Intensivmedizin: Von Ethik bis Fußball
Über die ethischen Grenzen intensivmedizinischer Behandlung, über Strategien zur Fehlervermeidung und über Patientensicherheit diskutierten vergangene Woche rund 800 Mediziner aus dem deutschsprachigen Raum in Innsbruck auf der 40. Gemeinsamen Jahrestagung der Österreichischen und Deutschen Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin. Daneben standen neue Behandlungen und Entwicklungen in der Intensivmedizin auf dem Programm.
Herzinfarkte, schwere Lungenentzündungen, Infektionen, Nierenentzündungen, Unterkühlungen, Erfrierungen, Vergiftungen und Stoffwechselentgleisungen gehören unter anderem zu den Notfällen, die in der internistischen Intensivmedizin behandelt werden. In der Praxis stellt sich dabei auch immer wieder die Frage nach dem Sinn von lebensverlängernden Maßnahmen. Mit dem zunehmenden Kostendruck steigt die Verantwortung, die teure Intensivmedizin sehr gezielt einzusetzen. Steigende Kosten verlangen eine Steigerung der Qualität. Deshalb müssen für viele Krankheitsbilder standardisierte Vorgangsweisen entwickelt werden. Eine Therapie macht keinen Sinn, wenn der Patient an einer unheilbaren Krankheit leidet, das heißt wenn keine Lebenszeit absehbar ist oder wenn er schon vorher pflegebedürftig und in seiner Lebensqualität massiv beeinträchtig war, sagt Prof. Michael Joannidis, der Leiter der Medizinischen Intensivstation an der Universitätsklinik für Innere Medizin I, der gemeinsam mit Prof. Christian Wiedermann, Primar für Innere Medizin im Krankenhaus Bozen, die Tagung im Congress Innsbruck organisiert hatte. Auch das zunehmende Patientenalter spielt dabei eine Rolle und wird in naher Zukunft zu einer der größten Herausforderungen für die Intensivmedizin. Ältere Menschen, ab 70 oder 75 Jahren, haben meist eingeschränkte Organfunktionen. Trotzdem kann es nicht sein, dass die Intensivmedizin Altersgrenzen zieht. Was zählt, ist allein das biologische Alter ein Achtzigjähriger kann biologisch jünger sein als ein Sechzigjähriger, betont Joannidis. Weitere Schwerpunkte der Tagung waren die Steigerung der medizinischen Effektivität in der kostenintensiven Versorgung, neue Therapieerfolge wie bei der Leberersatztherapie, die Entwicklung von Richtlinien zur Standardisierung der Behandlugnsqualität und zur Verbesserung der Patientensicherheit sowie die Einführung von intensivmedizinischen Notfallteams, die als schnelle Eingreiftruppe die intensivmedizinische Notfallversorgung weiter verbessern sollen.
Fussball: Erhöhtes Herzinfarktrisiko für Zuschauer
Wie fast überall in diesen Tag war auch auf dem Kongress für Intensivmedizin der Fußball Thema. Aus früheren Untersuchungen ist nämlich ein Zusammenhang von psychischem Stress und dem Auslösen von Herzinfarkten bekannt. Am besten belegt ist das für Naturkatastrophen wie Erdbeben (Athen 1981) und Kriegshandlungen (1991 Tel Aviv, Irakische Raketenangriffe auf Israel). Aber auch Fußballspiele scheinen einen solchen Effekt zu haben. Am 22. Juni 1996 verlor Holland im Viertelfinale gegen Frankreich durch Elfmeterschießen. An diesem Tag erhöhte sich die Einlieferung mit Herzinfarkt und Schlaganfall um 50 Prozent, allerdings nur bei Männern. Eine zweite Untersuchung fand eine erhöhte Herzinfarktrate während der Fußballweltmeisterschaft 1998: In den 2 Tagen nach dem Elfmeterschießen, in dem England gegen Argentinien verlor, stieg die Herzinfarktrate bei Männern um ein Viertel, in geringerem Ausmaß auch bei Frauen. Eine auf dem Kongress präsentierte Studie von Dr. Ute Wilbert-Langen vom Klinikum Großhadern in München bestätigt folgendes: Zuschauer von Fußballmeisterschaften haben ein drei Mal so hohes Herzinfarktrisiko, bei Frauen ist es niedriger, aber immer noch doppelt so groß. Deutlich häufiger ist auch das Auftreten von Herzrhythmusstörungen. Dies betrifft nicht nur die Zuschauer in den Stadien und Fanmeilen, sondern vor allem auch die Menschen vor den Fernsehern zu Hause. Davon betroffen sind vor allem aber nicht nur Menschen, die an einer bestehenden Herzgefäßerkrankung leiden, oder an Arterienverkalkung. Die psychische Belastung durch enorme Aufregung kann auch Bewegungsstörungen des Herzens hervorrufen und einen Infarkt auslösen. Besonders gefährdet sind Menschen, die zu viel rauchen, zu viel trinken und sich zu wenig bewegen.