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Februar: Internationaler Kinderkrebstag

Nach dem Krebs ist nicht wie vor dem Krebs

Wenn ein Kind an Krebs erkrankt, stehen die Chancen meist sehr gut, dass es geheilt werden kann. Survivors – Kinder, die eine Krebserkrankung überstanden haben – sind allerdings häufig mit Spätfolgen konfrontiert, die ihre Lebensqualität mitunter massiv beeinträchtigen. 2021 richteten die Tirol Kliniken und die Medizinische Universität Innsbruck auf Betreiben der Kinderkrebshilfe für vorläufig drei Jahre das Zentrum für onkologische Nachsorge für junge Erwachsene (ZONE) ein. Die vom Kinderonkologen Roman Crazzolara geleitete Sprechstunde ist am Comprehensive Cancer Center Innsbruck (CCCI) angesiedelt und wird aus den Töpfen des Tiroler Gesundheitsfonds und des Landesgesundheitsfonds Vorarlberg mitfinanziert. Erste Zahlen aus dem Projekt bestätigen seine Notwendigkeit.

Bilder frei zum Download:


Der Kinderonkologe Roman Crazzolara leitet das Zentrum für onkologische Nachsorge für junge Erwachsene (ZONE) (Foto: MUI/D. Bullock)

Ursula Mattersberger, Obfrau der Kinderkrebshilfe Tirol und Vorarlberg sowie Präsidentin der Österreichischen Kinderkrebshilfe (Foto: Northlight)

 

Innsbruck, 8. Februar 2023:  Weltweit sind ein Prozent aller Menschen, die an Krebs erkranken, Kinder. Die meisten von ihnen können mittlerweile geheilt werden. An der Univ.-Klinik für Pädiatrie I (Direktor: Thomas Müller) in Innsbruck werden rund hundert krebskranke Kinder pro Jahr in der kinderonkologischen Abteilung betreut. 98 Prozent der kleinen PatientInnen mit Leukämie, der häufigsten Krebserkrankung bei Kindern, überleben. Europaweit leben derzeit rund 400.000 Survivors und dank stetig verbesserter Behandlungsoptionen werden sie immer mehr. Allerdings tragen diese Menschen eine hohe Gesundheitslast, die mit zunehmendem Alter schwerer wird. Auf Initiative der Kinderkrebshilfe Tirol haben Medizinische Universität Innsbruck, Tirol Kliniken und die Länder Tirol und Vorarlberg 2021 auf diese Entwicklung reagiert und für eine vorläufige Laufzeit von drei Jahren das ZONE (Zentrum für onkologische Nachsorge für junge Erwachsene) eingerichtet. Erstmals ist damit im Westen Österreichs ein strukturiertes Angebot zur onkologischen Nachsorge für junge Erwachsene geschaffen worden.

Die Sprechstunde für Langzeitnachsorge, die von der Kinderfachärztin Evelyn Rabensteiner am CCCI betreut wird, richtet sich an Betroffene ab 18 Jahren, deren Krebstherapie mindestens fünf Jahre zurückliegt. Mit Start des ZONE wurden alle kinderonkologischen PatientInnen der vergangenen 20 Jahre schriftlich über das Angebot informiert und eingeladen. „Mittlerweile haben wir mehr als 130 Patientinnen und Patienten gesehen. Im Rahmen eines Stufenprogramms erstellen wir ein Risikoprofil. Betroffene mit einem niedrigen Risiko für Spätfolgen werden nach fünf Jahren wieder einbestellt, jene mit hohem Risiko jedes Jahr“, sagt ZONE-Leiter Roman Crazzolara. Dabei sei das Risiko maßgeblich von der Art der Erkrankung und Therapie sowie vom Zeitpunkt der Therapie abhängig. „Die modernen Behandlungsmethoden sind viel präziser und weniger invasiv als beispielsweise noch in den 1980er Jahren, als das reine Überleben noch im Vordergrund stand. Heute erreichen wir Top-Werte beim Überleben und es geht nicht mehr ausschließlich darum, dieses Ziel zu erreichen, sondern auch darum, wie man es erreicht.“

