Gemeinsame Medieninformation der Tirol Kliniken und der Medizinischen Universität Innsbruck
Xeroderma pigmentosum – ein Leben abseits des Lichts
Wenn die dreijährige Leonie aus dem Haus geht, braucht sie einen Schutzanzug und Sonnenbrille. Immer. Bevor sie mit ihren Eltern in ein Gebäude geht, messen diese den UV-Anteil der Beleuchtung. Nur bei LED-Lampen kann Leonie sicher ihren Schutzanzug ausziehen. UV-Strahlen zerstören ihre Haut unwiderruflich und führen zu Hautkrebs.
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Die seltene Krankheit an der Leonie seit ihrer Geburt leidet heißt: Xeroderma pigmentosum – kurz: XP. In Österreich gibt es derzeit acht bekannte Fälle. In der Europäischen Union sind es ca. 500.
Bereits im Alter von ca. zwei Monaten hatte Leonie starke Sonnenbrände im Gesicht, obwohl sie nicht der prallen Sonne ausgesetzt war. Nach vielen Besuchen bei niedergelassenen Ärzt:innen führten schließlich der Besuch an der Innsbrucker Universitätsklinik und ein Gentest am Innsbrucker Institut für Humangenetik zur Diagnose XP – Xeroderma pigmentosum.
„Durch die interdisziplinäre Arbeit des Zentrums für Seltene Krankheiten an der Innsbrucker Klinik konnte schlussendlich die Diagnose gestellt werden“, erzählt Bianca Kröll, die Mutter von Leonie. Seither ist es den Eltern ein Anliegen über XP aufzuklären und „möglichst viele Menschen zu sensibilisieren, damit unserer Leonie und anderen Betroffenen ein Leben ohne ‘komische‘ Blicke in der Mitte unserer Gesellschaft ermöglicht wird.“
Xeroderma pigmentosum (XP)
Die XP ist eine sehr seltene (ca. 1:1 Mio. Geburten) vererbbare Erkrankung, bei der die Haut extrem empfindlich auf UV-Licht reagiert. Es gibt acht verschiedene Untergruppen. Bei der schwersten Form XP-A treten bereits im Säuglingsalter nach minimaler Sonneneinwirkung schwere Sonnenbrände auf, mit dem Schulalter entwickeln sich Hauttumoren wie weißer Hautkrebs und Melanome. Bei ca. 50% der Betroffenen kommt es zu einer Schädigung der Augen, was unbehandelt zur Erblindung führen kann. Bei Personen mit XP-A treten neurologische Erkrankungen mit Höreinschränkung, Gangunsicherheit, Gleichgewichtsstörungen und Intelligenzminderung auf.
Ursächlich für die XP sind DNA-Reparaturdefekte. UV-Licht führt auch in geringen Dosen ständig zur Schädigung der DNA. Diese Schäden werden in Zellen von gesunden Menschen durch ein Reparaturnetzwerk erkannt und kontinuierlich korrigiert. Bei Menschen mit XP ist dieser Mechanismus stark eingeschränkt, wodurch es zur UV-Licht-Unverträglichkeit, vorzeitiger Hautalterung und frühzeitiger Entstehung von Hautkrebs kommt.
XP ist nicht heilbar. Eine möglichst frühzeitige Diagnose der Krankheit ist entscheidend, um ehest möglich mit maximalen Lichtschutzmaßnahmen zu beginnen. Ein Aufenthalt bei Tageslicht muss vermieden werden. Kinder müssen UV-Schutzkleidung und Sonnenbrille tragen und Fensterscheiben sollten mit speziellen Schutzfolien versehen werden. Um verdächtige Hautverletzungen zu erkennen und frühzeitig entfernen zu können, sind engmaschige hautärztliche Kontrollen erforderlich. Diese sind für den Verlauf der Erkrankung entscheidend.
Am Expertisezentrum für Genodermatosen (genetisch verursachte Hauterkrankungen) der Hautklinik in Innsbruck wurde bei Leonie trotz der Seltenheit ihrer Erkrankung die Diagnose sehr schnell gestellt. „Durch eine genetische Untersuchung konnten wir unsere Verdachtsdiagnose XP nach wenigen Wochen bestätigen“, erklärt Robert Gruber, leitender Oberarzt an der Hautklinik. Somit konnten alle Präventionsmaßnahmen rasch in die Wege geleitet werden.
Seltene Krankheiten
Ein Krankheitsbild gilt dann als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Einwohner:innen an dieser Krankheit leiden. Hinter dem Begriff „Seltene Erkrankungen“ verbergen sich ca. 7.000 unterschiedliche Krankheiten, die in ihrer Gesamtheit etwa 7 Prozent der Bevölkerung betreffen. In Österreich ist also von rund 500.000 Patient:innen auszugehen. Aufgrund der Seltenheit der Krankheitsbilder sind Betroffene und ihre Angehörigen häufig mit besonderen Problemlagen konfrontiert. Der Nationale Aktionsplan für Seltene Erkrankungen (NAP.se) soll für die Betroffenen eine bessere Versorgung ermöglichen. Am Tag der Seltenen Erkrankungen (Ende Februar) wird auf diese Problematik aufmerksam gemacht.
Zentrum für Seltene Krankheiten in Innsbruck (ZSKI)
Das ZSKI ist eine Anlaufstelle für Menschen mit Seltenen Erkrankungen oder solchen mit unklarer Diagnose und dem Verdacht, dass eine Seltene Erkrankung vorliegt. Ein interdisziplinäres Team trifft sich einmal im Monat, um sich über schwer diagnostizierbare Fälle auszutauschen und auch mal über den Tellerrand zu blicken.
Erkenntnisse über die Ursachen der zu 80 Prozent genetisch bedingten Erkrankungen sind ein wichtiger Schritt für die Verbesserung von Therapiemöglichkeiten und Prognosen. „Für Menschen, die eine Seltene Krankheit haben, kommt zu der häufig erheblichen Belastung durch die Grunderkrankung das Fehlen von Spezialwissen über Krankheitsverläufe und Therapiemöglichkeiten“, erklärt Daniela Karall, Oberärztin an der Kinderklinik und Gründungsmitglied des Zentrums für Seltene Krankheiten Innsbruck. „Auch der Austausch mit Menschen, die Ähnliches verarbeiten müssen, fehlt oft.“
(Text: Tirol Kliniken)