Von der Datenfülle zur Präzisionstherapie
Die Krebsimmuntherapie dürfte halten, was sie verspricht: das eigene Immunsystem gegen den Tumor zu richten und den Krebs damit heilbar zu machen. Wirksame Medikamente sind bereits im Einsatz, doch nicht alle PatientInnen sprechen darauf an. BioinformatikerInnen der Medizin Uni Innsbruck liefern nun eine Leitlinie über innovative bioinformatische Methoden, die anhand der inzwischen zahlreich gewonnenen Next Generation Sequencing-Daten eine gezielte und effiziente Therapiewahl ermöglichen soll.
Körpereigene Abwehrmechanismen für die Krebstherapie nutzbar zu machen, ist das Ziel der Krebsimmuntherapie. Die Selektion jener Immuntherapien, die direkt auf die individuellen Tumormutationen einzelner PatientInnen abzielen, stellt dabei eine besondere Herausforderung dar, die nur mit Unterstützung der Bioinformatik inklusive Hochdurchsatzverfahren und hohen Rechnerleistungen bewältigt werden kann.
Komplexes Zusammenspiel von Tumor und Immunsystem
„Tumoren sind komplexe Ökosysteme und zeigen – wie das Immunsystem – ein sehr heterogenes Verhalten. Folglich ist auch die Interaktion zwischen Tumor und Immunsystem höchst differenziert und komplex. Krebszellen können mutieren und so dem Immunsystem entkommen. Das Immunsystem ist aber anpassungsfähig und lässt sich wieder stimulieren, denken wir etwa an bereits zugelassene Antikörper, die klinisch im Einsatz sind, aber auch an Entwicklungen im Bereich der spezifischen aktiven Immunisierung“, weiß Univ.-Prof. Dr. Zlatko Trajanoski, Direktor der Sektion für Bioinformatik am Innsbrucker Biozentrum.
Gemeinsam mit drei seiner MitarbeiterInnen – Hubert Hackl, Francesca Finotello und Pornpimol Charoentong – wurden jene bioinformatischen Methoden analysiert, die es ermöglichen, das Zusammenspiel zwischen Tumor und Immunsystem differenziert zu durchleuchten. Gelingt es, die komplexen Interaktionen zwischen Tumor und Immunzellen zu entwirren, können aus der Vielzahl genetischer Daten bzw. personenbezogener Tumorprofile erst spezifische immunorientierte Daten und damit Therapieempfehlungen extrahiert werden. Das höchst renommierte Fachmagazin Nature Reviews Genetics berichtet über den weitreichenden und von der Wissenschaftsgemeinde lang erwarteten Wegweiser der Innsbrucker BioinformatikerInnen.
Begonnen hat alles 2006 mit dem „The Cancer Genome Atlas“ (TCGA). Die Initiative des National Cancer Institutes zielte auf die Charakterisierung zehntausender Tumoren von 33 Krebsarten. „Die Daten stehen der Wissenschaft nun zu Verfügung. Dazu kommt die Erkenntnis, dass bestimmten Medikamenten, sogenannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren, eine dauerhafte Wirksamkeit beim Melanom zugeschrieben werden kann. Das heißt: Auch nach 10jähriger Therapie bildeten sich keine neuen Tumoren, obwohl sich die PatientInnen zu Therapiebeginn in einem Spätstadium mit Metastasierung befanden. Dass Krebs heilbar ist, bleibt also nicht mehr länger Utopie, wenn die richtige Therapie zum richtigen Patienten kommt“, erklärt Zlatko Trajanoski, der vor sechs Jahren von Graz ans Innsbrucker Biozentrum kam, wo er die Sektion für Bioinformatik aufgebaut hat. Mit seinem Team gehört er heute zu einer der wenigen Gruppen weltweit, die aus bioinformatischen Analysen zielgerichtete Informationen für die Krebsimmuntherapie liefern können. Zudem leitet Prof. Trajanoski mit APERIM das einzige, in Österreich koordinierte Horizon2020-EU-Projekt zur personalisierten Medizin, in dessen Rahmen auch die vorliegende Arbeit entstand.
Personalisierte Medizin
Zentrales Ziel ist also einerseits die Identifikation der PatientInnengruppe für die jeweilige Therapieform und andererseits das Finden weiterer immunologischer Ziele, um neue Medikamente zu entwickeln, die es ermöglichen, das Immunsystem gegen den Tumor zu stimulieren. Vor dem Hintergrund der Kostspieligkeit von Krebsimmuntherapien kommt der zielorientierten PatientInnenselektion und der Bestimmung spezifischer Krebsmarker besonders hohe Relevanz zu. „Die translationale Forschungsausrichtung und die fachliche Expertise am Standort kommt diesem Ziel sehr entgegen. So konnte sich Innsbruck zu einem Zentrum für Krebsimmunologie entwickeln“, betont Trajanoski.
(D. Heidegger)
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