2. Fachtagung zu Sport, Ernährung und Psyche
Sport aktiviert im Wechselspiel mit der Nahrung Stoffwechselvorgänge im Gehirn, die für die Hirnplastizität sowie Lern- und Erinnerungsleistungen entscheidend sind. Auch das psychische Wohlbefinden ist eng damit verknüpft. Außerdem wirkt Sport präventiv gegen neurologische und psychiatrische Erkrankungen. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesen Zusammenhängen wurden vergangene Wochen im Rahmen des 2. Fachtages Sporternährung diskutiert.
Aus sportmedizinischer Sicht erhöhen sportliche Aktivitäten die Fitness, fördern die Gesundheit und den nachhaltigen Stressabbau. Die Ernährung trägt maßgeblich dazu bei, diese Effekte bestmöglich zu nutzen. Im Verständnis der Zusammenhänge zwischen Sport, Ernährung und Psyche kommen laufend neue Erkenntnisse dazu. „Körperliches Training kann bei Depressionen in einem ähnlichen Maße wirksam sein wie eine medikamentöse Therapie“, nennt Univ.-Doz.in Dr.in Dr.in Barbara Prüller-Strasser, wissenschaftliche Leiterin des Fachtages und Forscherin an der Sektion für Medizinische Biochemie am Innsbrucker Biozentrum, ein Beispiel. Der stimmungsaufhellende Effekt körperlicher Aktivität sei bei PatientInnen mit depressiven Erkrankungen stärker ausgeprägt als bei psychisch gesunden Menschen.
Bewegung beeinflusst Stimmung und Lernfähigkeit
Ausreichend Bewegung trägt schon in jungen Jahren zu einer gesunden Entwicklung bei, Geist und Gehirn werden vielfältig stimuliert. Die Sauerstoffversorgung nimmt bei mittlerer Belastung um bis zu 30% zu, was auch den Transport biochemischer Substanzen wie BDNF (= Brain Derived Neutrophic Factor) fördert. „In Abhängigkeit von Belastungsart, Dauer und Intensität kommt es z.B. zur Ausschüttung von Wachstumsfaktoren, was sich unter anderem positiv auf die Plastizität des Gehirns auswirkt“, berichtete Doz.in Prüller-Strasser. „Dass dabei auch Neurotransmittersysteme relevant sind, legen einzelne Studien nahe.“ Zu diesen stimmungsbeeinflussenden Substanzen zählen vor allem Dopamin und Serotonin.
Solche Effekte haben vor allem für die Lernfähigkeit besondere Bedeutung - nicht nur in der kindlichen Entwicklung, sondern auch im Erwachsenenalter. Angeregt durch körperliche und kognitive Aktivitäten können Stammzellen im Hippocampus lebenslang neue Nervenzellen produzieren (Neurogenese). „Die Effekte wirken additiv“, erklärt Prüller-Strasser. „Bewegung führt dazu, dass sich nach einem kognitiven Stimulus mehr Neuronen in einer Lernsituation beteiligen. So kann Sport vor geistigen Aktivitäten Aufmerksamkeit und Lernfähigkeit verbessern.“
Ernährung und Tryptophanspiegel
Auch die Ernährung nimmt Einfluss auf das Zusammenspiel dieser hochkomplexen Stoffwechselprozesse im menschlichen Organismus. So beeinträchtigt ein Mangel an mehrfach ungesättigten Fettsäuren die kognitiven Funktionen und ein Übermaß an Fett und Zucker begünstigt neurologische und psychiatrische Erkrankungen. Über die Auswirkungen eines Tryptophanmangels referierte der Univ.-Prof. Mag. Dr. Dietmar Fuchs, Biochemiker am Innsbrucker Biozentrum, beim 2. Fachtag Sporternährung.
