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Europaweite Abwasseranalyse bietet effektive öffentliche Gesundheitsüberwachung

Drogen im Abwasser 2021: In Österreich dominieren Cannabis und Kokain, Crystal Meth-Konsum steigt an

Das abwasserbasierte Drogenmonitoring in europäischen Städten wird seit Jahren erfolgreich eingesetzt, um Vergleichswerte und Trends des Drogenkonsums über Ländergrenzen hinweg feststellen zu können. Mit dem Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck (GMI) nimmt seit 2016 auch Österreich am jährlichen Monitoring im Rahmen des europaweiten Netzwerkes SCORE teil. Die Ergebnisse für 2021 stehen erwartungsgemäß unter dem Einfluss der COVID-19 Pandemie.

Pressebild zum Download: (c)MUI/D. Bullock

BU: Führt die Abwasseranalyse für Österreich im Rahmen des SCORE-Programms durch: Chemiker Herbert Oberacher von der Innsbrucker Gerichtsmedizin.

Zum Download: Vergleich Standorte Prokopfkonsum Regionen_2021

Innsbruck, am 17.03.2022: Im Jahr 2021 wurden europaweit die Abwässer von 110 Kläranlagen in 90 Städten bzw. Regionen analysiert, darunter auch die Abwässer von neun österreichischen und einer Südtiroler Kläranlage (insges. 118 Gemeinden). Die Untersuchung lässt Rückschlüsse auf den Drogenkonsum von fast einer Million Menschen in Österreich und Südtirol zu. Für die jährliche SCORE-Studie wurden im Sommer 2021 über einen Zeitraum von einer Woche täglich Proben vom Zufluss der Kläranlagen entnommen.

Die Analyse der einzelnen Konsummarker (Drogen bzw. deren Stoffwechselprodukte) erfolgte wie in den vergangenen Jahren im forensisch-toxikologischen Labor der GMI (Direktor: Richard Scheithauer) unter der Leitung des Chemikers Herbert Oberacher, das aufgrund der vorhandenen Expertise als einzige Einrichtung Österreichs am SCORE-Programm teilnehmen darf. Im Fokus standen die Suchtgifte Tetrahydrocannabinol (THC, Wirkstoff in Cannabis), Kokain, Amphetamin (Wirkstoff in Speed), 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA, Wirkstoff in Ecstasy) und Methamphetamin (Wirkstoff in Crystal Meth), sowie Alkohol und Nikotin. Die Ergebnisse der chemischen Analysen werden von der Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) in Lissabon für den europäischen Drogenbericht verwertet und jährlich veröffentlicht.

Österreich im hinteren europäischen Mittelfeld

„Eine Einwohnerin bzw. ein Einwohner aus einer der zehn untersuchten Regionen trinkt im Schnitt täglich ein Glas Wein, raucht drei Zigaretten und konsumiert 0,06 Joints sowie rund ein Milligramm an aufputschenden Drogen“, veranschaulicht Studienleiter Herbert Oberacher die Ergebnisse für Österreich. Damit liegen die in Österreich und Südtirol überwachten Regionen in einer aus den Ergebnissen der SCORE Studie abgeleiteten Rangliste der untersuchten europäischen Staaten bei allen analysierten Substanzen „bestenfalls“ im Mittelfeld.

Die Möglichkeit des Vergleichs unterschiedlicher Regionen ist eine besondere Stärke des abwasserbasierten Drogenmonitorings So ergab die Analyse, dass der Pro-Kopf-Konsum an Alkohol und Nikotin innerhalb Österreichs relativ einheitlich ist. Bei den verbotenen Drogen bietet sich ein weniger homogenes Bild: In fast allen Regionen war Cannabis die dominierende Droge, wobei der THC-Konsum im urbanen Raum höher zu sein scheint als in ländlichen Gegenden. Unter den Stimulanzien ist Kokain die umsatzstärkste Droge. In Westösterreich und Südtirol wird Kokain pro Kopf in größeren Mengen konsumiert als in Ostösterreich; den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Kokain verzeichneten Bozen und Kufstein. Die größten Pro-Kopf-Konsummengen der Wirkstoffe Amphetamin (Speed) und Metamphetamin (Crystal Meth) ließen sich in Ostösterreich, speziell in Graz, beobachten. Diese West-Ost-Verteilung von Stimulanzien und synthetischen Drogen ist nicht auf Österreich beschränkt, sondern spiegelt sich in Europa wider.