Die Nachsorgesprechstunde umfasst Besprechungen und bei Bedarf Untersuchungen sowie psychologische Unterstützung. Die PatientInnen erhalten alle Befunde der Vergangenheit und sie werden gezielt nach Spätfolgen befragt. Erste Auswertungen haben ergeben, dass 92 Prozent der vorstelligen PatientInnen unter nennenswerten Spätfolgen leiden, Crazzolara schätzt, dass 20 Prozent von ihnen der Gruppe mit dem höchsten Risiko zugeordnet werden können. Die Folgen einer Tumorerkrankung können vielfältig sein und reichen von möglichen Traumatisierungen über Wachstumsstörungen bis hin zu erneuten Krebserkrankungen. Häufig handelt es sich auch um gesellschaftlich tabuisierte, aber durchaus behandelbare physische Langzeitfolgen, die in der Nachsorgesprechstunde zum ersten Mal überhaupt angesprochen werden (z.B. Sexual- und Fruchtbarkeitsstörungen).

Für ein Leben mit möglichst wenigen Spätfolgen
Das ZONE erfüllt zudem den Wunsch vieler Survivors, den Übergang von der Kinderklinik in die Erwachsenenbehandlung zu erleichtern. „Es wäre fein gewesen, wenn ich das damals gehabt hätte. Es war schwer für mich, die Ärzte zu finden, es gab viele Wechsel und oft war es so, dass ich beim nächsten Termin wieder meine ganze Krankengeschichte erklären musste“, erzählt ein Tiroler Survivor. Mit sechs Jahren war bei ihm bei einer augenärztlichen Untersuchung zufällig ein Hirntumor entdeckt worden. Er wurde operiert, erhielt Bestrahlungen, Chemotherapie und musste ein Dreivierteljahr in der Klinik bleiben. Kurz darauf folgte ein Rückfall mit neuerlicher Operation. Der heute
26-Jährige wurde an der Klinik eingeschult und dann zuhause unterrichtet, bevor er in die Schule gehen konnte. „Alles war wieder wie früher, ich habe gar keine Medikamente gebraucht. Bis ich ungefähr 15 Jahre alt war. Da bekam ich plötzlich epileptische Anfälle, die mit größter Wahrscheinlichkeit mit dem Krebs damals zusammenhängen“, erzählt er. Dennoch ist es ihm gelungen, das Gymnasium und ein Studium zu absolvieren. In der Schulzeit bekam er mehr Zeit für Klassenarbeiten. Inzwischen ist er medikamentös gut eingestellt, die Anfälle, die sich bei ihm als kurzfristige geistige Abwesenheit und Stürze äußern, kommen nur noch in den Abendstunden. Dennoch war es für den Erziehungswissenschafter aufgrund seiner Krankengeschichte nicht einfach, Arbeit zu finden. Er musste viele Bewerbungen schreiben, bis er seine jetzige Stelle, eine 20-Stunden Bürotätigkeit, fand – mit ein Grund, warum er nicht namentlich genannt werden will. 2021 wuchs schließlich noch ein gutartiger Tumor unter dem rechten Auge, der sich direkt neben dem Sehnerv befand und deshalb entfernt werden musste. Angst vor weiteren Folgeerkrankungen hat er trotzdem nicht: „Ich bin niemand, der immer das Schlimmste erwartet. Ich habe zwar meine Anfälle, aber sonst kann ich mich nicht beschweren. Ich bin froh und dankbar.“

Als Meilenstein für die Kinderonkologie betrachtet Ursula Mattersberger, die Obfrau der Kinderkrebshilfe für Tirol und Vorarlberg sowie Präsidentin der Österreichischen Kinderkrebshilfe die Einrichtung des ZONE. „Damit ist ein erster, großer Schritt gelungen. Die Survivors sind begeistert, dass es das jetzt gibt. Ein weiterer Ausbau des Angebots ist aber sicher noch notwendig. Mein Wunsch für die Patientinnen und Patienten ist, dass sie ein Leben mit möglichst wenigen Spätfolgen und guten Zukunftsperspektiven führen können.“

Infoportal: ZONE-Zentrum für onkologische Nachsorge für junge Erwachsene