Europäische Impfwoche 20.- bis 26. April 2020
COVID-19-Pandemie: „Es darf jetzt keinen Anstieg bei Erkrankungen geben, die durch Impfungen vermeidbar sind“
Im Rahmen der Europäischen Impfwoche wird jedes Jahr auf die Bedeutung von Impfungen für die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen hingewiesen. Durch die Covid-19-Pandemie sind die Impftätigkeiten zur Entlastung des Gesundheitssystems stark reduziert worden. Experten der Medizin Uni Innsbruck geben Antworten auf aktuelle Fragen zum Thema und unterstreichen: „Impfen rettet Leben!“.
Pressebilder zum Download: (c)MUI
BU: Impfexperten Peter Kreidl (li) und Reinhard Würzner, beide vom Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie
Innsbruck, am 16. April 2020:Wie unser Leben ohne einen Impfstoff gegen ein gefährliches Virus aussieht, wissen wir jetzt: Da es derzeit noch keinen Impfschutz gegen eine Covid-19-Infektion gibt, müssen wir durch die drastische Reduktion von sozialen Kontakten eine weitere Ausbreitung vermeiden – mit gravierenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Allerdings gibt es viele Infektions-Krankheiten, vor denen eine Impfung schützt. Trotzdem gibt es eine unbekannte Anzahl von ImpfgegnerInnen oder SkeptikerInnen. Mitte März hatte das „Nationale Impfgremium“ in Österreich vor dem Hintergrund der Ausgangsbeschränkungen empfohlen, Schutzimpfungen nur unter Nutzen-Risiko-Abwägung und in Abhängigkeit von der Situation vorzunehmen, wenn sichergestellt werden kann, dass es zu keinem Infektionsrisiko in Bezug auf SARS-CoV-2 kommt.
Wenn Durchimpfungsraten stagnieren, sind Infektionskrankheiten, wie die Masern und der nicht zu unterschätzende Keuchhusten, wieder auf dem Vormarsch. Routine-Impftermine können wegen den derzeitigen Rahmenbedingungen, wenn notwendig, wenige Wochen aufgeschoben werden, sollen jedoch, sobald es die Situation erlaubt, ehestmöglich nachgeholt werden.
Dabei hatte es zuletzt eine positive Entwicklung gegeben. „In Österreich hatten wir bis Kalenderwoche 14 glücklicherweise erst 24 Masernfälle während im gleichen Beobachtungszeitraum des letzten Jahres es mehr als doppelt so viele waren“, erklärt Peter Kreidl, Experte für Public Health der Medizin Uni Innsbruck. Der Tiroler Mediziner und sein Kollege, der Impfexperte Reinhard Würzner, beide vom Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie, geben Antworten auf aktuelle Fragen.
Sind Impfungen derzeit sinnvoll?
Peter Kreidl: Wie bei vielen nationalen und internationalen Krisen, kommt es häufig zu einer ressourcenbedingten Vernachlässigung der Impftätigkeit und damit auch zu nachfolgenden Ausbrüchen von durch Impfung vermeidbare Krankheiten, die als VPD bezeichnet werden. Dazu zählen beispielsweise die Masern, Röteln, Keuchhusten oder auch die durch Pneumokokken ausgelöste Lungenentzündung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat daher bereits am 20. März 2020 in einer Richtlinie auf die Wichtigkeit der Aufrechterhaltung von Impfprogrammen auch während der Covid-19-Pandemie hingewiesen. Ziel ist es, ein zusätzliches Risiko in Bezug auf die Morbidität und Mortalität durch einen Anstieg von Erkrankungen zu verhindern, die durch Impfungen verhindert werden können.
Ist es nicht gefährlich, sich jetzt impfen zu lassen?
Peter Kreidl: Die WHO rät von Massenimpfungen ab, bis sich die COVID-19-Situation deutlich verbessert. Grundimmunisierungen gegen Masern-Mumps-Röteln, Polio oder andere kombinierte Impfungen gelten aber als prioritär. Natürlich müssen beim Impfen alle Sicherheitsmaßnahmen strikt eingehalten werden. Impfungen sollten daher möglichst in Bereichen, die gut belüftet sind und physisch getrennt von anderen PatientInnen in Räumlichkeiten mit ausreichend Platz stattfinden, um die notwendige Distanz wahren zu können. Aus unserer Sicht sollte sich die Bevölkerung weiterhin aktiv bemühen, Impftermine mit ihren Haus- und Kinderärzten zu vereinbaren. Auch rate ich dazu, sich über den Impfplan des Landes Tirol zu informieren: https://www.tirol.gv.at/gesundheit-vorsorge/impfungen/
Ist es möglich, dass eine Impfung jetzt einen negativen Einfluss auf eine mögliche Covid-19-Infektion hätte, indem sie also das Immunsystem schwächen könnte?
