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D. Orth-Höller

Junge ForscherInnen an der MUI: Dorothea Orth-Höller

Im Rahmen der Reportageserie „Junge ForscherInnen an der MUI“ werden NachwuchswissenschaftlerInnen der Medizinischen Universität Innsbruck vor den Vorhang geholt. Ihre Gemeinsamkeit: Sie betreiben seit Jahren erfolgreich medizinische (Grundlagen)Forschung – das belegen zahlreiche wissenschaftliche Publikationen und die Einwerbung von Drittmitteln – und sind mit ihrem Wissen in der Lehre tätig*.

Diesmal portraitieren wir Assoz. Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in med. Dorothea Orth-Höller. Die Medizinerin leitet das Diagnostiklabor für Bakteriologie, Mykologie und Parasitologie an der Sektion für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie (Direktorin: Univ.-Prof.in Dr. in Cornelia Lass-Flörl) und erforscht „die Pathogenese Shiga-Toxin vermittelter Erkrankungen“. Diese Toxine werden von bestimmten Darmbakterien produziert und können zerstörerische Auswirkungen auf Nierenzellen haben.

Als Fachärztin für Hygiene und Mikrobiologie untersucht Dorothea Orth-Höller keine PatientInnen, macht keine klassische Visite und stellt keine Medikamentenrezepte aus. Dennoch leisten sie und ihr Team unverzichtbare Basisarbeit in der medizinischen Versorgung: Im Diagnostiklabor für Bakteriologie, Mykologie und Parasitologie werden jährlich rund 180.000 Proben aus dem Landeskrankenhaus Innsbruck, den Universitätskliniken und weiteren medizinischen Einrichtungen in Westösterreich analysiert und in Bezug auf Bakterien, Pilze oder Parasiten ausgewertet. „Unsere Aufgabe ist es, Mikroorganismen aus Patientenproben nachzuweisen und zu testen, welche Antibiotika oder Antimykotika auf diese Erreger wirken. Neben der Beratung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte bezüglich einer optimalen Antibiotikatherapie für die PatientInnen, versuchen wir, durch die Empfehlung von krankenhaushygienischen Maßnahmen, die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu unterbinden.“, erklärt Dorothea Orth-Höller.

Schon während ihrer Dissertation an der Universität Münster, wuchs ihr Interesse an der Arbeit im Labor: „Damals habe ich schon eine Leidenschaft für die Mikrobiologie entwickelt! Und es macht immer noch enorm großen Spaß, mich mit Mikroorganismen und ihren Toxinen auseinanderzusetzen und ihre Interaktion mit dem Immunsystem, zu analysieren. Hinzu kommt, dass ich hier in Innsbruck ein wunderbares Team habe, mit dem ich gerne jeden Tag zusammenarbeite!“ Nach Innsbruck kam Dorothea Orth-Höller gleich nach dem Abschluss ihres Medizinstudiums im Jahr 2002. An der Sektion für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie  absolvierte sie ihre Facharztausbildung und arbeitete mit ihrem Mentor, Ao. Univ.-Prof. DDr. Reinhard Würzner, im österreichischen EHEC-Referenzzentrum, das bis 2009 hier eingerichtet war.

In dieser Zeit bildete sich auch ihr Forschungsschwerpunkt heraus: Shiga-Toxine. Diese zell- und gewebeschädigenden Proteine werden vom Darmbakterium EHEC (Enterohämorrhagische Escherichia coli), das bei Tieren, vor allem Wiederkäuern aber auch Schafen und Ziegen regelhaft vorkommt, produziert. Eine Infektion mit diesem Bakterium, beispielsweise über den Kontakt mit Tierkot, kann für Menschen jedoch zu schwerwiegenden Durchfall-Erkrankungen führen. In fünf bis 15 Prozent der Fälle führten diese Infektionen zum Hämolytisch-urämischen Syndrom, kurz HUS, das zu Nierenversagen, Verminderung der Blutplättchen (Thrombozytopenie) und einem beschleunigten Abbau der roten Blutkörperchen (Hämolytische Anämie) führt, und damit eine lebensbedrohliche Erkrankung darstellt.

