Faszination Gehirn: Internationale „Woche des Gehirns“ feiert 20-jähriges Jubiläum
Im Rahmen des Innsbrucker Programms der „Woche des Gehirns“ (Brain Awareness Week) geben ForscherInnen faszinierende Einblicke in die Schaltzentrale des Menschen: Jeweils von Montag bis Freitag ab 19:00 Uhr finden kostenlose Vorträge im Centrum für Chemie und Biomedizin (CCB, Innrain 80-82) statt. Der Eintritt ist frei.
Warum kann man Gehirne nicht klonen? Wieso macht uns unser Immunsystem manchmal traurig? Diese und weitere spannende Fragen beantworten ExpertInnen im Rahmen der internationalen „Woche des Gehirns“ vom 13. bis 17. März 2017 in Innsbruck. Die Verbindungen der 100 Milliarden Nervenzellen im Gehirn sind ebenso Thema wie neueste Erkenntnisse zu Gedächtnisstörungen im Alter. Die öffentlichen Vorträge der „Woche des Gehirns“ finden vom Montag, den 13. bis Freitag, den 17. März 2017 jeweils ab 19:00 Uhr im Centrum für Chemie und Biomedizin (CCB), Innrain 80-82, Großer Hörsaal statt. Der Eintritt ist frei. Webseite: https://www.i-med.ac.at/event/BAW2017.html
Das Thema der diesjährigen „Woche des Gehirns“ in Innsbruck lautet „Faszination des Gehirns“. Die Funktionsweise eines der wichtigsten Organe des Menschen lädt zum Staunen ein: Das Gehirn funktioniert wesentlich schneller und zuverlässiger als jeder Computer der Welt. Alle wichtigen Lebensfunktionen werden in der Schaltzentrale des Menschen gesteuert. Dabei macht das Gehirn gerade einmal zwei Prozent des Körpergewichts aus, verbraucht nicht mehr Energie als eine Glühbirne und ist extrem komplex: Die Nervenbahnen im Gehirn erreichen eine Länge von rund 5,8 Millionen Kilometern.
Neurowissenschaften: 5,8 Millionen Kilometer Nervenbahnen im Gehirn
Die immer im März weltweit stattfindende Aktionswoche soll auf die neuesten Erkenntnisse der Neurowissenschaften aufmerksam machen und findet in Europa heuer zum 20igsten Mal statt.„Obwohl bereits seit langem intensiv geforscht wird, sind noch längst nicht alle Funktionswege des Gehirns bekannt“, erklärt Univ.-Prof.in Dr.in Christine Bandtlow. Die Vizerektorin für Forschung und Internationales ist Direktorin der Innsbrucker Sektion für Neurobiochemie. „Indem wir immer bessere Kenntnisse über die wichtigste Schaltzentrale erhalten, hoffen wir, Krankheiten besser behandeln oder heilen zu können.“ Erkrankungen des Gehirns sind weit verbreitet: Bereits jeder vierte Mensch in der EU hat eine neurologische, neurodegenerative oder psychische Erkrankung. Die Neurowissenschaften sind ein Forschungsschwerpunkt der Medizinischen Universität Innsbruck.
Überblick Programm der Woche des Gehirns in Innsbruck
13.03., Synapsen – eine verwirrende Ordnung? Assoz. Prof. Dr. Gerald Obermair (Sektion für Physiologie)
14.03., Bindungsforschung: Wie das Gehirn die Seele formt, Univ.-Prof.in Dr.in Anna Buchheim (Klinische Psychologie, LFU)
15.03., Warum macht uns ein aktiviertes Immunsystem manchmal traurig? Interaktionen zwischen Depression und Immunreaktionen, Univ.-Prof.in Dr.in Barbara Sperner-Unterweger (Univ.-Klinik für Psychiatrie II)
16.03., Warum kann man Gehirne nicht klonen? Neuronale Grundlagen von Lernen und Gedächtnis, Univ.-Prof. Dr. Georg Dechant (Gemeinsame Einrichtung für Neurowissenschaften)
17.03., Was Alois Alzheimer noch nicht über Demenz wusste: Neues zum ThemaGedächtnisstörungen im Alter, Dr.in Michaela Defrancesco, PhD (Univ.-Klinik für Psychiatrie I)
Hintergrundinformationen zu den Vorträgen
Synapsen – eine verwirrende Ordnung? (13.03., 19:00 Uhr)
Unser Gehirn besteht aus rund hundert Milliarden Nervenzellen. Jede davon hat im Durchschnitt tausend Verbindungen mit anderen Nervenzellen. „Insgesamt haben wir also hundert Billionen Verknüpfungen in unserem Kopf, für eine vergleichbare Menge an Sternen in unserem Universum brauchen wir tausend Galaxien“, erklärt Assoz. Prof. Dr. Gerald Obermair von der Innsbrucker Sektion für Physiologie. „Über diese Verbindungen, die sogenannten Synapsen, tauschen Nervenzellen nun Informationen in Form kleiner chemischer Pakete aus. Damit bilden Synapsen die Grundlage aller Funktionen unseres Gehirns und ermöglichen uns zu denken, zu lernen und zu vergessen.“ In diesem Gewirr aus Milliarden von Nervenfasern müssen aber erst einmal die richtigen Verbindungen hergestellt und mit dem notwendigen Werkzeug ausgestattet werden: Wie also entstehen diese Synapsen und welche Zellbestandteile sind dafür nötig? Welche Rolle spielt dabei das Kalzium und warum führt eine Fehlfunktion dieser Synapsen zu neurologischen Erkrankungen wie Autismus oder Parkinson? Anhand vieler Beispiele, auch aus seiner eigenen Arbeit, gibt Gerald Obermair in seinem Vortrag Einblicke in die faszinierende Welt der Synapsen und deren Erforschung.