Reinhard Würzner: Gerade, wenn das Gesundheitssystem stark gefordert ist, ist es wichtig, den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung zu erhalten, um Krankenhäuser und ÄrztInnen nicht noch weiter zu belasten. Es gibt aktuell auch keinen Hinweis darauf, dass, wenn es nach einer Impfung zu einer Infektion mit dem SARS-CoV2-Virus kommt, der Verlauf der Erkrankung negativ beeinflusst wird und dies wäre auch nicht zu erwarten. Gegebenenfalls sollte mit einer Antikörperbestimmung nach der akuten Phase aber überprüft werden, ob die Impfung vor dem Hintergrund der schweren Virusinfektion erfolgreich war.
Welche Impfungen sind jetzt besonders dringlich?
Reinhard Würzner: Die Grundimmunisierung im Säuglingsalter mit dem 6-fach-Impfstoff und dem Pneumokokken-Impfstoff sowie die erste MMR(V)-Impfung sollten weiterhin mit hoher Priorität durchgeführt werden – auch andere geplante Impfungen können nach Rücksprache mit dem Kinderarzt durchgeführt werden. Ältere Menschen sowie Patientinnen und Patienten mit chronischen Grunderkrankungen sollten sich jedenfalls einer Pneumokokken-Impfung unterziehen, insbesondere, wenn die letzte Impfdosis erst sechs Jahre zurückliegt. Eines muss uns auch in der Pandemiesituation klar sein: Derjenige, der sich impfen lässt, wird davor bewahrt, eine Erkrankung zu bekommen, die nicht nur in einer Pandemiezeit ein hohes Risiko darstellt, wie beispielsweise Masern oder eine durch Pneumokokken oder Influenza ausgelöste Lungenentzündung.
Wann wird es einen Impfstoff gegen SARS-CoV2 geben?
Reinhard Würzner: Für HIV gibt es beispielsweise auch nach 40 Jahren Forschung keine Impfung, aber für eine Impfung gegen das Coronavirus besteht große Hoffnung, weil nach dem Auftreten des ersten Virus aus der SARS-Familie schon Impfstoffkandidaten entwickelt wurden. Im Jahr 2002/03 kam es zwar zu einer Verbreitung von SARS über mehrere Kontinente, jedoch konnte auch durch rasche und konsequente Identifikation aller Kontaktpersonen und strikter Isolierung von Erkrankten dieses Virus ausgerottet werden. Schon gestartete Impfstoffentwicklungen wurden daher nicht weiterverfolgt. Auf diesen Erfahrungen kann nun aber aufgebaut werden, sodass unsere Chancen gut stehen, dass es in einem Jahr einen Impfstoff gibt.
Derzeit werden viele Medikamente bei Covid-19-Infektionen getestet, braucht es diese überhaupt noch, wenn es einen Impfstoff gibt?
Reinhard Würzner: Ich möchte hier zum Vergleich die Grippeimpfung heranziehen: Sie schützt immer einen Großteil der Menschen und bei dem sie nicht wirkt, können Medikamente eingesetzt werden. Wenn es hoffentlich in einem Jahr einen Impfstoff gegen SARS-CoV2 gibt, dann bietet er wahrscheinlich keinen hundertprozentigen Schutz, trägt aber hoffentlich dazu bei, die Verbreitung weiter wirksam einzudämmen. Im Jahr darauf, wird es dann vielleicht einen noch besseren Impfstoff geben, der die Anzahl dieser Todesfälle weiter senkt – antivirale Medikamente werden daher in jedem Fall auch in Zukunft noch gebraucht werden.
Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.000 MitarbeiterInnen und ca. 3.300 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden. Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden. Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.
PR & Medien
Medienkontakt:
Barbara Hoffmann-Ammann
Medizinische Universität Innsbruck
Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit
Innrain 52, 6020 Innsbruck, Austria
Telefon: +43 512 9003 71830, Mobil: +43 676 8716 72830
public-relations@i-med.ac.at, www.i-med.ac.at
Medienkontakt:
Barbara Hoffmann-Ammann
Medizinische Universität Innsbruck
Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit
Innrain 52, 6020 Innsbruck, Austria
Telefon: +43 512 9003 71830, Mobil: +43 676 8716 72830
public-relations@i-med.ac.at, www.i-med.ac.at