Südtiroler Wissenschaftspreis für den Neurologen Klaus Seppi
Der renommierte, mit 15.000 Euro dotierte Wissenschaftspreis des Landes Südtirol wird heute, am 6. April, an den Neurologen und Parkinson-Experten ao.Univ.-Prof. Dr. Klaus Seppi verliehen. Der aus Kaltern stammende Mediziner forscht bereits seit vielen Jahren an der Univ.-Klinik für Neurologie (Direktor: o.Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe) der Medizinischen Universität Innsbruck zu Diagnose- und Risikomarkern von Parkinson.
Die motorischen Leitsymptome der Parkinson-Erkrankung wurden erstmals vor genau 200 Jahren von James Parkinson in seiner Arbeit „An Essay on the Shaking Palsy“ an sechs Parkinson-Erkrankten beschrieben. Im Vordergrund der motorischen Symptome stehen neben der typischen Bewegungsverlangsamung (Bradykinese), die zu mühevollen Bewegungsabläufen führt, eine Zunahme des Muskeltonus (Rigor) sowie ein Ruhezittern. Durch den Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der Substantia nigra – einer Struktur im Mittelhirn – entsteht ein Mangel an körpereigenem Dopamin, was schließlich Beweglichkeitseinschränkungen zur Folge hat. Parkinson ist bis heute nicht kausal, sondern ausschließlich symptomatisch, etwa durch Zufuhr von Dopamin-Ersatzstoffen zur Erhöhung des Dopamin-Angebots im Gehirn, durch rehabilitative Maßnahmen wie Physio-, Ergo- und Logotherapie sowie durch neurochirurgische Eingriffe, behandelbar. Meist zehn bis 20 Jahre lang lässt sich die Erkrankung sehr gut kontrollieren und es gibt häufig auch nach dieser Zeit noch gute Therapiemöglichkeiten. Allerdings kann es im weiteren Verlauf zu vermehrten Gleichgewichtsstörungen und Stürzen, einem Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit und einer Zunahme anderer, nicht-motorischer Symptome wie etwa Halluzinationen, Blasenentleerungsstörungen und Synkopen kommen.
Die Erforschung und Behandlung von Parkinson hat im Rahmen des neurowissenschaftlichen Schwerpunktes an der Medizinischen Universität Innsbruck einen besonderen Stellenwert. Unter der Leitung von o.Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe sind die WissenschafterInnen der Innsbrucker Neurologie nicht nur in zahlreiche akademische Eigenstudien, sondern auch in internationale und multizentrische Projekte eingebunden. So konnten in der von Innsbrucker Neurologen geleiteten prospektiven Bruneck-Studie, im Rahmen der SINBAR- Kooperation (Sleep INnsbruck BARcelona) mit der Univ.-Klinik für Neurologie in Barcelona sowie im Rahmen der multizentrischen PPMI (The Parkinson’s Progression Markers Initiative) bereits entscheidende Ergebnisse für die Biomarker-Forschung bei Morbus Parkinson erbracht werden.
Im Fokus: Prognosemarker und frühe Diagnostik
Einer der herausragenden Kliniker und Forscher auf diesem Gebiet ist ao.Univ.-Prof. Dr. Klaus Seppi, der seinen Fokus vor allem auf die Diagnostik der neurodegenerativen Erkrankung richtet. „Wie bei vielen anderen neurologischen Krankheiten besteht besonders auch bei Parkinson die Erfordernis einer möglichst frühen Diagnose. Wenn man Parkinson früh erkennen könnte – noch ehe Symptome auftreten – könnte eine frühzeitige Behandlung mit noch zu entwickelnden Medikamenten den Krankheitsverlauf möglicherweise verzögern oder aufhalten und Behinderungen eindämmen bzw. unterbinden“, weiß der Parkinson-Experte.
