Hoffnung für PatientInnen mit Gleichgewichtsstörungen: K-Regio Projekt „VAMEL“ gestartet
Ein Konsortium aus Universitätsinstituten und Unternehmen hat den Zuschlag für die Technologieförderung „K-Regio“ des Landes Tirol erhalten. Im Projekt „VAMEL“ soll eine Prothese zur Verminderung von Gleichgewichtsstörungen entwickelt werden. Das Labor für Innenohrforschung der Innsbrucker Univ.-Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (Univ.-Prof. Dr. Herbert Riechelmann) unter der Leitung von ao.Univ.-Prof.in Dr.in Anneliese Schrott-Fischer und Dr. Rudolf Glückert ist an dem Projekt beteiligt.
Das Gleichgewichtsorgan (Vestibularorgan) bildet zusammen mit der Hörschnecke (Cochlea) das Innenohr. Bei PatientInnen mit einem beidseitigen Funktionsverlust des Vestibularorgans kommt es zu einer erheblichen Störung der Bewegungsabläufe und der visuellen Wahrnehmung. Die Gleichgewichtsstörungen verstärken sich im Dunkeln, da von den Augen Informationen über die Umgebung fehlen. Weitere typische Begleiterscheinungen sind starker Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Die PatientInnen sind dadurch nicht in der Lage ein geregeltes Leben zu führen. Allein in Europa und den USA sind rund 500.000 Menschen von Störungen des Gleichgewichtssinns betroffen. Bisher gibt es keine Therapie, wenn die Gleichgewichtsorgane beidseits nicht mehr in der Lage sind, ausreichend Informationen über Lageänderungen des Kopfes an das Zentralnervensystem weiterzuleiten.
Jetzt lässt die Erfolgsgeschichte des Cochleaimplantates auch bei dieser Innenohrerkrankung hoffen, ein funktionsbeeinträchtigtes Sinnesorgan durch eine bionische Prothese zu ersetzen. Nervenzellen im Vestibularapparat sollen gezielt elektrisch stimuliert werden, um so den Funktionsausfall der Sinneszellen zu kompensieren. Im K-Regio Projekt VAMEL (Vestibular Anatomy Modeling and Electrode Design) sollen zur Entwicklung eines solchen Implantates Grundlagen vertieft werden und bestmögliche Wege gefunden werden, eine gezielte Elektrostimulation der Gleichgewichtsnerven im Innenohr zu ermöglichen.
Die Innsbrucker Firma MedEl®, ein technologisch führendes Unternehmen auf dem Gebiet Hörimplantaten mit weltweit über 1.000 MitarbeiterInnen, wird zusammen mit dem Innenohrlabor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (Univ.-Prof. Dr. Herbert Riechelmann) und ForscherInnen der privaten Universität UMIT (Hall in Tirol) mikroanatomische und molekulare Grundlagen des menschlichen Gleichgewichtsapparates entwickeln. Die beiden Tiroler Firmen Sistro (Hall) und Synedra (Innsbruck) ergänzen das Projekt bei der Elektrodenfertigung, informationstechnologischen Verwaltung und Zugang der Forschungsdaten. Die Firma MedEL wird dann mit dieser Hilfe einen Prototypen eines Gleichgewichtsimplantates herstellen. „Die Herausforderung des Projektes ist es, die bestmögliche Platzierung und Form der Elektroden zu erforschen und die Stromausbreitung im Innenohrgeweben darzustellen“, erklärten die beiden InnenohrforscherInnen ao.Univ.-Prof.in Schrott-Fischer und Dr. Rudolf Glückert. „Nur wenn die richtigen Nervenfasern angeregt werden können ohne benachbarte Nerven fälschlich mit zu stimulieren, kann ein solches Implantat funktionieren“
Innsbrucker Innenohrlabor: Große Erfahrung
Das Innenohrlabor an der HNO Klinik Innsbruck setzt die Tradition des Laborgründers Univ.-Prof. Dr. Heinrich Spöndlin (1927-1991), einem Pionier der Innenohrforschung, fort. Das Team um Univ.-Prof.in Schrott-Fischer und Dr. Glückert erforscht dieses hochsensible und komplexe Sinnesorgan, sucht neue Wege der Medikamententherapie mittels Nanopartikel und Nervenwachstumsfaktoren und veröffentlichte zahlreiche Beiträge zur Grundlagenforschung der Signalübermittlung und –verarbeitung im Innenohr. Embryonale Entwicklung und Beeinträchtigung der Innenohrfunktion durch erworbene oder genetisch bedingte Erkrankungen sind weitere Forschungsschwerpunkte der Arbeitsgruppe Schrott-Fischer.
Die große Erfahrung in bildgebenden Verfahren von Innenohrgewebe wird für das Projekt „VAMEL“ genutzt. Mittels hochauflösendem Micro CT wird die Anatomie des menschlichen Innenohres detailliert dargestellt und vermessen. Knochen- und Weichteilgewebe werden am Computer dargestellt und individuelle Abweichungen statistisch ausgewertet. „Wie bei der Hörschnecke sind individuelle Unterschiede in Größe und Geometrie zu erwarten“, erklärt Dr. Glückert. Mit den Forschungspartnern von der UMIT Hall Prof. Rainer Schubert, Institut für Biomedizinische Bildanalyse und Prof. Christian Baumgartner, Institut für Elektrotechnik und Biomedizinische Technik soll ein statistisches Geometriemodell des menschlichen Innenohres erzeugt werden. „Dieses Modell wird um elektrische Eigenschaften erweitert, sodass die Stromausbreitung und Erregung der Nerven simuliert werden kann“ sagt Univ.-Prof.in Schrott-Fischer. Anhand dieser Daten kann MedEl das Implantat optimieren, bevor es erstmals beim Menschen erprobt wird. „Große Hilfe zur Projekteinreichung leistete das Servicecenter Forschung, allen voran Dr. Wolfram Rieneck“, betont Dr. Glückert.
Weiterführende Links:
- Univ.-Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde: https://www.i-med.ac.at/patienten/ukl_hno.html
- Innenohr-Forschungslabor: http://hno.uki.at/page.cfm?vpath=forschungsschwerpunkte/innenohr
- K-Regio Standortagentur Tirol: http://www.standort-tirol.at/page.cfm?vpath=foerderungen/k_regio
- Abteilung Wirtschaft und Arbeit des Landes Tirol: http://www.tirol.gv.at/themen/wirtschaft-und-tourismus/wirtschaft-und-arbeit/
- Servicecenter Forschung: https://www.i-med.ac.at/servicecenter_forschung/index.html
(Glückert/Redaktion/Hoffmann)