In Südtirol scheint der Pro-Kopf-Konsum dieser Genuss- und Suchtmittel niedriger als in Österreich zu sein. Ein Vergleich von Süd- und Nordtirol lässt sich anhand der Daten aus den Landeshauptstädten anstellen: In Bozen war der Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol, Nikotin, Cannabis, Amphetamin und MDMA geringer als in Innsbruck, jener von Kokain aber höher.

Weniger Partys, weniger Drogen

Für neun untersuchte Regionen lassen sich im Vergleich mit den Ergebnissen der Jahre 2019 und 2020 Informationen über Änderungen im Konsumverhalten ermitteln und so auch die Wirkung behördlicher Maßnahmen im Zuge der COVID-19 Pandemie auf das Konsumverhalten erkennen. „Die COVID-19 Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen scheinen Auswirkungen auf den Drogenmarkt zu haben. Auch wenn es regionale Unterschiede gibt, legen unsere Ergebnisse nahe, dass es insgesamt zu einem Rückgang beim Konsum von Partydrogen, insbesondere von MDMA/Ecstasy (minus 50 Prozent) aber auch Kokain (minus 10 Prozent) und Cannabis (minus 10 Prozent), gekommen ist. Weitere Auffälligkeiten waren Steigerungen des Methamphetamin/Crystal Meth- (plus 130 Prozent) und Amphetamin/Speed-Konsums (plus 30 Prozent). Der Konsum letztgenannter Drogen befindet sich zwar trotz Zunahme noch immer auf niedrigem Niveau, doch sollte diese Entwicklung im Sinne frühzeitiger Präventionsmaßnahmen im Auge behalten werden“, betont Oberacher.

Mehrwert für öffentliche Gesundheitsüberwachung

Die im Rahmen des SCORE Netzwerks über den Drogenmarkt erhobenen Daten liefern den Behörden und den politisch Verantwortlichen Entscheidungshilfen, um geeignete Maßnahmen für eine nachhaltige Drogenpolitik ausarbeiten und umsetzen zu können. Zudem wurde in den beiden letzten Studienläufen auch der Einfluss der COVID-19 Pandemie auf den Drogenkonsum der Bevölkerung untersucht. „Auch wenn wir für Österreich bislang keine flächendeckende Untersuchung vornehmen konnten, lässt sich auf Basis der erhobenen Daten doch ein aussagekräftiges Bild zeichnen, mit dem es gelingt, wichtige Trends abzulesen. Die Abwasseranalyse erweist sich immer mehr als geeignetes und profitables Public Health Instrument“, betont Oberacher, dessen Labor auch für die Analyse umfangreicherer Abwasserdaten gerüstet wäre. In Bezug auf den Konsum von Genussmitteln (Alkohol und Nikotin) decken sich die Ergebnisse der Abwasseranalyse jedenfalls weitgehend mit den im Rahmen der Österreichische Gesundheitsbefragung 2019 erhobenen Kennzahlen.

Zur Person:

Herbert Oberacher promovierte an der Universität Innsbruck zum Analytischen Chemiker. Seit 2003 forscht er am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck, wo er sich 2007 für Bioanalytik habilitierte. 2021 wurde er zum Professor für Metabolomik und Bioanalytische Massenspektrometrie berufen. Das unter seiner Leitung stehende forensisch-toxikologische Forschungslabor ist die einzige Einrichtung Österreichs, die für die Teilnahme am europäischen SCORE-Programm zertifiziert ist.

Aktuelle Ergebnisse für Europa im Detail:

EMCDDA https://www.emcdda.europa.eu/publications/html/pods/waste-water-analysis_en

PR & Medien

Für Rückfragen:

Univ.-Prof. Dr. Herbert Oberacher
Institut für Gerichtliche Medizin
Medizinische Universität Innsbruck
Tel.: +43 512 9003 70639
E-Mail: Herbert.Oberacher@i-med.ac.at

Medienkontakt:

Doris Heidegger
Public Relations & Medien
Medizinische Universität Innsbruck
Telefon: +43 512 9003 70083  
E-Mail: public-relations@i-med.ac.at
www.i-med.ac.at

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