Vor diesem Hintergrund kommt der sogenannten prodromalen Phase, jenem oft Monate bis Jahrzehnte dauernden Stadium, in dem die charakteristischen motorischen Parkinson-Symptome klinisch noch nicht zum Ausdruck kommen, besondere Relevanz zu. „Wir versuchen, dieses Zeitfenster für die Definition unspezifischer Indikatoren zu nutzen, in dem wir bestimmte Marker wie etwa eine Beeinträchtigung des Geruchssinns (Hyposmie) oder bestimmte Störungen des Traumschlafs (die so genannte REM-Schlafverhaltensstörung) im Rahmen der Bruneck-Studie auf ihre Relevanz für die Vorhersage von Parkinson überprüft und bestätigt haben“. Auch in der Bildgebung liegt besonderes Potenzial. Mittels Ultraschall und MRI konnte das Forschungsteam um Prof. Seppi vielversprechende Biomarker identifizieren, die schon in frühen Stadien eine Differentialdiagnose, etwa zu den maligneren Varianten der degenerativen Parkinsonformen, den sogenannten atypischen Parkinsonsyndromen wie die MSA (Multiple System Atrophie), ermöglichen. Ein in Kooperation mit der Univ.-Klinik für Neuroradiologie (Leiterin Univ.-Prof.in Dr.in Elke Gizewski) und dem Forschungsbereich für Computational Neuroscience der Univ.-Klinik für Neurologie (Leiter Univ.-Prof. Dr. Christoph Scherfler) speziell entwickeltes Magnetresonanztomographie-Protokoll kann in Kombination mit weiteren klinischen Kriterien zur Optimierung einer frühen Parkinsondiagnose beitragen. Mit dem Direktor der Univ.-Klinik für Neurologie, Prof. Poewe und Prof. Seppi sowie weiteren ForscherInnen ist die Medizinische Universität Innsbruck außerdem Partner in großen Forschungskonsortien wie etwa der FAIR-PARK-II Studie, in dem die Wirksamkeit einer Eisen-bindenden Therapie in einem H2020 Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union überprüft wird, oder dem EU-Projekt SYMPATH. Das aus dem 7. Rahmenprogramm der Europäischen Union geförderte Forschungsvorhaben zielt auf die klinische Entwicklung therapeutischer Impfstoffe gegen das Parkinson Protein Alpha-Synuclein zur Behandlung von Parkinson und MSA. Ein besonderes Anliegen ist für Prof. Seppi auch die Evidenzbasierte Medizin (EBM). Als Mitglied des EBM Komitees der International Parkinson and Movement Disorder Society (MDS) und Leiter der AG für nicht-motorische Symptome ist er für die stetige Aktualisierung von Behandlungsrichtlinien für motorische und nicht-motorische Störungen im Rahmen der Parkinsonerkrankung verantwortlich. Aktuelle evidenzbasierte Studien unter der Beteiligung von Prof. Seppi betreffen zudem auch das Management der Huntington-Krankheit und die Diagnostik für MSA.
Ausgestattet mit einem Impact Factor von knapp 1300, einem Hirsch-Index von 43 und einer Publikationsleistung von über 200 wissenschaftlichen Arbeiten ist die Wahl des Südtiroler Beirats für Forschung, der aus international anerkannten ForscherInnen und ProfessorInnen sowie aus VertreterInnen von Südtiroler, Trentiner und Tiroler Forschungsinstitutionen besteht, in diesem Jahr also auf einen sehr produktiven und engagierten Wissenschafter gefallen. Der Preis, der alle zwei Jahre verliehen wird und dazu dient, „die Forschungsaktivität der Südtiroler anzuregen und deren Bedeutung stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken“ (LH Arno Kompatscher), steht allen Wissenschaftsdisziplinen offen.
(D. Heidegger)
Links:
Südtiroler Wissenschaftspreis
http://www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=561109
Univ.-Klinik für Neurologie
https://www.i-med.ac.at/neurologie/
MDS-EBM
http://www.movementdisorders.org/MDS/Resources/Publications-Reviews/EBM-Reviews1.htm
Parkinson´s Progression Marker Initiative
http://www.ppmi-info.org/
EU-Projekt SYMPATH
http://sympath-project.eu/?lang=de
Bruneck-Studie
https://www.i-med.ac.at/neurologie/forschung/atherosklerose/documents/Praesentation_Bruneck_Studie.pdf