkrankungen
Dank dieser innovativen, datenintensiven Methodik und der konstruktiven Zusammenarbeit mit weiteren Kolleginnen und Kollegen am Standort (Lukas A. Huber, Alexander Hüttenhofer Heinz Zoller und Reto Bale) gelang schließlich das „Meisterstück“: Das Team konnte nachweisen, dass die in der KIV-2-Region gefundene Mutation die Lp(a)-Konzentrationen in der klinisch relevanten Gruppe mit kleinen Isoformen um rund 70 Prozent verringert. Somit sind TrägerInnen dieser Mutation, trotz der genetisch ansonsten ungünstigen kleinen Lp(a) Proteinvariante, vor Herzerkrankungen geschützt.
Zugleich resultiert aus dieser Forschungsarbeit nun auch die Möglichkeit, eine gezielte Auswahl von Personen mit dieser Mutation für zukünftige Forschungsarbeiten treffen zu können. „Nachdem wir jetzt die Mutation kennen, verstehen wir nun eine ganze Reihe an außergewöhnlichen Eigenschaften der Lp(a)-Konzentrationen, die bisher nicht oder nur teilweise erklärt werden können – etwa der große Unterschied in den Lp(a)-Konzentrationen selbst bei gleicher Isoform. Die neu entdeckte Genmutation trägt entscheidend zum Verständnis bei“, so die Autoren Kronenberg und Coassin.
Neue Therapiemöglichkeiten
Mit einem besseren Verständnis der Eigenschaften der Lp(a)-Konzentrationen rückt auch die Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten einen Schritt näher. Zwar existieren heute bereits Medikamente wie PCSK9-Inhibitoren, die Cholesterin um bis zu 60 Prozent und als Nebeneffekt auch Lp(a) um 30 Prozent senken können. Vor dem Hintergrund der damit verbundenen hohen Kosten und der im Sinne einer präventiven kardiovaskulären Therapie nur ungenügenden Senkung der Lp(a)-Konzentration, kommt der weiteren Erforschung der Lp(a)-Genetik bzw. der regulierenden Mechanismen zur Lp(a)-Konzentration jedoch besondere Bedeutung zu.
Pressebilder zum Herunterladen:
https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2017/28.html
Forschungsarbeit:
A novel but frequent variant in LPA KIV-2 is associated with a pronounced Lp(a) and cardiovascular risk reduction.
https://academic.oup.com/eurheartj/article-lookup/doi/10.1093/eurheartj/ehx174
Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 1.400* MitarbeiterInnen und ca. 3.000 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.
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Fotos zum Herunterladen:
Erstautor Stefan Coassin (li) und der Direktor der Sektion für genetische Epidemiologie, Florian Kronenberg (Copyright MUI/H. Weissensteiner)
Die Grafik zeigt den Zusammenhang zwischen Apo(a)-Isoformen, G4925A Mutationen, Lp(a)-Konzentrationen und Herzinfarktrisiko. (Copyright: MUI)
Medienkontakt:
Mag.a Doris Heidegger
Medizinische Universität Innsbruck
Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit
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