search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

ExpertInnen-Interview zum Internationalen Tag der Immunologie am 29. April

“Vor zehn Jahren gab es bei Hautkrebs kaum Heilungschancen“

Mit dem jährlichen internationalen Tag der Immunologie soll das Bewusstsein für das Immunsystem und die immunologische Forschung im Kampf gegen Infektionen, Autoimmunerkrankungen und Krebs geschärft werden. Die Immunologin Patrizia Stoitzner forscht an der Medizinischen Universität Innsbruck und hat dabei vor allem die dendritischen Zellen – sogenannte Wächterzellen des Immunsystems – im Visier.

Bilder frei zum Download:


Das Bild aus dem Rasterelektronenmikroskop zeigt eine Langerhanszelle (pink) bei der Auswanderung aus der Epidermis zu den Lymphknoten in 15.000facher Vergrößerung. (Copyright: P. Stoitzner/K. Pfaller.)

Die Tumorimmunologin Patrizia Stoitzner leitet an der Univ.-Klinik für Dermatologie und Allergologie das Labor für Langerhans Zellforschung. Copyright: MUI/D. Bullock

 

Innsbruck, am 24.4.2023:

Frau Stoitzner, Sie sind Professorin für Dermatologie mit dem Schwerpunkt Tumorimmunologie und leiten das Labor für Langerhans Zellforschung an der Innsbrucker Hautklinik. Was sind Langerhanszellen und welche Rolle spielen sie in unserem Immunsystem?

Langerhanszellen bilden eine Untergruppe der dendritischen Zellen. Die sternförmig aussehenden Zellen wurden vor über 150 Jahren von ihrem Namensgeber Paul Langerhans entdeckt, der sie ursprünglich für Nervenzellen hielt. Erst Nobelpreisträger Ralph Steinman hat sie in den 1980er Jahren mit Hilfe österreichischer Dermatologen genauer untersucht und den dendritischen Zellen und damit den Immunzellen zugeordnet. Für seine Forschung an dendritischen Zellen und ihrer Bedeutung im Immunsystem, wurde Ralph sogar mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Zurück zu den Langerhanszellen, diese liegen in der obersten Hautschicht, der Epidermis, deshalb sind sie die ersten, die mit einem Erreger oder einem Tumor in Kontakt kommen.  Das macht sie gleichsam zu Wächterzellen unseres Immunsystems, da sie essentiell sind, um eine erfolgreiche Immunantwort im Lymphknoten auszulösen.

Sie forschen zum Melanom und zu neuen Therapieansätzen. Der Hautkrebs gilt als Paradebeispiel für den erfolgreichen Einsatz neuer Krebsimmuntherapien. Warum ist das so?

Das liegt daran, dass das Melanom ein immunogener Tumor ist, das heißt, wir finden im Tumorgewebe viele Immunzellen, die aber leider dort meist inaktiviert werden. Jedoch können diese tumorinfiltrierenden, also in das Tumorgewebe einwandernden Immunzellen gegen die Melanomzellen reaktiviert werden. Aufgrund dieses Profils sprechen ca. 50 Prozent der Melanom-Patientinnen und -patienten auf die Therapie mit sogenannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren an, wodurch das Tumorwachstum oft jahrelang gebremst werden kann, auch eine dauerhafte Genesung kann erreicht werden. Erst vor kurzem konnte die Bedeutung der dendritischen Zellen als Antriebsmaschine der Checkpoint-Inhibitoren für das Ansprechen der Immuntherapie beschrieben werden. Unter anderem auch mit unserer Forschung konnten wir nachweisen, dass die gezielte Aktivierung und Vermehrung von dendritischen Zellen direkt im Krebsgewebe in Kombination mit Checkpoint-Inhibitoren maßgeblich zur Verbesserung der Ansprechrate der Immuntherapie bei Hautkrebs beiträgt. Noch in den 90er Jahren, als ich angefangen habe zu forschen, gab es bei Hautkrebs kaum Heilungschancen, da Melanomzellen relativ resistent gegen die Chemotherapie sind. Das änderte sich erst vor zehn Jahren, als die ersten Immun-Checkpoint-Inhibitoren zugelassen wurden.

Das Immunsystem ist sehr komplex. Können Sie trotzdem ein einfaches Bild davon zeichnen, wie es funktioniert und wie sich unser Körper gegen Infektionen und andere Erkrankungen wehrt?

