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Statistische Gender Medizin erklärt Einfluss von Risikofaktoren auf Geschlechtsunterschied in der Herz-Kreislauf-Mortalität

Pro Jahr sterben in Europa etwa 77.000 Frauen und 253.000 Männer unter 65 Jahren an der koronaren Herzerkrankung (KHK). Diesen ausgeprägten Geschlechtssunterschied haben StatistikerInnen der Medizinischen Universität Innsbruck genauer unter die Lupe genommen und festgestellt: Die weiblichen Hormone verschaffen Frauen unter 50 einen „Überlebensvorteil“ bei koronaren Herzerkrankungen. Bluthochdruck ist der wichtigste Erklärungsfaktor für die höhere Herz-Kreislauf-Mortalität bei jüngeren Männern.

In einer soeben im Fachmagazin „Atherosklerosis“ veröffentlichten Studie berichten Medizin-StatistikerInnen um ao.Univ.-Prof. Dr. Hanno Ulmer, interim. Leiter des Departments für Medizinische Statistik, Informatik und Gesundheitsökonomie an der Medizinischen Universität Innsbruck, über den Einfluss der etablierten kardiovaskulären Risikofaktoren Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin, Blutzucker und Nikotinkonsum auf die geschlechtsspezifische Mortalität bei koronaren Herzerkrankungen. Medizin-Statistiker Hanno Ulmer hielt zu diesem Thema einen viel beachteten Vortrag beim Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) Anfang September in London.

Östrogen begünstigt Blutdruck und Fettstoffwechsel bei jüngeren Frauen

„In unserer Studie untersuchten wir, inwieweit die etablierten kardiovaskulären Risikofaktoren diesen gravierenden Geschlechterunterschied verursachend erklären können. Immerhin weisen männliche Gesundenuntersuchungsteilnehmer unter 50 Jahren eine im Vergleich zu weiblichen Teilnehmerinnen um den Faktor 4,7 erhöhte Sterblichkeit an KHK aus. Bei Männern über 50 Jahren war die Sterblichkeit immer noch um den Faktor 1,9 erhöht“, erklärt Prof. Ulmer.

Diese Zahlen gelten für die Altersgruppe bis 65. „Insgesamt zeigt uns die Statistik, dass mehr Frauen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben als Männer, allerdings eher in höherem Alter und aus Gründen, die uns die gendermedizinische Forschung noch liefern kann“, weiß Univ.-Prof.in Dr.in Margarethe Hochleitner, Professorin für Gender Medizin an der Medizin Uni Innsbruck und Mitautorin der aktuellen Studie.

Im Detail stellten die ForscherInnen fest, dass in der Altersgruppe der unter 50-jährigen 40,9 Prozent des Geschlechterunterschiedes über die kardiovaskulären Risikofaktoren erklärt werden können. „Der dominierende Faktor war der systolische Blutdruck mit einem Erklärungswert von 21,7 Prozent, gefolgt von Cholesterin mit 10,0 Prozent. In der Altersgruppe der über 50-jährigen erreichte der Beitrag der Risikofaktoren lediglich einen Wert von 8,2 Prozent“, erläutert Erstautor DI Josef Fritz. Da es sich bei den erklärenden Faktoren im Wesentlichen um Blutdruck und Cholesterin handelt, stimmen die Ergebnisse mit der sogenannten „Östrogenhypothese“ überein, die annimmt, dass Frauen über die weiblichen Hormone durch niedrigeren Blutdruck und einen günstigeren Lipidstatus bevorteilt sind.

Bluthochdruck erklärt kardiovaskuläres Risiko bei jüngeren Männern

Die in Medizin-Kreisen bekannte Tatsache, dass Männer im jüngeren Alter das höhere Herzinfarktrisiko aufweisen, wird nun durch die Erkenntnis erhärtet, dass der Bluthochdruck der wichtigste Erklärungsfaktor für das erhöhte Erkrankungsrisiko von Männern jüngeren Alters darstellt (im Vergleich zu gleichaltrigen Frauen). „Damit hat unsere Studie auch einen praktischen Nutzen für Ärztinnen und Ärzte in der Vorsorgemedizin. Bluthochdruck sollte sowohl bei Männern also auch bei Frauen rechtzeitig erkannt und durch entsprechende Lebensstiländerung oder medikamentöse Therapie behandelt werden – bei jüngeren Männern ist das geradezu von überlebenswichtiger Bedeutung“, betont Hanno Ulmer.

Die Studienergebnisse ändern nichts an der generellen Einschätzung, dass die Risikofaktoren Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin, Blutzucker sowie Rauchen im Sinne der Herzgesundheit zu vermeiden sind.

Zielgenaue Methodik

Um den Effekt der einzelnen Risikofaktoren auf die geschlechtsspezifische Herz-Kreislauf-Mortalität messen zu können, bedienten sich die StatistikerInnen der sogenannten Mediations-Analyse. Dabei wird der Einfluss des Geschlechts in eine direkte und in eine indirekte Komponente zerlegt. Die indirekte Komponente ist jener Teil des Geschlechtseffekts, der durch die vier klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren  systolischer Blutdruck, Gesamtcholesterin, Nüchternblutzucker und Rauchen erklärt werden kann.

Für die StatistikerInnen des Departments für Medizinische Statistik, Informatik und Gesundheitsökonomie ergeben sich aus den vorliegenden Ergebnissen bereits die nächsten Forschungsfragen. Nachdem der Geschlechterunterschied in der Mortalität der koronaren Herzerkrankung besonders bei älteren Menschen nur zu einem geringen Teil durch die wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren erklärt werden kann, bleibt bislang offen,  welche zusätzlichen Faktoren für das geschlechtsspezifische kardiovaskuläre Risiko von Bedeutung sind.

 (D.Heidegger)

 

*) Die geschlechtsspezifische KHK-Mortalität wurde altersstratifiziert mittels prospektiver Kohortendaten aus Österreich untersucht. Die Kohortenstudie basiert auf der Vorarlberger Gesundenuntersuchungsdatenbank, die zwischen 1985 und 2004 vom Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin aufgebaut wurde. Über einen medianen Follow-up Zeitraum von 14,6 Jahren wurden bei 117.264 Personen, die zum Zeitpunkt der Gesundenuntersuchung jünger als 50 Jahre waren und bei 54.998 älteren Personen insgesamt 3.892 KHK indizierte Todesfälle registriert.

 

Links:

Mediation analysis of the relationship between sex, cardiovascular risk factors and mortality from coronary heart disease: Findings from the population-based VHM&PP cohort. Fritz J, Edlinger M, Kelleher C, Strohmaier S, Nagel G, Concin H, Ruttmann E, Hochleitner M, Ulmer H., Atherosclerosis. 2015 Sep 4; 243(1):86-92. [Epub ahead of print]
http://dx.doi.org/10.1016/j.atherosclerosis.2015.08.048.

ESC Kongress 2015
http://www.escardio.org/Congresses-&-Events/Upcoming-congresses/ESC-Congress/ESC-Congress-2015

Department für Medizinische Statistik, Informatik und Gesundheitsökonomie
https://www.i-med.ac.at/msig/

 

 

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