Bereits im Jahr 2007 gelang es ihr gemeinsam mit Ao. Univ.-Prof. DDr. Reinhard Würzner, wichtige Grundlagenerkenntnisse zu EHEC-Infektionen und ihren Auswirkungen im Körper zu gewinnen: „Wir wissen zwar leider heute immer noch nicht genau, wie das Shiga-Toxin vom Darm über das Blut in die Niere gelangt, aber wir konnten einige EHEC-Stämme identifizieren, die häufig HUS auslösen. Wir konnten somit auf der Pathogenseite ein Risikoprofil für schwere Infektionen erstellen. Wir mussten aber auch feststellen, dass ein und derselbe EHEC-Stamm bei Menschen unterschiedlich wirken kann, so dass es bei manchen Menschen zu einer schweren Erkrankung führt, während andere Menschen kaum Symptome zeigen bzw. sich rasch erholen. Das führte uns zur Hypothese, dass bei EHEC-Infektionen auch das Komplementsystem, ein Teil des menschlichen Abwehrsystems, wesentlich in die Entstehung von HUS involviert sein muss.“ Diese Hypothese, die im Rahmen von in vitro Studien bestätigt werden konnte, erörtert Dorothea Orth-Höller gerne auch mit Hilfe folgender Grafik:

Grafik_ShigaToxin_Orth-Hoeller

„Das Shiga-Toxin greift Nierenzellen nicht nur direkt an, es aktiviert auch das Komplementsystem: Wir wissen, dass das Shiga-Toxin das Komplement-Inhibitorprotein CD59 auf der Zelloberfläche minimiert und einen weiteren Regulator des Komplementsystems, Faktor H, an sich bindet, so dass diese Regulatorrolle nicht mehr suffizient wahrgenommen werden kann. So wird die Niere gleich auf zwei Wegen zerstört, über eine direkte Toxinwirkung auf Zellen, und über das Komplementsystem“ erklärt die Fachärztin für Hygiene und Mikrobiologie ihre Forschung.

Vor etwa vier Jahren, im Frühjahr 2011, hatte ein enorm rascher und hoher Anstieg an EHEC-Infektionen in Nord-Deutschland mit über 50 HUS-bedingten Todesopfern im deutschsprachigen Raum für hohe Aufmerksamkeit gesorgt. Eine wirksame Therapie gab es noch nicht. Doch in einer Fallstudie, basierend auf „unseren“ Daten, war bereits versucht worden, die Auswirkungen des Shiga-Toxins auf das Komplementsystem zu unterbinden, so dass drei Kinder geheilt werden konnten. „Bei Ausbruch der Infektion in Deutschland 2011 wurde diese Behandlung vergleichsweise unkontrolliert angewandt. Daher steht der letztendliche Beweis noch aus, dass eine Blockade des Komplementsystems bei schweren Fällen lebensrettend ist“, meint die Wissenschaftlerin. Eines ihrer nächsten großen Ziele wäre die Entwicklung eines Modells aus Zellkulturen, das in Aufbau und Organisation einer Niere entspricht. Dadurch könnte die Interaktion des Shiga-Toxins mit Zellgewebe und dem Blutstrom- und Gerinnungssystem anschaulich gezeigt werden. Erste Ergebnisse stellt sie beim 5.HUS-Weltkongreß in Innsbruck-Igls Mitte Juli vor (www.HUS-online.at).

Um diese Forschung umsetzen zu können, arbeitet Dorothea Orth-Höller intensiv mit weiteren Einrichtungen wie der Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, dem Department für Kinder- und Jugendheilkunde und dem Zentrallabor sowie mit dem deutschen HUS-Konsiliarlabor in Münster (Leiter: Univ.Prof. Dr. Helge Karch) zusammen. Die Leidenschaft für ihre wissenschaftliche Tätigkeit führt sie auch auf ihre Routinearbeit im Labor zurück: „Ich mag den täglichen routinierten Ablauf bei uns im Labor. Aber als Kopfmensch brauche ich auch immer wieder neue Gedankenmodelle, die ich in der Forschung anwenden kann. Die Ideen für diese Gedankenmodelle entstehen auch in der täglichen Arbeit mit der Analyse der verschiedensten Proben. Als Forscherin bin ich froh, dass sich diese Tätigkeiten so gut miteinander verbinden lassen.“

Bereits während ihres Medizinstudiums lernte Dorothea Orth-Höller ihren Mann kennen. Mit ihm und den gemeinsamen zwei Söhnen findet sie im Privatleben einen Ausgleich zur Forschungstätigkeit. Und auch ihr sportliches Hobby, das Klettern, hilft ihr, mental abzuschalten und neue Energien und Ideen zu bekommen. 

(A. Schönherr)

Weitere Links:

Sektion für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie (HMM) der Medizinischen Universität Innsbruck
Weitere Reportagen über NachwuchswissenschafterInnen an der Medzinischen Universität Innsbruck 

* Die im Rahmen dieser Reportageserie portraitierten WissenschafterInnen besetzen eine A2-Laufbahnstelle als Assoziierte ProfessorInnen an der Medizinischen Universität Innsbruck. Voraussetzung dafür ist die Erfüllung einer Qualifizierungsvereinbarung, die unter anderem erfolgreiche Forschungsleistung, Lehre und Einwerbung von Drittmitteln umfasst.

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