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Medieninformation

500. Sitzung der Ethikkommission

„Gütesiegel für gute Forschung“

Die Ethikkommission (EK) ist ein unabhängiges und weisungsfreies Gremium, das in Tirol institutionell an die Medizinische Universität Innsbruck gekoppelt ist. Alle klinischen Studien mit ProbandInnen oder PatientInnen, die in den Krankenanstalten Tirols und teilweise auch darüber hinaus durchgeführt werden sollen, benötigen vor Projektstart die gesetzlich oder inneruniversitär vorgeschriebene Zustimmung der EK. Am 18. April kam die im Jahr 1980 gegründete Ethikkommission zu ihrer 500. Sitzung zusammen.

Pressebilder zum Herunterladen (Fotos: MUI/Bullock):

BU: Am 18. April trafen sich die Mitglieder der Tiroler Ethikkommission zum 500. Mal. (Foto: MUI/D. Bullock)

BU: Am 18. April trafen sich die Mitglieder der Tiroler Ethikkommission zum 500. Mal. (Foto: MUI/D. Bullock)

Innsbruck, 24. April 2024: In den 44 Jahren seit Bestehen der Ethikkommission (EK) hat sich viel verändert, vor allem die gesetzlichen Bestimmungen: Konnten sich ForscherInnen mit einer unabhängigen Begutachtung ihres Forschungsvorhabens früher noch freiwillig rückversichern, ist die Prüfung durch eine EK heute gesetzlich oder durch wissenschaftliche Standards vorgeschrieben. Als Grundlagen gelten u.a. das Krankenanstaltengesetz, das Universitätsgesetz und die Clinical Trial Regulation (CTR) für Arzneimittelstudien, eine EU-Vorschrift, die seit drei Jahren in Kraft ist. „Wir sehen uns als Gütesiegel für gute Forschung. Mit unserem Votum fördern wir, dass in Tirol ethisch unbedenkliche Wissenschaft gemacht wird“, sagt Eberhard A. Deisenhammer, 1.stv. Vorsitzender. Die EK evaluiert Projekte nach deren Nutzen, Zumutbarkeit (Zeitaufwand, Belastung durch geplante Interventionen wie Blutabnahmen), Datensicherheit und Risiko (Medikamenten-Nebenwirkungen) für die StudienteilnehmerInnen, aber auch den Wissensgewinn für zukünftige PatientInnen. Die EK schützt PatientInnen und ProbandInnen, aber auch ForscherInnen, indem sie die Unbedenklichkeit der Projekte überprüft und bestätigt.

Sie setzt sich aus ExpertInnen verschiedenster Berufsgruppen und LaienvertreterInnen zusammen, u.a. MedizinerInnen, JuristInnen, PharmazeutInnen, SeelsorgerInnen, PatientInnenvertreterInnen, PflegemitarbeiterInnen und aus VertreterInnen der Ärztekammer für den niedergelassenen Bereich. Die Innsbrucker EK ist die einzige in Österreich, in der auch RichterInnen sitzen. Zur Evaluierung der Anträge wird immer auch ein/e FachärztIn des jeweils einschlägigen Sonderfachs als GutachterIn hinzugezogen. Insgesamt umfasst das Gremium 20 Haupt- und 32 Ersatzmitglieder, die mit Ausnahme der/s Vorsitzenden, die/der alle drei Jahre vom Senat der Medizinischen Universität gewählt wird, ehrenamtlich tätig sind. Seit 2017 sitzt Ludwig Wildt, em. Direktor der Univ.-Klinik für Gyn. Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, der Kommission vor, seine Stellvertreter sind Eberhard A. Deisenhammer (Univ.-Klinik für Psychiatrie I und II) und Eberhard Gunsilius (Univ.-Klinik für Innere Medizin V). David Bachler ist Geschäftsführer.