Bindungsforschung: Wie das Gehirn die Seele formt (14.03., 19:00 Uhr)
Studien und Langzeiterhebungen zeigen, dass insbesondere früh einwirkende psychosoziale Stressfaktoren – an erster Stelle das Fehlen einer zuverlässigen Bezugsperson – Langzeitfolgen für psychische und körperliche Erkrankungen bis in die molekulare Ebene haben. Auch zahlreiche Befunde aus der Tierforschung und Bildgebungsstudien bei Menschen unterstreichen die Bedeutung der Bindungstheorie für unser neurobiologisches und klinisches Verständnis von Entwicklungsprozessen. Die klinische Bindungsforschung ist einer der Schwerpunkte von Univ.-Prof.in Dr.in Anna Buchheim, Professorin für Klinische Psychologie an der Universität Innsbruck.
Warum macht uns ein aktiviertes Immunsystem manchmal traurig? Interaktionen zwischen Depression und Immunreaktion (15.03, 19:00 Uhr)
Das Immunsystem des Körpers bekämpft Krankheitserreger. Sind Eindringlinge wie Viren in unseren Organismus gelangt, startet dieser eine Entzündungsreaktion. Zytokine, also Eiweiße, die von den Zellen des Immunsystems ausgeschüttet werden, aktivieren und koordinieren die Abwehr und sorgen dafür, dass wir uns krank fühlen und unserem Körper eine Auszeit gönnen. Diese Botenstoffe kommunizieren auch mit dem Nervensystem. Dort können sie das Gleichgewicht der Botenstoffe des Gehirns, sogenannter Neurotransmitter, verändern. Menschen mit Entzündungen, vor allem mit chronischen entzündlichen Reaktionen wie z. B. bei Rheumaerkrankungen oder chronischen Darmerkrankungen, leiden daher nicht selten unter depressiven Symptomen. Ebenso kann chronischer Stress das vegetative Nervensystem und die Konzentration der entzündungsfördernden Zytokine beeinflussen. „Studienergebnisse zeigen, dass die Verbindungen und Interaktionen zwischen dem Immunsystem und dem Nervensystem bidirektional sind, also in beide Richtungen funktionieren. Trotzdem können nicht bei jedem depressiv Erkrankten immunologische Auffälligkeiten nachgewiesen werden“, erklärt Univ.-Prof.in Dr.in Barbara Sperner-Unterweger, Direktorin der Innsbrucker Univ.-Klinik für Psychiatrie II.
Warum kann man Gehirne nicht klonen? Neuronale Grundlagen von Lernen und Gedächtnis (16.03, 19:00 Uhr)
Eine der faszinierenden Fähigkeiten des Gehirns ist es, Erfahrungen zu speichern und nach Jahrzehnten wieder abrufen zu können. „Es sind nicht zuletzt die Inhalte des Langzeitgedächtnisses, die uns zu individuellen Personen formen. Erkrankungen des Gedächtnisses, werden daher als besonders leidvoll empfunden“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Georg Dechant, Leiter der Gemeinsamen Einrichtung für Neurowissenschaften.
Die moderne Biomedizin kann das Gedächtnis als biochemischen und zellulären Prozess darstellen: Das ermöglicht neue Einsichten in die Mechanismen von Lernen und Gedächtnis. Der Vortrag informiert darüber, wie Lebenserfahrungen unsere etwa hundert Milliarden Nervenzellen mit ihren jeweils rund zehntausend synaptischen Verbindungen beeinflussen. Dieses Netzwerk von Nervenzellen ermöglicht es, dass ein einzelnes menschliches Gehirn mehr Speicherkapazität als die Gesamtheit der Bücher in den größten Bibliotheken aufweist. Georg Dechant gibt auch Einblicke in aktuelle Forschungsarbeiten. In Innsbruck ist es gelungen, das Langzeitgedächtnis in Mäusen ein- und auszuschalten. Mit diesen neuen Erkenntnissen sollen krankhafte Veränderungen der Gedächtnisleistungen besser verständlich und die Grundlagen für neue Therapien erstellt werden.
Was Alois Alzheimer noch nicht über Demenz wusste: Neues zum Thema Gedächtnisstörung im Alter (17.03, 19:00 Uhr)
Vor über 100 Jahren hat der deutsche Psychiater und Neurologe Alois Alzheimer die erste Patientin mit einer dementiellen Erkrankung beschrieben. Bis heute ist diese Form der Demenz als “Alzheimer Demenz” bekannt und stellt die häufigste Form einer Erkrankung des Gedächtnisses im Alter dar. Seit Beschreibung der ersten Patientin mit einer Alzheimer Demenz wurden auf dem Gebiet der Diagnostik, Therapie und auch Differenzierung dementieller Erkrankungen wesentliche Erkenntnisse in zahlreichen Studien gewonnen. Die diagnostischen Möglichkeiten dementieller Erkrankungen haben sich entscheidend verbessert und weiterentwickelt. Darüber hinaus sind mittlerweile zahlreiche Risikofaktoren und mögliche präventive Strategien erforscht worden. Im Rahmen des Vortrags schildert Dr.in Michaela Defrancesco MMSc. PhD von der Univ.-Klinik für Psychiatrie I die wichtigsten wissenschaftlichen und klinischen Fortschritte und Erkenntnisse der letzten 100 Jahre auf dem Gebiet dementieller Erkrankungen. Die Psychiaterin gibt einen Überblick über derzeitige therapeutische sowie diagnostische Möglichkeiten und stellt weitere Entwicklungen in der Demenztherapie und Prophylaxe vor.
(B. Hoffmann-Ammann)