Neuer Kalziumkanal-Regelkreis in Nervenzellen entdeckt
Spannungsaktivierte Kalziumkanäle steuern Körperfunktionen wie die Kontraktion von Herz- und Skelettmuskulatur, die Sekretion von Hormonen und Neurotransmittern, sowie die Expression vieler Gene. Ein aktueller Beitrag im Journal of Neuroscience der Arbeitsgruppe von ao.Univ.-Prof. Dr. Bernhard Flucher (Sektion für Physiologie), beschreibt einen bislang unbekannten Regelmechanismus, über den ein Kalziumkanal in Nervenzellen seine eigene Aktivität an den Aktivitätszustand der Zellen anpasst.
Innsbruck ist ein international ausgewiesenes Zentrum der Kalziumkanal-Forschung. Eine Reihe von Forschungsgruppen an der Medizinischen Universität Innsbruck und an der Leopold Franzens Universität untersuchen die vielfältigen Funktionen dieser wichtigen Ionenkanäle, sowie deren Bedeutung in verschiedenen Krankheiten. Dementsprechend ist die Kalziumkanal-Forschung ein zentrales Thema im Sonderforschungsbereich Cell Signaling in Chronic CNS Disorders und im Doktoratskolleg Molecular Cell Biology and Oncology. An der Sektion für Physiologie (Direktorin Univ.-Prof.in Dr.in Michaela Kress) widmen sich die MitarbeiterInnen der Forschungsgruppen von ao.Univ.-Prof. Dr. Berhnard Flucher und Ass.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Gerald Obermair exklusiv diesem Thema.
Entdeckung eines neuen Kalziumkanal-Regelkreises in Nervenzellen
Spannungsaktivierte Kalziumkanäle sind die einzigen Moleküle in unserem Körper, die elektrische Signale erregbarer Zellen (z.B. Aktionspotentiale) direkt in eine Zellantwort (z.B. Kontraktion, Sekretion, Genregulation) umwandeln können. Dazu werden sie in spezalisierte Bereiche der Zelloberfläche, wie zum Beispiel Synapsen in Nervenzellen, eingebaut. Somit war es sehr überraschend, als die AG Flucher vor einigen Jahren eine bestimmtes Kanalprotein, die regulatorische b4 Untereinheit, abseits der Zellmembran im Zellkern von Neuronen entdeckte (Subramanyam et al., Channels 2009).
Was macht nun eine regulatorische Kalziumkanal Untereinheit im Zellkern? Diese Frage beantwortet der im Journal of Neuroscience erschienener Artikel der Innsbrucker ForscherInnen. In aktiven Nervenzellen reguliert die b4 Untereinheit vorrangig den Einbau von Kalziumkanälen in die Synapsen. In inaktiven Nervenzellen jedoch wandern bestimmte b4 Splicevarianten in den Zellkern, wo sie unter anderem die Expression des Kalziumkanals hemmen und so die synaptische Aktivität an den Aktivitätszustand der Neurone anpassen.
Alles begann mit der Entdeckung einer neuen b4 Splicevariante durch Solmaz Etemad Msc, der Erstautorin der Publikation, und Ass.-Prof. Gerald Obermair. Im Unterschied zu den bekannten b4 Proteinen, kommt die neu entdeckte b4e jedoch nicht im Zellkern vor. Entscheidend für die Entdeckung der Rolle im Zellkern war dann die Herstellung von Nervenzellen, die jeweils nur einer der drei b4 Splicevarianten besitzen. Eine Expressionsanalyse dieser Zellen zeigte eine veränderte Gen-Expression bei jenen b4 Splicevarianten, die auch im Zellkern vorkamen. Im Gegensatz dazu führte die neu entdeckte b4e Variante, welche nicht im Zellkern vorkommt, auch nicht zu veränderter Gen-Regulation.
Die bioinformatische Analyse der regulierten Gene durch Mag. Daniel Bindreither aus der AG Kofler brachte dann eine weitere Überraschung. Unter den regulierten Genen befand sich genau jener Kalziumkanal, dessen Expression in der Membran durch b4 reguliert wird. Somit war klar, b4 reguliert die Menge funktioneller Kanäle in Nervenzellen auf zwei Ebenen: transkiptional und post-transkriptional. In jungen und inaktiven Neuronen sammelt sich b4 Protein im Zellkern an, wo es die Expression synaptischer Kanäle hemmt. Gleichzeitig fehlen diese nukleären b4 Proteine für den Einbau der Kalziumkanäle in die Membran. In aktiven Neuronen wird b4 aus dem Zellkern freigesetzt; die Hemmung der Gene wird aufgehoben und b4 steht für den vermehrten Membraneinbau von Kalziumkanälen zur Verfügung. Auf diese Weise kann sich der Kanal an die jeweiligen Bedürfnisse der Nervenzellen anpassen. Weitergehende Untersuchungen befassen sich derzeit mit der Frage, ob ein Defekt dieses Regelkreises an der Ausbildung von Epilepsie bei PatientInnen mit Mutationen im b4 Gen beteiligt ist.
Erfolg durch FWF Exzellenz-Programme
Solmaz Etemad und Daniel Bindreither sind PhD Studierende im FWF-geförderten Doktoratskolleg Molecular Cell Biology and Oncology (MCBO). Alle an der Publikation beteiligten Innsbrucker WissenschafterInnen sind entweder Mitglieder des MCBO Doktoratskollegs oder des SFB F-44. Die Medizinische Universität Innsbruck unterstützt das Doktoratskolleg (DK) und den SFB mit einer großzügigen Kofinanzierung. „Forschungserfolge wie dieser sind direkt auf die gute Zusammenarbeit in den FWF-geförderten Exzellenzprogrammen zurückzuführen,“ freut sich Univ.-Prof. Flucher, der selbst Sprecher des MCBO DKs ist. „Nicht nur, dass durch die Fördergelder begabte junge Forscherinnen und Forscher an die Medizinische Universität Innsbruck gebracht werden, sondern insbesondere auch der rege Austausch zwischen den beteiligten Gruppen führt zu innovativen Ideen und neuen Forschungsstrategien, die uns erlauben, mit den rasant fortschreitenden Entwicklungen in der bio-medizinischen Forschung Schritt zu halten.“
(B. Flucher)
Publikation:
"Differential Neuronal Targeting of a New and Two Known Calcium Channel β4 Subunit Splice Variants Correlates with Their Regulation of Gene Expression", Etemad et al., J. Neurosci. 2014
Information zum Titelblatt des "Journal of Neuroscience": http://www.jneurosci.org/content/34/4.cover-expansion
Weitere Informationen:
- SFB F44