Ilse- und Helmut Wachter Preis 2012: Warum werden manche Kinder schwer krank, andere nicht?
An der Medizinischen Universität Innsbruck wurde am Samstag, den 1. Dezember zum siebten Mal der renommierte Ilse- und Helmut-Wachter Preis verliehen. Der weltbekannte Kinderarzt, Biochemiker und Immunologe, Prof. Jean-Laurent Casanova, erhielt im Rahmen eines feierlichen Festaktes die renommierte Auszeichnung für seine bahnbrechende Forschung zur Genetik von Infektionskrankheiten im Kindesalter.
Eine der grundlegendsten Fragen auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten lautet: Warum entwickelt nur ein kleiner Teil infizierter Kinder eine klinische Erkrankung? Ein Beispiel sind Erkrankungen mit dem Herpesvirus: In selten Fällen kann es bei Kindern und Jugendlichen zu einer schwerwiegenden Komplikation, einer Entzündung des Gehirns, kommen. Der diesjährige Ilse- und Helmut-Wachter Preisträger Prof. Jean-Laurent Casanova stellte erstmals die Hypothese auf, dass das Zusammentreffen angeborener Einzelgendefekte die Immunität negativ beeinflusst und zum Auftreten schwerer Erkrankungen im Kindesalter führt. Der inzwischen weltbekannte Kinderarzt und Immunologe konnte eine neue Gruppe von Gendefekten beschreiben und charakterisieren, die offensichtlich gesunde Kinder dafür prädisponieren an einer bestimmten Infektion zu erkranken. So konnte er die molekulargenetischen Ursachen von verschiedenen kindlichen Infektionskrankheiten aufklären. Dazu zählt die bereits erwähnte Herpesvirusinfektion genauso wie mykobakterielle Erkrankungen, invasive Pneumokokkenerkrankungen oder chronisch mukokutane Candiasis (seltene Pilzinfektion). „Die Studienergebnisse des mehrfach ausgezeichneten Forschers und Kinderarztes bieten einerseits die Grundlage für genetische Beratungen und sind andererseits die Basis zur Entwicklung neuer therapeutischer Möglichkeiten“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Lukas Huber, Vorstandsvorsitzender der Ilse- und Helmut-Wachter Stiftung und Direktor des Biozentrums der Medizinischen Universität Innsbruck über die Hintergründe der Entscheidung des Preiskomitees. Gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Günther Sperk, Vizerektor für Forschung, überreichte er den Preis im Rahmen eines kleinen Festaktes an Prof. Casanova. Die Laudatio hielt der Direktor des Departements für Kinder- und Jugendheilkunde, Univ.-Prof. Dr. Gerhard Gaedicke.
Weltweit vernetzte Zusammenarbeit kommt kleinen PatientInnen zu Gute
Weltweit kommen die Erkenntnisse von Prof. Casanova bereits kleinen PatientInnen zu Gute, auch in Innsbruck. „Wir haben Prof. Casanova schon Proben geschickt, wenn wir eine der von ihm beschriebenen seltenen Erkrankungen vermutet haben“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Thomas Müller von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Pädiatrie I im Rahmen einer Pressekonferenz zur Preisverleihung. Die weltweit vernetzte Zusammenarbeit sei in der universitären Spitzenmedizin üblich. Nach Innsbruck werden daher zum Beispiel häufig Proben von Neugeborenen mit Verdacht auf eine seltene angeborene Durchfallerkrankung, der so gennannten Mikrovillus Einschlusserkrankung (MVID), geschickt. Die Medizin Uni Innsbruck gilt als eines der weltweit führenden Zentren für die Diagnostik und Erforschung von MVID und hat gerade im Bereich der Seltenen Erkrankung eine besondere Expertise.