Tryptophan benötigen alle lebenden Organismen zum Aufbau von Proteinen. Der Mensch kann diese (essentielle) Aminosäure aber nicht selbst synthetisieren und muss sie deshalb vor allem über die Nahrung aufnehmen. „Ein durch das Immunsystem ausgelöster Abbau des Tryptophan, z.B. bei Virusinfektionen und Tumorerkrankungen, hat weitreichende Folgen“, erklärt Prof. Fuchs. Eine davon sei die Einschränkung der Syntheseleistung von Zellen für Proteine. Diese Strategie wirke einerseits zwar gegen die Vermehrung von Tumorzellen, störe aber auch die Funktion normaler Zellen, was z.B. zu Blutarmut (Anämie) und Gewichtsverlust (Kachexie) führen kann. „Ein Tryptophanmangel kann auch die Syntheseleistung des Glückshormons Serotonin, das aus Tryptophan gebildet wird, verringern“, nennt Prof. Fuchs ein weiteres Beispiel, „weshalb die Wahrscheinlichkeit einer Gefühlsstörung bis hin zur Depression zunimmt.“ Den Tryptophanabbau bewirken spezifische Botenstoffe des Immunsystems wie Interferone. Sie aktivieren das dafür wichtigste Enzym, die sogenannte Indolamin 2,3-Dioxygenase (IDO).
Zu einer Stärkung der Abwehrkräfte tragen auch sportliche Aktivitäten maßgeblich bei. „Manche Forscher sind sogar der Ansicht, dass dieser Effekt von Sport zum Teil für die gesundheitsfördernde Wirkung verantwortlich ist“, so der Biochemiker, „zum Beispiel wenn dadurch weniger Infekte auftreten.“ In Bezug auf den Tryptophanspiegel im Blut könne es bei trainierten SportlerInnen aber auch zu einem signifikanten Abfall mit Nebenwirkungen wie Niedergeschlagenheit kommen. Dieser Abbauprozess ist mit gezielter Ernährung beeinflussbar. „Aus Laboruntersuchungen wissen wir“, berichtet Prof. Fuchs, „dass in einem Milieu mit hohem Antioxidantienanteil der Tryptophanabbau verringert wird. Insofern kann eine vitaminreiche Kost durchaus auch als stimmungsaufhellende Maßnahme betrachtet und empfohlen werden.“ Geeignete Nahrungsmittel dafür seien beispielsweise Cashew-Nüsse und Bananen, die viel Tryptophan und antioxidative Wirkstoffe enthalten. Von Supplementen rät Prof. Fuchs eher ab.
Sport im Alter
Dass sportliche Aktivität und gezielte Ernährung auch im fortgeschrittenen Alter gesundheitsfördernd wirken, zeigt eine kürzlich publizierte Studie. Doz.in Prüller-Strasser fasst die Eckpunkte zusammen: PatientInnen mit einer milden kognitiven Störung absolvierten ein sehr intensives Bewegungsprogramm und erhielten zusätzlich eine umfassende Ernährungsberatung: viel Obst, Gemüse, Fisch, Vollkorn, Fette mit hohem Anteil an Omega-3-Fettsäuren, wenig Zucker und Salz. Innerhalb von zwei Jahren konnte die kognitive Leistungsfähigkeit der SeniorInnen im Schnitt um 25% gesteigert werden, die Exekutivfunktionen verbesserten sich um 83% und die Verarbeitungsgeschwindigkeit sogar um 150%.
„Bewegungs- und Ernährungseffekte können möglicherweise dauerhafte Auswirkungen haben, indem sie ins Epigenom übergehen und an die nächste Generation vererbt werden“, erinnert Doz.in Prüller-Strasser an ein Kernthema des 1. Fachtages Sporternährung 2014. Vor allem an der Skelettmuskulatur wurden epigenetische Adaptionen in der neuromuskulären Funktion, im Alterungsprozess und in der Regeneration beobachtet, aber auch in der Pathologie des Diabetes mellitus.
Fazit: Angeregt durch körperliche und kognitive Aktivitäten können Stammzellen im Hippocampus lebenslang neue Nervenzellen produzieren. Dieser und zahlreiche andere Effekte erhöhen nicht nur die Leistungsfähigkeit des Gehirns, sondern beeinflussen auch Funktionen unseres Immunsystems und über zum Teil schon bekannte Mechanismen die psychische Verfassung. Genauso wirkt sich die Ernährung auf das Zusammenspiel der hochkomplexen Stoffwechselprozesse im menschlichen Organismus aus. Ein Beispiel dafür ist die essentielle Aminosäure Tryptophan, die mangels Selbstsynthese vor allem über die Nahrung zugeführt werden muss.
(red)
Links:
2. Fachtag Sporternährung
http://www.fachtag-sporternaehrung.at/willkommen/
Sektion für Biologische Chemie
https://www.i-med.ac.at/imcbc/molecularcellbiologyfolder/molcellbiol.html
Biozentrum Innsbruck
http://biocenter.i-med.ac.at/