Enormer Anstieg der Projektanträge

Pro Sitzung stellen 15 bis 20 Antragssteller ihre Projekte vor, die im Anschluss an die Präsentation diskutiert werden. Im Verlauf der vergangenen 44 Jahre kam es zu einer sukzessiven Steigerung bei den Projektanträgen, die in den 1990er-Jahren noch bei rund 60 pro Jahr lagen und 2021 mit 464 ihren bisherigen Höhepunkt erreichten. Gründe dafür sind verschärfte Gesetze und, dass Fachjournale einen positiven Ethikbescheid immer öfter zur Bedingung für eine Veröffentlichung machten. Die Coronazeit war einschneidend, die Projektanträge häuften sich und schließlich wurde ein 14-Tage-Rhythmus – zuvor monatlich – der Sitzungen eingeführt. „Einmal haben wir sonntags kurz vor Mitternacht abgezeichnet, weil die Studie Montagfrüh losgehen sollte“, erinnert sich Wildt.

Das ExpertInnengremium fordert meist Nachbesserungen ein, die den Inhalt, oft allerdings nur formale Korrekturen betreffen. „Wenn es sich um eine Pilotstudie handelt, sollte das der Titel widerspiegeln, oder ob es sich um eine retrospektive oder prospektive Studie handelt. Es kann sein, dass die Statistik nicht gut genug beschrieben ist oder der Passus für den Datenschutz nachbearbeitet werden muss. Viele Antragssteller erleben es als positive Anregung, wenn wir uns auch noch zusätzliche Gedanken machen, andere natürlich auch als Einschränkung oder Prüfungssituation“, sagt Ludwig Wildt.

Eine gänzliche Ablehnung eines Antrages kommt jedoch selten vor. „Das ist auch ein Zeichen von Qualität. Wir denken, dass allein durch das Wissen um eine Prüfung durch die Ethikkommission kaum noch wirklich problematische Projekte bei uns eingereicht werden“, sagt Deisenhammer. Wichtiges Kriterium für die Kommission ist immer, dass die Freiwilligkeit bei der Teilnahme an einer Studie gesichert ist. Genauso muss gesichert sein, dass StudienteilnehmerInnen jederzeit ohne Begründung die Teilnahme an der Studie ohne Nachteile ablehnen oder vorzeitig beenden können. Ihre Motivation sollte der Beitrag zum Fortschritt der Medizin sein. Forschung an Menschen, die nicht einwilligungsfähig sind, kann nur unter besonders strengen Voraussetzungen stattfinden, während Forschung an Menschen, die behördlich festgehalten werden, grundsätzlich nicht möglich ist. Letzteres hat auch dazu geführt, dass für die Lockdown-Phasen mit Ausgangsbeschränkungen in der Pandemie eigene gesetzliche Bestimmungen erlassen werden mussten. „Andernfalls hätten alle laufenden Projekte gestoppt werden müssen, also z.B. auch onkologische Arzneimittelstudien“, schildert Bachler.

Votum für EU-weite Arzneimittelstudien

Bachler war es auch, der die Implementierung der neuen Arzneimittelstudienbegutachtung maßgeblich vorantrieb: Multinationale Arzneimittelstudien unterliegen einem europaweiten Genehmigungsverfahren, an dem die Behörden und eine EK jedes EU-Mitgliedstaats mitarbeiten. Die Koordinierung, z.B. welche EK für eine Studie zuständig ist, obliegt der EK in Innsbruck. Zu Beginn wird in einem Verfahren festgelegt, welcher Mitgliedstaat die Hauptverantwortung trägt und damit letztlich bestimmt, ob ein Projekt EU-weit durchgeführt werden darf. Im Fall, dass Österreich als so genannter Reporting State ausgewählt wird, begutachtet die zuständige EK die Studie mit Unterstützung der anderen EKs in Europa und fällt in Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde das Votum für ganz Europa.

Website der Ethikkommission: https://www.i-med.ac.at/ethikkommission/