Zum Preisträger
Prof. Casanova forscht seit 2008 an der Rockefeller Universität New York. Mit seinem Team versucht der studierte Biochemiker, Mediziner und Immunologe zu verstehen, warum manche Kinder in Folge einer Infektion eine Erkrankungen bekommen, während andere Kinder mit derselben Infektion keine Krankheitssymptome zeigen. Bevor er 1999 zum Professor für Kinderheilkunde und pädiatrische Immunologie-Hematologie habilitierte hatte er in Paris studiert. Bis 2008 war er am Necker Krankenhaus & Schule für Medizin in Paris tätig. 2008 wechselte er dann nach New York. Prof. Casanova ist Mitglied in der European Molecular Biology Organization (EMBO) und der American Society for Clinical Investigation. Prof. Casanova hat bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den Richard Lounsbery Award der französischen und amerikanischen Akademie der Wissenschaft 2008, den Oswald Avery Award 2009 von der amerikanischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten oder beispielsweise den Inbev Baillet-Latour Health Preis der Baillet-Latour-Foundation in Belgien 2011. Der renommierte Forscher kann auf 255 Originalpublikationen und 18.839 Zitierungen verweisen.
Fakten Ilse & Helmut Wachter-Preis
Der Ilse- und Helmut-Wachter-Preis ist einer der weltweit hochdotierten Wissenschaftspreise (Preissumme von € 15.000.-) und wird für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Medizinischen Forschung verliehen. Die Qualität der Nominierungen ist hoch. 1999 erging der Preis beispielsweise an die beiden israelischen Biochemiker Prof. Avram Hershko und Prof. Aaron Ciechanover, welche im Jahr 2004 den Chemie-Nobelpreis erhielten. Die Einrichtung des Ilse- und Helmut-Wachter Preises an der Medizinischen Universität Innsbruck sowie der gleichnamigen Stiftung geht auf den Lebenswunsch von Univ.-Prof. Dr. Helmut Wachter zurück, dem im Jänner 2012 verstorbenen ehemaligen Vorstand des Instituts für Medizinische Chemie und Biochemie an der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck. Prof. Dr. Wachter wollte mit diesem Preis seine Verbundenheit mit der Medizinischen Universität zum Ausdruck bringen und deren Ansehen in der Welt fördern. Der Preis ist für herausragende wissenschaftliche Leistungen in sämtlichen Gebieten der Medizin ausgesetzt und steht Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aller Nationalitäten offen. Der Preisträger wird von den Organen der Stiftung aus weltweit eingeholten Nominierungen ermittelt.
Die "Ilse & Helmut Wachter Privatstiftung" verfolgt den Zweck, durch Verleihung eines Geldpreises im Rahmen der Medizinischen Universität Innsbruck für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Medizin die medizinischen Wissenschaften zum Wohle der Menschheit zu fördern und so zum Ansehen der Medizinischen Universität Innsbruck beizutragen.
Weitere Informationen: http://www.wachterstiftung.org
Vorstand:
- Univ.-Prof. Dr. Lukas Huber, geschäftsführender Direktor des Biozentrums und Direktor der
Sektion für Zellbiologie - Medizinische Universität Innsbruck
- ao. Univ.-Prof. Dr. Dietmar Fuchs, Biozentrum - Medizinische Universität Innsbruck
- Dr. Günter Unterleitner, Geschäftsführer myPEX Unternehmensberatung
Bisherige PreisträgerInnen:
- Preisträger 2010: William A. Catterall für seine herausragende Forschung auf dem Gebiet der Ionenkanalforschung
- Preisträger 2007: Irving L. Weissman für seine Pionierarbeit in der Stammzell-Forschung
- Preisträger 2005: Cynthia J. Kenyon für die Entdeckung von Regulationsmechanismen des Alterungsprozesses bei C. elegans
- Preisträger 2003: Wolfgang P. Baumeister für die Aufklärung der Struktur u. des Mechanismus des Proteasoms
- Preisträger 2001: Prof.Dr. Hanns Möhler für die Aufklärung der Beeinflussbarkeit der Angst durch Benzodiazepine
- Preisträger 1999 : Prof.Dr. Avram Hershko & Prof.Dr. Aaron Ciechanover für die Aufklärung des Ubiquitin-Systems
(B. Hoffmann)
Weitere Informationen:
- Rockefeller Universität New York - Jean Laurent Casanova