Bleiben wir bei unserem größten Organ, der Haut. Ein Tumor wächst hier in einem Milieu heran, das voll ist von Immunzellen. Wenn Melanozyten, das sind die Pigmentzellen der Haut, entarten und sich zu Melanomzellen entwickeln, sind die Langerhanszellen zur Stelle und nehmen Bestandteile des Tumors auf und transportieren sie zu den Lymphknoten, um sie dort den T-Zellen – das sind spezialisierte Immunzellen – zu präsentieren. Mit diesem Startsignal aktivieren die dendritischen Zellen eine T-Zell vermittelte Immunantwort gegen die Melanomzellen, die durch Zytokine und andere Botenstoffe direkt bekämpft werden können. T-Zellen können weiter unterteilt werden und sich entweder zu T-Killerzellen entwickeln, die geschädigte Zellen oder Viren zerstören oder zu T-Helferzellen, die wiederum weitere Immunzellen, etwa Fresszellen oder Antikörper produzierende B-Zellen aktivieren. Diese Immunantwort kann in manchen Fällen aber auch schieflaufen, dann kommt es zu einer überschießenden Immunreaktion, die sich auch gegen intakte Zellen richtet.

Werden wir das Immunsystem irgendwann zur Gänze verstehen?

Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Ich würde sagen, wir verstehen das Immunsystem immer besser und heute schon so gut, dass wir mit diesem Wissen und vor allem mit immer besseren Technologien, neue Therapien entwickeln und neue Ansätze verfolgen können. Schon aus kleinsten Patientenproben lässt sich viel immunologische Information holen. Wir verstehen immer besser, wie dendritische Zellen mit Tumorzellen interagieren, wie sie die T-Zellantwort anstoßen; dieses Wissen können wir in Zukunft besser nützen, um in der Melanom-Forschung, wie schon erwähnt, mit der Aktivierung von dendritischen Zellen in Kombination mit Immuntherapien ein besseres Ansprechen der Patientinnen und Patienten zu erreichen.

Was wird die Zukunft bringen?

Die älter werdende Gesellschaft, veränderte Lebensbedingungen, aber auch Umweltbelastungen bedingen eine Zunahme von Krebserkrankungen, aber auch von Allergien. Das fordert unser Immunsystem und vor allem auch die immunologische Forschung immer wieder heraus. Das Tumorverständnis hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verbessert. Die immun-onkologische Forschung hat viele Innovationen gebracht – vor allem technologischer Natur – und ist auch an der Med Uni Innsbruck als Schwerpunkt etabliert. Wir nützen hier am Campus den Vorteil der kurzen Wege, Forschende und Ärztinnen und Ärzte treffen sich am Gang und tauschen sich aus. Neue Erkenntnisse aus dem Labor kommen direkt und schnell zu unseren Patientinnen und Patienten. Wir geben damit ein Musterbeispiel für die sogenannte translationale Forschung ab. Schon bald wird am Campus eine hochmoderne neue Multiplex-Imaging-Plattform etabliert, wo es anhand von Tumorschnitten möglich sein wird, über 50 Marker zu verwenden, um die Interaktion von Immunzellen mit Tumorzellen noch detaillierter und direkt im Gewebe zu analysieren. Für die Entwicklung von innovativen tierversuchsfreien Modellsystemen arbeite ich auch mit Kolleginnen und Kollegen an der Medizin Uni Innsbruck zusammen, etwa mit Michael Außerlechner und Doris Wilflingseder an 3D-gedruckten Haut -und Melanommodellen.

*) Immun-Checkpoint-Inhibitoren sind Antikörper, die dafür entwickelt wurden, das Immunsystem zu aktivieren: Sie richten sich gegen körpereigene "Bremsen" im Immunsystem und verhindern so eine Unterdrückung der Immunantwort durch die Tumorzellen.

 

Zur Person:

Die gebürtige Vorarlbergerin Patrizia Stoitzner hat an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck ein Diplomstudium in Mikrobiologie und ein Doktoratsstudium in Immunologie abgeschlossen und sich 2008 im Fach Immunologie habilitiert. Seit 2007 leitet sie das Labor für Langerhans Zellforschung an der Univ.-Klinik für Dermatologie und Allergologie, in dem neue und verbesserte Therapieansätze zur Immunisierung des Organismus gegen Tumoren entwickelt werden. Stoitzner ist außerdem Koordinatorin des größten Doktoratsprogramms (Molecular and Cellular Biology of Diseases/MCBD) an der Medizinischen Universität Innsbruck.