Junge ForscherInnen an der Medizinischen Universität Innsbruck: Nadia Stefanova
Im Rahmen der Reportageserie „Junge ForscherInnen an der Medizinischen Universität Innsbruck“ werden NachwuchswissenschafterInnen vor den Vorhang geholt. Ihre Gemeinsamkeit: Sie betreiben seit Jahren erfolgreich medizinische (Grundlagen)Forschung – das belegen zahlreiche wissenschaftliche Publikationen und die Einwerbung von Drittmittlen – und sind mit ihrem Wissen in der Lehre tätig.*
Diesmal portraitieren wir Assoz. Prof.in Dr.in Nadia Stefanova, deren großes Ziel es ist, wirksame Diagnose- und Therapiemöglichkeiten für MSA und Parkinson zu finden.
Bereits seit 15 Jahren erforscht die gebürtige Bulgarin Nadia Stefanova an der Medizinischen Universität Innsbruck die rasch fortschreitende, tödlich verlaufende neurodegenerative Erkrankung Multisystematrophie (MSA). Zwar tritt diese, dem Morbus Parkinson ähnliche Krankheit vergleichsweise selten auf – in Österreich sind es rund 1.000 PatientInnen, europaweit rund 40.000– doch das Leiden der Betroffenen und ihrer Angehörigen ist enorm. „Innerhalb weniger Jahre ist das zentrale und autonome Nervensystem in einem Ausmaß geschädigt, dass die Patientinnen absolut pflegebedürftig sind. Ihr Geist ist jedoch nicht betroffen, MSA-Betroffene erleben ihre Krankheit und den damit verbundenen schnellen körperlichen Verfall bei vollem Bewusstsein“, erklärt die Wissenschafterin.
Fortschritte durch frühzeitige Diagnose
Die wichtigste Voraussetzung, um effektive Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln, die die Krankheitsfolgen der Betroffenen zumindest lindern könnten, ist für Stefanova im Falle von MSA die Grundlagenforschung: „Eine unserer größten Schwierigkeiten ist, dass MSA erst sehr spät, wenn die PatientInnen schon sehr krank sind und viele Neuronen verloren haben, diagnostiziert werden kann. Wir müssen unbedingt herausfinden, was genau zu der schnellen Zerstörung der Neuronen führt und wie dieser Prozess abläuft, um die Krankheit früher diagnostizieren zu können!“ Bisher konnte in der Forschung festgestellt werden, dass Alpha-Synuclein, ein neuronales Protein, das im gesunden Gehirn nicht in glialen Zellen gebildet wird, bei MSA-Einschlüsse in den Gliazellen und bei Parkinson in den Neuronen bildet und damit eine wesentliche pathogene Rolle spielt. Während Parkinson vergleichsweise gut medikamentös symptomatisch behandelbar ist, ist die Parkinson-Therapie bei MSA-PatientInnen oft unwirksam. Gemeinsam mit ihrem Mentor Univ. Prof. Dr. Gregor Wenning, Leiter der Abteilung für Neurobiologie an der Universitätsklink für Neurologie (Direktor: o.Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe) und acht wissenschaftlichen MitarbeiterInnen versucht Nadia Stefanova in dem von ihr geleiteten Forschungslabor für experimentelle Neurodegeneration Pathomechanismen, Therapieoptionen und Marker zur Diagnostik von MSA zu entwickeln.
„Als ForscherInnen und WissenschafterInnen arbeiten wir damit direkt mit der Klinik zusammen“, erklärt Stefanova, und stellt damit auch den für sie persönlich besonders wichtigen Bezug zur translationalen Forschung, die direkt den PatientInnen dient, heraus. „Für mich persönlich wäre es undenkbar, in einem Labor an einem ganz kleinen Molekülchen ohne translationalen Bezug zu arbeiten und zu forschen“, erklärt sie. Ihr Interesse an Neurowissenschaften war bereits während ihres Medizin-Studiums an der Medizinischen Universität in Sofia geweckt worden, so dass sie sich im Anschluss für ein PhD-Studium „Neurowissenschaften“, ebenfalls in Sofia, entschied. Als sie 1999 im Rahmen eines Fellowship-Programms nach Innsbruck kam, hatte Nadia Stefanova, mittlerweile Österreicherin und in Innsbruck habilitiert, eigentlich nicht geplant hier zu bleiben. „Ich hatte über Innsbruck nicht sehr viel recherchiert und war auch nicht wirklich vorbereitet. Während ich im Zug von Wien nach Innsbruck saß, bemerkte ich langsam den Wechsel von der ebenen, flachen Landschaft hin zu den Gebirgszügen! Da war ich schon etwas erstaunt“, meint sie heute lachend. Und auch mit den Tiroler Dialekten hatte sie zunächst ihre Schwierigkeiten. „Anfangs konnte ich kaum Deutsch und sprach eigentlich nur Englisch. Zunächst war ja geplant, dass ich nur neun Monate in Innsbruck bleiben würde, doch mit der Zeit haben mir meine KollegInnen hier nicht nur im wissenschaftlichen sondern auch in der Sprache sehr viel weitergeholfen!“
„Hier in Innsbruck hat einfach immer alles gepasst. Das Team und die KollegInnen, die Forschung und der direkte Bezug zur Klinik! Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Forschung im Bereich MSA ein sehr seltenes Thema ist. Wir in Innsbruck sind nur eine von wenigen Forschungsgruppen weltweit, die sich mit experimenteller MSA-Forschung auseinandersetzen!“ 2007 wurde Stefanova mit dem Preis der Landeshauptstadt Innsbruck für wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ausgezeichnet. Mittlerweile ist die experimentelle MSA Forschung ein Hauptthema des Spezialfoschungsbereichs (SFB F-44) „Cell signaling in chronic CNS disorders“ und des PhD Exzellenzprogramms „Signal processing in neurons“ (SPIN). Für die weitere Entwicklung in ihrem Forschungsbereich ist Stefanova zuversichtlich: „Wenn man auch nur einen Patienten oder Patientin, der oder die an MSA erkrankt ist, kennenlernt, weiß man, wie wichtig diese Forschung ist! Und jeder kleine Schritt, der es uns ermöglicht, die Lebensqualität der PatientInnen zu verbessern ist ein großer Erfolg, der uns weiter antreibt!“
Weitere Informationen:
Spezialforschungsbereich SFB-F44 "Cell signaling in chronic CNS disorders"
Doktoratskolleg "Signal Processing in Neurons" SPIN
(A. Schönherr)
* Die im Rahmen dieser Reportageserie portraitierten WissenschafterInnen besetzen eine A2-Laufbahnstelle als Assoziierte ProfessorInnen an der Medizinischen Universität Innsbruck. Voraussetzung dafür ist die Erfüllung einer Qualifizierungsvereinbarung, die unter anderem erfolgreiche Forschungsleistung, Lehre und Einwerbung von Drittmitteln umfasst.