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Neuer, vielversprechender Therapieansatz bei MS

ForscherInnen rund um Univ.-Prof. Roland Martin von der Klinik für Neurologie des UniversitätsSpitals Zürich haben ein neues Verfahren zur Behandlung der Multiplen Sklerose entwickelt und erfolgreich in PatientInnen geprüft. Das Projekt wurde von Dr. Andreas Lutterotti (Univ.-Klinik für Neurologie, Vorstand: o.Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe) im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes in Hamburg initiiert und im Weiteren von Innsbruck aus koordiniert.

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Wissenschaftliche Studien haben bereits gezeigt, dass autoreaktive Immunzellen (T-Zellen) eine entscheidende Rolle in der Auslösung, aber auch Erhaltung der Erkrankung einnehmen. Die derzeit zugelassenen MS-Therapien beeinflussen das Immunsystem jedoch nur unspezifisch, d.h. sie interferieren nicht ausschliesslich mit spezifischen autoreaktiven T-Zellen, sondern hemmen auch lebenswichtige, „gesunde“ Anteile der Immunantwort. Idealerweise sollten sich Therapien spezifisch nur gegen jene Immunzellen richten, welche die Erkrankung auslösen. „Ziel des neuen Verfahrens war es, bei MS Patienten spezifisch Immuntoleranz in jenen T-Zellen zu induzieren, die gegen entscheidende Zielstrukturen von Myelinproteinen gerichtet sind“, erklärt Dr. Andreas Lutterotti.

Bei dem neu entwickelten Therapieansatz werden Blutzellen mit einem krankheitsauslösenden Selbstantigen in Anwesenheit einer Kopplungssubstanz (Ethylencarbodiimide - EDC) etabliert und vermehrt (inkubiert). Dadurch werden diese Antigene an die Oberfläche der Zellen gekoppelt. „Die peptidgekoppelten Zellen werden dann reinjiziert und tragen die Information zu den Antigenen in den Körper“, sagt Lutterotti. „Im Tiermodell konnte eindeutig bewiesen werden, dass damit effektiv Immuntoleranz gegenüber den gekoppelten Antigenen induziert werden kann.“

Mit dem hier eingesetzten Verfahren konnte nicht nur im Tiermodell der MS und anderen Autoimmunerkrankungen, sowohl der Ausbruch als auch das Fortschreiten der Erkrankung gehemmt werden. Das Verfahren konnte im Tiermodell auch erfolgreich die Abstoßung von Transplantaten verhindern und Allergien hemmen. Die Effekte des Verfahrens in den verschieden Modellen wurde von Prof. Miller (Northwestern University, Chicago, USA), der auch Koautor dieser Studie ist, in den letzten Jahren im Detail erforscht.

Für den erstmaligen Einsatz im Menschen wurde ein Herstellungsprozess etabliert um das autologe Zellprodukt unter GMP-Bedingungen herzustellen. Dabei werden PatientInnen peripher mononukleäre Zellen über eine Leukozytapherese entnommen und ex-vivo 7 Myelin-Peptide mit EDC an die Oberfläche der Zellen gekoppelt.

 

Erfolgreiche Phase I Studie

Die Therapie wurde in einer Phase I Studie (Etablierte Toleranz bei MS – ETIMS Studie) an neun MS PatientInnen geprüft. Die PatientInnen erhielten eine aufsteigende Dosierung der autologen Peptidgekoppelten Zellen bis zu einer Maximaldosis von 3x109 Zellen. Voraussetzung zur Teilnahme in der Studie war der Nachweis einer autoreaktiven T-Zell-Antwort gegen eines der in der Studie eingesetzten Myelin-Peptide. Klinische, bildgebende (MRT) und immunologische Parameter wurden verwendet um die Sicherheit und Verträglichkeit von ETIMS zu prüfen. In aufwändigen immunologischen Untersuchungen (geleitet von Dr. Mireia Sospedra) wurden die Effekte der Therapie auf das Immunsystem erforscht.

Gefördert wurde die eigeninitiierte Studie durch eine kompetitive Ausschreibung des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Ein unabhängiges ExpertInnengremium (Data Safety Monitoring Board) hat die Studie überwacht.

 

Neuer Ansatz in renommierter Fachzeitschrift publiziert

Die Ergebnisse der Studie konnten nun in der renommierten Fachzeitschrift Science Translational Medicine publiziert werden. „Zusammenfassend wurde die Therapie von allen PatientInnen gut vertragen und es traten keine Sicherheitsbedenken auf“, sagt Dr. Andreas Lutterotti, der im Rahmen seines kompetitiv eingeworbenen Alexander-von-Humboldt-Stipendiums am Hamburger Institut für Neuroimmunologie und klinische Multiple Sklerose hospitiert hat. „Erstmals konnte im Menschen gezeigt werden, dass die spezifischen T-Zellantworten bei PatientInnen mit MS durch die Therapie reduziert wurden.“

 

Phase II Studie geplant

Univ.-Prof. Roland Martin, der jetzt Leiter der Neuroimmunologie und Multiple Sklerose Forschung am Universitätsspital Zürich ist, plant nun in Kooperation mit den Innsbrucker WissenschafterInnen um Dr. Lutterotti und der Arbeitsgruppe für Multiple Sklerose und Neuroimmunologie (Univ. Prof. Dr. Thomas Berger, Univ. Prof. Dr. Markus Reindl) der Innsbrucker Univ.-Klinik für Neurologie eine Phase-II-Studie um erstmals die Effektivität dieser neuen Therapie auf den Krankheitsverlauf von PatientInnen mit MS zu prüfen. „Sollte sich der Nutzen der Therapie in einer Phase II Studie bestätigen, gilt das Verfahren als ein vielversprechender Ansatz nicht nur in der Behandlung von verschiedenen Autoimmunerkrankungen, sondern auch in der Transplantationsmedizin und bei allergischen Erkrankungen“, meint Dr. Lutterotti.

 

Lebenslauf

Der Facharzt für Neurologie Dr. Andreas Lutterotti hat in Innsbruck Humanmedizin studiert und seine Dissertation an der Univ.-Klinik für Neurologie (Univ. Prof. Dr. Werner Poewe) in der Arbeitsgruppe Neuroimmunologie (Univ. Prof. Dr. Thomas Berger) zum Thema “HLA Genotypisierung bei familiärer Multipler Sklerose in Tirol” verfasst. Nach der Promotion im Oktober 2001 war Lutterotti zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Neuroimmunologie (Univ.-Klinik für Neurologie) tätig. Seine Facharztausbildung hat Lutterotti dann für einen Forschungsaufenthalt (Alexander von Humboldt Stipendium) am Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose Forschung in Hamburg (Leiter Prof. Roland Martin) mit dem Thema „Treatment of Relapsing Multiple Sclerosis Using Peptide-Coupled Peripheral Blood Lymphocytes Tolerance“ unterbrochen. Seit 04/2012 ist der dreifache Vater stationsführender Oberarzt an der Univ. Klinik für Neurologie Innsbruck.

 

Link zum wissenschaftlichen Beitrag:

http://dx.doi.org/10.1126/scitranslmed.3006168

Weiterführende Links:

-       Univ.-Klinik für Neurologie: https://www.i-med.ac.at/neurologie/

-       Neuroimmunologie und Multiple Sklerose Forschung, Klinik für Neurologie, Universitätsspital Zürich: http://www.neurologie.usz.ch/LehreUndForschung/Forschung/Seiten/neuroimmunology.aspx

 

(A.  Lutterotti )

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