Forschungsschwerpunkt Neurowissenschaften an der Medizinischen Universität Innsbruck – Welt-Parkinson-Tag am 11. April
Parkinson: Frühe Diagnose kann Krankheitsverlauf verzögern
Innsbruck, 05.04.2012: Die Erforschung und Behandlung des Parkinson-Syndroms hat im Rahmen des neurowissenschaftlichen Schwerpunktes an der Medizinischen Universität Innsbruck einen besonderen Stellenwert. Weltweit, wie auch an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Neurologie, versuchen ForscherInnen spezifische Marker für eine möglichst frühe Diagnose zu identifizieren, um damit das Fortschreiten dieser neurologischen Erkrankung zu verlangsamen.
Derzeit leben in Österreich rund 16.000 Menschen mit einem Parkinson-Syndrom, davon etwa 1.700 PatientInnen in Tirol. Zwar zählt Parkinson nicht zu den Volkskrankheiten, wie etwa der Schlaganfall, „doch bis 2030 ist mit einer Verdreifachung der Krankheitshäufigkeit zu rechnen“, weiß o. Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe, ausgewiesener Parkinson-Experte und seit 1995 Direktor der Univ.-Klinik für Neurologie in Innsbruck, wo jährlich 380 bis 500 Parkinson-PatientInnen in Behandlung sind. Die Häufigkeit der Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter: In der Altersgruppe der über 60jährigen zeigen rund zwei Prozent ein Parkinson-Syndrom, bei den über 80jährigen sind es drei Prozent.
Symptomatische Therapie
Das Parkinson-Syndrom stellt eine heterogene Gruppe von langsam fortschreitenden, neurologischen Erkrankungen dar, das auf das Absterben der Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der Schwarzen Substanz - einer Struktur im Mittelhirn - zurückzuführen ist. Das Zellsterben führt zu einem Mangel des wichtigen Botenstoffes Dopamin und schließlich zur Entstehung der meisten, zentralen Symptome der Krankheit. Dazu zählen allgemeine Bewegungsarmut, Muskelsteifheit, Ruhe-Zittern sowie Gang- und Gleichgewichtsstörungen. Die Ursache des Zellschwundes in der Schwarzen Substanz wurde - mit Ausnahme einer erblichen Variante - bislang nicht gefunden. Parkinson ist deshalb bis heute nicht kausal, sondern ausschließlich symptomatisch behandelbar: Beispielsweise durch die Gabe von Medikamenten (Levodopa), die zu einer Erhöhung des Dopamin-Angebots im Gehirn führen sowie auch durch neurochirurgische Eingriffe. ParkinsonpatientInnen zeigen bis zehn Jahre nach der Diagnose gute Therapieerfolge, doch im weiteren Verlauf kommt es zu vermehrten Gleichgewichtsstörungen und Stürzen, einem Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit und einer Zunahme nicht-motorischer Störungen.
Wunschziel Parkinson-Screening
„Wie bei vielen anderen neurologischen Krankheiten besteht besonders auch bei Parkinson die Erfordernis einer möglichst frühen Diagnose, um gezielt intervenieren zu können. Würde die Krankheit mithilfe diagnostischer Marker vor ihrem Ausbruch erkannt werden, kann der Verlauf verzögert und können Spätfolgen vermieden werden. Dieses Ziel ist derzeit Gegenstand intensiver Forschung“, formuliert Prof. Poewe das Bestreben der Medizin, ein systematisches Parkinson-Screening etablieren zu können. Das besondere Interesse der Parkinsonforschung liegt folglich in der Identifikation prädiktiver und diagnostischer Marker einerseits und der Entwicklung protektiver Wirkstoffe andererseits. Unter der Leitung von Prof. Poewe sind die ForscherInnen der Innsbrucker Neurologie in zahlreiche internationale, multizentrische, klinische und epidemiologische Projekte sowie Medikamentenstudien eingebunden, die unter anderem von der Österreichischen Nationalbank, der Michael J. Fox Foundation, dem Integrierten Forschungs- und Therapiezentrum (IFTZ) und der Medizinischen Forschungsförderung Innsbruck (MFI) unterstützt werden. So konnten im Rahmen der PPMI (The Parkinson’s Progression Markers Initiative) und der von Innsbrucker Neurologen geleiteten Bruneck-Studie bereits entscheidende Ergebnisse für die Biomarker-Forschung erbracht werden. Im Hinblick auf die Verbesserung der Früherkennung und damit Therapieanpassung geraten vor allem auch nicht-motorische, also autonome Symptome zunehmend ins Blickfeld der ForscherInnen.
Zahlreiche Studien, unter anderem auch aus Innsbruck, belegen, dass viele Parkinson-PatientInnen schon vor dem Auftreten der ersten motorischen Symptome andere Dysfunktionen entwickeln. Im Frühstadium werden etwa die chronische Obstipation (Verstopfung), aber auch Stimmungsstörungen mit Depressivität oder Panikattacken beobachtet. Aber auch die Störung des Geruchssinns und die nächtliche REM-Schlafstörung können frühe Indikatoren für das Parkinson-Syndrom sein. „Mindestens 50 Prozent der PatientInnen zeigen bis zehn Jahre vor Beginn der Krankheit derartige Symptome“, bestätigt Prof. Poewe ein Forschungsergebnis aus einer, in Zusammenarbeit mit ForscherkollegInnen in Barcelona durchgeführten Untersuchung. Die „prämotorische“ Phase kann Monate bis Jahre in Anspruch nehmen und bildet somit ein wichtiges Zeitfenster für die Frühdiagnostik. Diagnostisches Potenzial liegt aber auch in der Bildgebung: So konnte in mehreren Studien die prädiktive Relevanz von Ultraschallmerkmalen im Mittelhirn bestätigt werden.
Ausblick
„Die laufenden weltweiten Forschungen im Bereich der Parkinson-Risikomarker geben Anlass zur berechtigten Hoffnung, dass sich in den nächsten zehn Jahren konkrete Perspektiven für ein Risikoscreening und eine vorbeugende Therapie eröffnen werden“, blickt Prof. Poewe in die Zukunft.
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Hintergrund:
Welt-Parkinson-Tag
Der Welt-Parkinsontag erinnert an den englischen Arzt James Parkinson, der am 11.4.1755 geboren wurde und 1817 erstmals die Symptome der Parkinsonschen Krankheit beschrieb. Mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation WHO initiierte die Europäische Parkinson Vereinigung 1997 den Parkinsontag.
Zahlen und Fakten
Parkinson-Erkrankte in Österreich: 16.000, davon ca. 1.700 in Tirol (Prävalenz 200/100.000 Ew.)
bis 2030 Verdreifachung der PatientInnenzahl
2% der über 60jährigen haben Parkinson (zum Vergleich: 10% der über 60jährigen erleiden einen Schlaganfall)
380 bis 500 PatientInnen werden jährlich an der Univ.-Klinik für Neurologie behandelt
400 Parkinson-PatientInnen werden pro Jahr stationär an der Univ.-Klinik für Neurologie aufgenommen
Jährliche Neuerkrankungen (Inzidenz): 200
Für Rückfragen:
ao.Univ.-Prof. Dr. Klaus Seppi (o.Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe)
Universitätsklinik für Neurologie
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A-6020 Innsbruck
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Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 1.800 MitarbeiterInnen und ca. 3.000 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. Neu im Studienplan seit Herbst 2011 ist das Bachelor-Studium der Molekularen Medizin. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Die Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Darüber hinaus ist die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.