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Gelungene Forschungskooperation entlarvt ungewöhnlichen zellulären Mechanismus

Die seit vielen Jahren bestehende Zusammenarbeit zwischen ao.Univ.-Prof. Mag.Dr. Thomas Haller von der Sektion für Physiologie (Direktorin Univ.-Prof.in Dr.in Michaela Kress) und Prof. Dr. Paul Dietl, Leiter des Instituts für Allgemeine Physiologie an der Universität Ulm, führte unlängst zur Entschlüsselung eines ungewöhnlichen zellulären Mechanismus, der für die schleimlösende Wirkung des Arzneistoffs Ambroxol verantwortlich ist – eine weitreichende Erkenntnis, die zu neuen Therapieoptionen füh

Der Wirkstoff Ambroxol wird aus dem medizinischen Inhaltsstoff des Indischen Lungenkrauts hergestellt und ist – etwa unter dem Handelsnamen Mucosolvan – seit vielen Jahren in therapeutischem Einsatz bei Husten und festsitzendem Schleim in den Atemwegen, sowie als Injektionslösung zur Förderung der pränatalen Lungenreifung. Nach einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten und im Fachmagazin Cell Calcium veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeit können Prof. Dietl und Prof. Haller nun erstmals nachweisen, dass Ambroxol mit Hilfe von Kalziumionen (Ca2+) die lysosomale Sekretion, also die Ausschleusung von zellulären Abbauprodukten, stimuliert.

Ambroxol triggert Sekretion
Im Detail konnten die ForscherInnen mittels Röntgenspektroskopie und Fluoreszenzmikroskopie zeigen, dass sich die schwache Base Ambroxol in den Lysosomen der Lungenepithelzellen – sauren intrazellulären Kompartimenten –  binnen Sekunden in einem solchen Ausmaß anreichert, dass es in der Folge zu einer erheblichen Neutralisation des lysosomalen pH-Werts kommt. Dadurch wird Kalzium aus diesen Speichern gedrängt, die  Konzentration an freien Kalziumionen im Zytoplasma steigt, und eine geregelte Fusion von Lysosomen mit der Zellmembran (Exocytose)  beginnt. In den untersuchten Lungenzellen steigert Ambroxol eben durch diesen Wirkmechanismus die Ausscheidung von Surfactant, einem lebenswichtigen, aus Fetten und fettlöslichen Eiweißen aufgebauten Komplex, der bis zum Zeitpunkt seiner Freisetzung in speziellen Lysosomen gespeichert bleibt. Nach seiner Freisetzung kleidet dieses Stoffgemisch die Lungenbläschen aus und sorgt aufgrund seiner physikalischen und immunologischen Eigenschaften dafür, dass kollabierte Atemwege in der Lunge geöffnet, zähes Hustensekret verdrängt und Viren und Bakterien vermehrt gebunden werden. Die von Ambroxol getriggerte Freisetzung von Surfactant wirkt demnach hustenlösend und entzündungshemmend.

 Video: Fluoreszenzbasierte pH-Analyse einer Lungenzelle nach Zugabe von Ambroxol. Die dunklen Bereiche kennzeichnen Lysosomen mit einem stark sauren pH-Wert. Die Videosequenz zeigt die rasche pH-Neutralisierung (=Aufhellung) unmittelbar nach Zugabe von Ambroxol.

Alte und neue Erkenntnisse zum lysosomalen Abtransport
So gut die sekretionsfördernde Wirkung seit nunmehr fast 30 Jahren bekannt war, so wenig wusste man bislang über die zugrunde liegenden Mechanismen. Und das, obwohl der Innsbrucker Lungenphysiologe Thomas Haller eigentlich schon mit seiner vor 20 Jahren abgeschlossenen Dissertation über die Funktion von Lysosomen als kalziumspeichernde Zellorganellen einen wichtigen theoretischen als auch methodischen Grundstein dafür gelegt hatte(*). Damals forschte auch Prof. Dietl noch am selben Institut, wo er gemeinsam mit Thomas Haller wesentliche Beiträge zur Funktion von Lungenzellen und Lungenbläschen (Alveolen) lieferte (**). „In der Zwischenzeit“, so Thomas Haller, „haben sich rund um dieses anfänglich noch sehr umstrittene Thema,  welches wir folglich als interessante Anomalie mehr oder weniger ad acta gelegt hatten, neue Forschungsgebiete und –perspektiven aufgetan, die allgemein unter dem Überbegriff  „acidic calcium stores and cell signalling“ zusammengefasst oder auch  immer häufiger in Bezug auf lysosomale Speicherkrankheiten, wie etwa Morbus Gaucher, in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden“.

Die neuen Erkenntnisse über Ambroxol zeigen demnach Potenzial für neue Therapieperspektiven. „Die Wirkung dieses Arzneistoffes dürfte nicht nur auf die von uns untersuchten Pneumozyten beschränkt sein, sondern ist auch im Rahmen des Abtransports von schädlichen Ablagerungen aus Nervenzellen, wie sie bei neurodegenerativen Erkrankungen wie z.B. Parkinson eine Rolle spielen, denkbar“, sind sich Thomas Haller und Paul Dietl einig. Unterstützung findet diese Aussage jedenfalls durch eine weitere Eigenschaft  von Ambroxol, nämlich die Blut-Hirnschranke ungehindert passieren und tief ins Nervengewebe eindringen zu können. Neueste Arbeiten zielen auf diesen Effekt. Damit könnte diesem „Schleimlöser“ aus der Gruppe der Expektorantien eine völlig neue Rolle als innovative Arzneimittelspezies zukommen.

Die Tatsache, dass die Forschungsarbeit der Senior-Autoren Haller und Dietl zu den „Most Downloaded Cell Calcium Articles“ der letzten Monate zählt, darf als weitere Beleg ihrer Therapierelevanz gewertet werden.

(D. Heidegger)

 

Links:

A new role for an old drug: Ambroxol triggers lysosomal exocytosis via pH-dependent Ca2+ release from acidic Ca2+ stores. Fois G, Hobi N, Felder E, Ziegler A, Miklavc P, Walther P, Radermacher P, Haller T, Dietl P. Cell Calcium. 2015 Dec;58(6):628-37.

Most Downloaded Cell Calcium Articles

(*) The lysosomal Ca2+ pool in MDCK cells can be released by ins(1,4,5)P3-dependent hormones or thapsigargin but does not activate store-operated Ca2+ entry. Haller T, Völkl H, Deetjen P, Dietl P. Biochem J. 1996 Nov 1;319 ( Pt 3):909-12.

(**) Dynamics of surfactant release in alveolar type II cells. Haller T, Ortmayr J, Friedrich F, Völkl H, Dietl P., Proc Natl Acad Sci U S A. 1998 Feb 17;95(4):1579-84.

Sektion für Physiologie

Arbeitsgruppe Lungenphysiologie, ao.Univ.-Prof. Mag.Dr. Thomas Haller

 

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