Antrittsvorlesung Univ.Prof. Dr. Öfner-Velano: „Wieviel Wirklichkeit braucht Veränderung?“
Im großen Hörsaal der Innsbrucker Chirurgie lud Univ. Prof. Dr. Dietmar Öfner-Velano KollegInnen, MitarbeiterInnen, Weggefährten, Freundinnen und Freunde sowie seine Familie zur Antrittsvorlesung. Seit eineinhalb Jahren leitet er die Innsbrucker Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie.
Nein, es war kein Faschingsscherz: „Wieviel Wirklichkeit braucht Veränderung?“ lautete der Titel der Antrittsvorlesung, die Dietmar Öfner-Velano am 11.11.2016 im dicht gedrängten großen Hörsaal der Chirurgie hielt. Der in Innsbruck ausgebildete Mediziner und Facharzt war bereits von 2004 bis 2009 als stellvertretender Direktor und geschäftsführender Oberarzt an der Innsbrucker Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie tätig. Nach einem „Gastspiel“ in der Festspielstadt Salzburg wurde er im März 2015 an seine Alma Mater berufen, um hier die Leitung der Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie zu übernehmen.
Geprägt war der Inhalt seiner Antrittsvorlesung von der beeindruckenden Dynamik, mit der sich derzeit vor allem aufgrund der digitalen Revolution umfangreiche Veränderungen in fast allen Bereichen ereignen. „Bis vor kurzem noch gut funktionierende Organisationen, wie Krankenhäuser, haben Schwierigkeiten, wobei das Hauptsymptom Geldknappheit ist. Aber eben nur ein Symptom, keine Ursache“, so der Professor.
Treiber der Veränderung, Rolle der Wissenschaft
Öfner-Velano sieht eigentlich nur einige, wenige Treiber der aktuellen Veränderungen. Diese seien aber hochwirksame Kräfte, die zur explosionsartig wachsenden Komplexität beitragen. Darunter identifiziert er neue Technologien und Wissenschaftsdisziplinen, veränderte demographische Bedingungen, Globalisierung und Digitalisierung der Medizin unter dem Schlagwort „Big Data“, aber auch eine steigende PatientInnensouveränität sowie geänderte Personalstrukturen in den Kliniken und veränderte Ansprüche von Chirurginnen und Chirurgen an ihren Arbeitsplatz. Unter diesen sich derzeit stark verändernden Rahmenbedingungen betrachtet Öfner-Velano es jedoch als schwierigste Aufgabe im Gesundheitssystem, „den Menschen in der sich ändernden Gesellschaft Gemeinschaft, Geborgenheit, Vertrauen und Sicherheit zu geben, anstatt der seelenlosen Marktorientierung hinterher zu hecheln.“
Von zentraler und unverzichtbarer Bedeutung ist für ihn dabei die Einheit von Lehre, Forschung und Patientenversorgung: „Es ist Aufgabe von uns Professorinnen und Professoren, allen Bestrebungen entschieden entgegen zu wirken, diese erweiterte Humboldt´sche Trias zu spalten. Wir werden uns zudem in Zukunft bei Entscheidungsprozessen nicht mehr an der Newton´schen Mechanik, sprich eindimensionaler Orientierung, rein ökonomischer Zielsetzungen, rein auf Impact Factor Punkte beschränkt, Drittmittel fokussiert, kurzfristig denkend usw. sondern an den Funktionsprinzipien von lebenden Organismen orientieren müssen. Das kommt uns doch entgegen, wir Mediziner sind es ja gewohnt in dieser Komplexität zu agieren.“
Leadership, Unternehmenskultur und Qualität
Vor dem Hintergrund der anstehenden Veränderungen, so referierte der Vortragende, sei Leadership gefragt, schließlich entwickle sich aus Leadership auch eine Qualitätskultur. Als wesentlichen Aspekt nannte er dabei „Fairness“. Fairness spiele nicht nur eine wesentliche Rolle in der Veränderung, sondern sei auch ein Grundbaustein zum Erfolg. Ebenso ging er auf ein weiteres Element der Teambildung und Qualitätskultur, nämlich die MitarbeiterInnenzufriedenheit, ein. Für die Zukunft entscheidend sei das Halten guter MitarbeiterInnen. „Stelle gute Mitarbeiter ein und lasse sie arbeiten, dezentralisiere Vorgänge und Strategien und befördere intern“, so Öfner-Velanos Leitsatz, um dem drohenden und standortgefährdenden „Brain Drain“ entgegenzuwirken und durch hohe Mitarbeiterzufriedenheit auch die Patientenzufriedenheit weiter zu steigern.
