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Michael W. Hess, Iris M. Krainer, Georg F. Vogel, Thomas Müller und Lukas Huber: Vorbildliches Beispiel für Zusammenarbeit von Grundlagen- und klinischer Forschung am Standort Innsbruck. Foto: MUI/ B. Hoffmann-Ammann.

Überraschende Entdeckung bei Seltener Erkrankung: Neuer Gendefekt entschlüsselt

Neue Erkenntnisse zur Ursache einer Durchfallerkrankung bei Säuglingen und Kleinkindern hat eine Innsbrucker Forschungsarbeit gebracht: International vernetzte Teamarbeit und die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen Grundlagen- und klinischer Forschung haben die Entschlüsselung eines weiteren Gendefektes für die Mikrovillus Einschlusserkrankung (MVID) ermöglicht. Darüber hinaus konnte die Ursache für chronische Durchfälle bei einer weiteren Seltenen Krankheit (FHL5) geklärt werden.

Wenn der Direktor der Innsbrucker Sektion für Zellbiologie, Lukas Huber, und der Direktor der Univ.-Klinik für Pädiatrie I, Thomas Müller, von ihrer jüngsten Forschungsarbeit berichten, klingt das wie eine spannende Forschungsgeschichte: Die Entschlüsselung eines weiteren Gendefekts für die Mikrovillus Einschlusserkrankung (MVID) nimmt in Ulm seinen Anfang. Dort beschäftigt sich der leitende Oberarzt am Universitätsklinikum Ulm, Carsten Posovszky, mit der Erforschung der Seltenen Erkrankung FHL5. Diese aggressive, grundsätzlich „hyperinflammatorische“ Erkrankung des Immunsystems betrifft insbesondere Säuglinge bis zum 18. Monat. Die Betroffenen haben nicht nur eine Panzytopenie, also eine starke Verminderung der Blutzellen, und eine vergrößerte Leber sowie Milz, sondern auch Fieberschübe und präsentieren sich damit ähnlich wie eine maligne Erkrankung.  „Eine kurative Behandlung ist nur mit einer Stammzelltransplantation möglich“, erklärt Kinderarzt Thomas Müller. In der Folge haben die behandelten Säuglinge allerdings oft eine chronische Durchfallerkrankung, die bisher mit dem geschwächten Immunsystem und rezidivierenden Infektionen der Kleinkinder in Verbindung gebracht wurde. Allerdings stellt der Ulmer Kinderarzt bei weitergehenden, pathologischen Untersuchungen fest, dass der Darm der Kinder dieselben Auffälligkeiten zeigt, wie bei einer MVID: Das bedeutet im Epithel des Darmes fehlt der Bürstensaum. Das hat zur Folge, dass die Nährstoffaufnahme gravierend gestört ist. Da Innsbruck das weltweit führende Zentrum für die MVID Erforschung ist, wendet sich Posovszky an seine KollegInnen an der Medizinischen Universität Innsbruck. Das ForscherInnenteam um Lukas A. Huber und Thomas Müller in Innsbruck vermutet schon seit längeren, dass Mutationen in Munc18-2, ein bekannter Auslöser für FHL5, auch bei chronischen Durchfallerkrankungen eine entscheidende Rolle spielt. 

Wachter-Preisträger Hans Clevers hilft bei der Aufklärung
Mit Unterstützung des Wachter-Preisträgers 2016 und seinem Team, dem niederländischen Immunologen und Stammzellenforscher Hans Clevers, werden daraufhin in Innsbruck mit den Proben der PatientInnen aus Ulm sogenannten Organoide hergestellt, also die spezifischen Därme der kleinen PatientInnen im Labor rekonstruiert. Zusätzlich dienten Zellmodelle bei der Aufklärung der Ursache. So gelingt der Nachweis, dass der Verlust der MUNC 18-2 Funktion dazu führt, dass es zu einer Veränderung im Bürstensaum der FHL5 PatientInnen kommt. Das ist der Grund für die Durchfallerkrankung bei den Betroffenen selbst nach einer Knochenmarkstransplantation. „Damit ist uns der Nachweis gelungen, das ein MUNC 18-2 Defekt eine weitere Ursache für MVID ist“, erklärt Lukas A. Huber. Diese Erkenntnis hat auch Auswirkung für die kleinen PatientInnen mit FHL5. „Wir ersparen ihnen sinnlose und unbeliebte Diäten, weil wir jetzt wissen, dass nicht ein angegriffenes Immunsystem oder Infektionen, sondern der ursprüngliche Gendefekt der im Darmepithel ja weiter besteht, Ursache für die Durchfälle nach der Knochenmarktransplantation sind“, ergänzt Kinderarzt Thomas Müller. Eine MUNC18-2 Mutation ist zum Glück nur der Auslöser für eine vergleichsweise schwache Verlaufsform von MVID. Insgesamt haben Innsbrucker ForscherInnen unter der Federführung des an der Pädiatrie I tätigen Humangenetikers Andreas Janecke in den vergangenen Jahren nun insgesamt sechs Gendefekte (SPINT2, NHE3, GUCY2C, Myo5B, Syntaxin3, MUNC18-2) entschlüsseln können, die für gravierende Durchfallerkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern verantwortlich sind.

Publikation:

Disrupted apical exocytosis of cargo vesicles causes enteropathy in FHL5 patients with Munc18-2 mutations“ AutorInnen: Georg F. Vogel, Jorik M. van Rijn, Iris M. Krainer,  Andreas R. Janecke, Carsten Posovszky, Marta Cohen, Claire Searle, Prevost Jantchou, Johanna C. Escher, Natalie Patey, Ernest Cutz, Thomas Müller, Sabine Middendorp, Michael W. Hess and Lukas A. Huber. (JCI Insight 2017; 2 (14))

(B. Hoffmann-Ammann)

 

Weitere Informationen:

- MyPoint Beitrag: Aufgeklärt: Krankheitsrelevante Mechanismen der lebensbedrohlichen Durchfallerkrankung MVID

- Univ.-Klinik für Pädiatrie I

- Sektion für Zellbiologie

- Sektion für Histologie und Embryologie

- Biozentrum Innsbruck

- Wachterstiftung

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