search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

Gemeinsame Medieninformation der EURAC und der Medizinischen Universität Innsbruck

 

„Der Berg kann uns in den Wahnsinn treiben“

 

Forscher von Eurac Research und der Medizinischen Universität Innsbruck untersuchen Psychosen in großen Höhen und entdecken ein neues Krankheitsbild

 

BOZEN, 13.12.2017: Ein Bergsteiger fühlt sich verfolgt, redet wirres Zeug oder ändert grundlos seine Route: Dass Alpinisten in extremen Höhen psychotische Episoden erleiden können, ist relativ bekannt und wurde vielfach in der Bergliteratur dokumentiert. Bislang brachten Mediziner sie hauptsächlich mit der akuten Höhenkrankheit in Verbindung. Nun haben Notfallmediziner von Eurac Research und Psychiater der Medizinischen Universität Innsbruck psychotische Episoden in extremen Höhen einer systematischen wissenschaftlichen Analyse unterzogen und dabei ein neues Krankheitsbild entdeckt: die isolierte höhenbedingte Psychose. Die Studienergebnisse wurden kürzlich im renommierten Fachjournal „Psychological Medicine“ veröffentlicht.

Als Jeremy S. Windsor im Jahr 2008 den Mount Everest bestieg, machte er in den einsamen Bergen eine seltsame Erfahrung, die er mit vielen Extrembergsteigern teilt. Auf 8200 Höhenmetern traf er einen Mann namens Jimmy, der ihn den ganzen Tag begleitete, einige ermunternden Worte zu ihm sprach und dann spurlos verschwand.

Erzählungen wie diese sind in der Alpinliteratur häufig. Katharina Hüfner, Dozentin an der Universitätsklinik für Psychiatrie II in Innsbruck und Hermann Brugger, Leiter des Instituts für Alpine Notfallmedizin, haben mit ihrem Team rund 80 psychotische Episoden aus der deutschen Bergliteratur erstmals gesammelt und ihre Symptome systematisch analysiert.

Bislang führten Mediziner das oben beschriebene „Dritte-Mann-Phänomen“ sowie andere akustische, optische und olfaktorische Halluzinationen auf organische Ursachen zurück. Sie treten neben Symptomen wie starken Kopfschmerzen, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen häufig als Begleiterscheinung eines Hirnhöhenödems auf. „Durch die Studie haben wir herausgefunden, dass es eine Gruppe von Symptomen gibt, die rein psychotisch sind, das heißt, dass sie zwar mit der Höhe zusammenhängen, jedoch weder auf ein Höhenhirnödem noch auf andere organische Faktoren wie Flüssigkeitsverlust, Infektionen oder organische Erkrankungen zurückzuführen sind“, erläutert Hermann Brugger das neu entdeckte Krankheitsbild.

Meist treten isolierte höhenbedingte Psychosen über 7.000 Höhenmetern auf. Über ihre Ursachen können die Forscher derzeit nur Mutmaßungen anstellen: Faktoren wie Sauerstoffmangel, der Umstand, völlig auf sich allein gestellt zu sein und eine beginnende Schwellung in gewissen Hirnregionen könnten die Psychose auslösen. Soweit bekannt, verschwinden die Symptome vollständig, sobald die Alpinisten die Gefahrenzone verlassen und vom Berg absteigen – außerdem erleiden sie keine Folgeschäden. „Diese Erkenntnis erlaubt es uns, vorübergehende Psychosen an ansonsten völlig gesunden Menschen genauer zu untersuchen, das kann uns wichtige Hinweise zum Verständnis psychiatrischer Krankheiten wie zum Beispiel der Schizophrenie geben“, führt Katharina Hüfner aus.

Relevant sind die Studienergebnisse auch, weil das Syndrom das Risiko von Unfällen erhöht: „Es ist äußerst wichtig, dass Extrembergsteiger über diese vorübergehenden Phänomene informiert werden“, erklärt Brugger; „vermutlich gibt es eine Dunkelziffer von Unfällen und Todesfällen infolge von Psychosen. Um die Gefahr solcher Unfälle zu reduzieren, sei es von großer Bedeutung kognitive Behandlungsstrategien zu verbreiten, die die Bergsteiger selbst, oder mit ihrem Partner, direkt am Berg anwenden können, ergänzt Hüfner.

Im kommenden Frühjahr werden die Forscher in Zusammenarbeit mit nepalesischen Ärzten weitere Untersuchungen im Himalaya-Gebiet durchführen. Unter anderem wollen sie herausfinden, wie häufig die Krankheit auftritt. „Die höchsten Berge der Welt sind wahnsinnig schön“, so Brugger; „wir wussten nur nicht, dass sie uns auch in den Wahnsinn treiben können.“

Der Artikel ist frei zugänglich unter: https://doi.org/10.1017/S0033291717003397

 

 

 

PR & Medien

Medienkontakt:

 

EURAC
Sara Senoner
Tel. 0471 055 023
sara.senoner@eurac.edu,

 

Medizinische Universität Innsbruck
Barbara Hoffmann-Ammann
Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: +43 512 9003 71830
public-relations@i-med.ac.at

 

Medienkontakt:

 

EURAC
Sara Senoner
Tel. 0471 055 023
sara.senoner@eurac.edu,

 

Medizinische Universität Innsbruck
Barbara Hoffmann-Ammann
Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: +43 512 9003 71830
public-relations@i-med.ac.at