Warum sind Frauen weniger anfällig für Nierenerkrankungen?
Auf die Frage nach den Ursachen für geschlechtsspezifische Unterschiede bei Nierenerkrankungen haben ForscherInnen der Medizin Uni Innsbruck eine mögliche Antwort gefunden: Hormone des Monatszyklus der Frau könnten dafür verantwortlich sein, dass sich Nierenzellen besser regenerieren. Die Amerikanische Gesellschaft für Nephrologie veröffentlichte die Ergebnisse von ao.Univ.-Prof.in Dr.in Judith Lechner (Sektion für Physiologie) und ihren KollegInnen in ihrer Fachzeitschrift.
In Österreich beginnen pro Jahr rund 1.200 PatientInnen mit einer Nierenersatztherapie. Davon sind allerdings nur ca. 35 Prozent Frauen. Darüber hinaus ist durch klinische Studien belegt, dass Frauen ein um etwa 10 % geringeres Risiko haben, ein akutes Nierenversagen zu entwickeln. Bisher ist allerdings nicht bekannt, warum Frauen weniger anfällig für eine Erkrankung der Nieren sind als Männer. Die jüngsten Forschungserkenntnisse der Arbeitsgruppe von ao.Univ.-Prof.in Dr.in Judith Lechner an der Sektion für Physiologie (Direktorin: Univ.-Prof.in Dr.in Michaela Kress) in Kooperation mit der Univ.-Klinik für Strahlentherapie-Radioonkologie (Direktor: Univ.-Prof. Dr. Peter Lukas) der Medizinischen Universität Innsbruck lassen die internationale Fachwelt jetzt aufhorchen: Die Ergebnisse der Innsbrucker ForscherInnen weisen darauf hin, dass der weibliche Menstruationszyklus einen positiven Effekt auf die Nieren haben könnte.
Analyse von Urinproben brachte Hinweis auf Menstruationszyklus
Für die Studie wurden Harnproben von Frauen, die noch nicht in der Menopause sind, gezielt analysiert. „Wir konnten dabei zeigen, dass abhängig vom Menstruationszyklus bestimmte Enzyme, nämlich Fructose-1,6-bisphosphatase und Glutathion-S-transferase alpha, vorübergehend vermehrt ausgeschieden werden“, erklärt die Leiterin der Forschungsgruppe an der Sektion für Physiologie, Judith Lechner. „Dies weist darauf hin, dass, bedingt durch die Hormone des weiblichen Zyklus, die Nierenregeneration bei Frauen besser funktionieren könnte als bei Männern.“ Das wäre eine mögliche Erklärung dafür, warum Frauen seltener von Nierenversagen betroffen sind als Männer. „Unsere Erkenntnisse könnten für die zukünftige Entwicklung von neuen Therapeutika bei Nierenerkrankungen für Männer und Frauen von Bedeutung sein“, sagt Judith Lechner. Die Forschung wurde durch die Förderung des Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank ermöglicht.
Innsbrucker Forschungserkenntnisse finden Anerkennung in den USA
Die Ergebnisse sind im renommierten Fachjournal der „Amerikanischen Gesellschaft für Nephrologie (JASN – Journal of the American Society of Nephrology) veröffentlicht worden. Die 1966 gegründete Vereinigung zählt 16.000 Mitglieder und hat auf die Erkenntnisse der Innsbrucker ForscherInnen in einer eigenen Presseaussendung hingewiesen. Das Hauptziel der Gesellschaft ist die Bekämpfung von Nierenerkrankungen auf internationaler Basis.
Gender Medizin – Schwerpunkt in Innsbruck
Gender Medizin hat zwischenzeitlich als Querschnittmaterie Einzug in die Medizinforschung und –lehre gefunden. 2007 hatte die Medizinische Universität Innsbruck als erste medizinische Hochschule in Österreich das Fach „Gender Medizin“ in die Pflichtlehre aufgenommen. Verschiedenste Forschungsprojekte beschäftigen sich mit geschlechterspezifischen Fragestellungen. „Auch unsere Arbeit wurde inspiriert durch die Gender Medizin und die Initiativen am Standort“, erklärt Judith Lechner, die dem Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank und der Medizinischen Universität Innsbruck für die Unterstützung des Forschungsprojektes speziell dankbar ist. „Ich bin während des Projektes schwanger geworden und daher sehr froh, dass es mir in Innsbruck möglich gemacht wurde, Familie und Forschung unter einen Hut zu bringen.“
Publikation:
"Sex Differences in Renal Proximal Tubular Cell Homeostasis"
AutorInnen: Thomas Seppi, Sinikka Prajczer, Maria-Magdalena Dörler, Oliver Eiter, Daniel Hekl, Meinhard Nevinny-Stickel, Iraida Skvortsova, Gerhard Gstraunthaler, Peter Lukas and Judith Lechner
(B. Hoffmann-Ammann)
Weitere Informationen:
- Press release in english / American Society of Nephrology (PDF)
- American Society of Nephrology