Building on past success(es)
Während seiner Antrittsvorlesung räumt Dietmar Öfner-Velano ein, dass große Umbrüche auch Ängste, Widerstände unter Umständen auch sogar Feindseligkeiten aber auch Hilflosigkeit verursachen können. Gerade in der Transplantationschirurgie, so scheint es, sei die Pionier- und Blütezeit bereits vorbei. Schließlich gehe es heute eher um erweiterte Spenderkriterierin, kalte und warme maschinelle Organperfusion, Konservierung oder auch Konditionierung von Spenderorganen – die Transplantation eines Organs ist kaum mehr eine große Sensation. Dennoch: „Es ist die Chirurgie, die sogar chronische Erkrankungen heilt, durch bariatrische Operationen den Diabetes mellitus Typ II, durch Organersatz Organinsuffizienz und der Tumorstammzelle wird mit dem Messer der Kampf angesagt,“ zeigt sich Öfner-Velano als leidenschaftlicher Vertreter seines Faches, jedoch nicht ohne die Frage zu stellen: Was kommt als nächstes?
Öfner-Velano rechnet mit direkten Auswirkungen der digitalen Revolution auf das Gesundheitswesen und im Speziellen auf die Chirurgie. Als Beispiele nannte er dabei den Einsatz von als Roboter bezeichnete Telemanipulatoren, die nicht nur das Spektrum an minimal invasiver Eingriffe erweitern, sondern auch enorm zur Aus- und Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten beitragen. Als eine weitere Entwicklung nannte er die Versorgungsforschung, die letztendlich in Meta-Analysen von Big Data münden könnte. An der Innsbrucker Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie geht man über ein „quality controlled registry“, das ausnahmslos alle Daten der Klinik sowie begrenzt Daten aus dem „intradisziplinären Tumorboards“ beinhaltet, bereits neue Wege. Mit diesen Daten können qualitätskontrolliert outcome Analysen der Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie vorgenommen und damit medizinisches Wissen auf höchstem Niveau generiert werden. Mit adäquater Statistik können damit Ergebnisse produziert werden, die mit kontrolliert randomisierten Studien vergleichbar sind.
Conlusio: Verdichtete Komplexität als Rohstoff für Innovation
„Die Wirklichkeit hat uns eingeholt, wir stehen an der Schwelle fundamentaler Änderungen“, resümiert Öfner-Velano. Diese verdichtete Komplexität betrachtet er jedoch als einen wertvollen Rohstoff für Kreativität und Innovation. „Mein Ziel ist es, die Chirurgie in Innsbruck auf die neue Zeit vorzubereiten. Ich bin dabei der Überzeugung, dass die Unternehmenskultur im Sinne von Leadership entscheidend sein wird, ob wir reüssieren oder nicht. Veränderungen können nicht mehr länger auf die lange Bank geschoben werden. Diese Veränderungen werden fair und nicht nach dem darwinistischen Prinzip „Friß oder stirb!“ zum Nutzen der Chirurgie und damit der PatientInnen an der Innsbrucker Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie umgesetzt werden.“
Link:
Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie
(A.Schönherr; Fotos: C. Profanter)