Glykoprotein Afamin: Neue Einblicke in Struktur und Funktion
Mit der Aufklärung der molekularen Struktur des Glykoproteins Afamin – einem vielseitigen Transporter und Biomarker im Blutplasma, dessen erhöhte Werte mit allen etablierten Komponenten des metabolischen Syndroms assoziiert sind – liefert ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Bernhard Rupp aus der Sektion für Genetische Epidemiologie einen wichtigen Beitrag für die Strukturbiologie und die biomedizinische Atherosklerose- und Zellsignal-Forschung.
Das Cell Press Journal Structure berichtet in seiner Dezember-Ausgabe (ePub ahead of print 16 November) über die weitreichenden Erkenntnisse eines Teams um den Strukturbiologen Bernhard Rupp, die einen detaillierten Einblick in die molekulare Struktur von Afamin und dessen Funktion als vielseitiger Transporter von schwer wasserlöslichen Molekülen bieten.
Innsbrucker Expertise
Die Erforschung des Glykoproteins Afamin hat an der Sektion für Genetische Epidemiologie (Direktor: Florian Kronenberg) bereits seit vielen Jahren Tradition. Der Grundstein zu den Afamin-Forschungsarbeiten in Innsbruck wurde ursprünglich durch Hans Dieplinger gelegt, der das Protein seit mehr als 20 Jahren mittels verschiedenster Forschungsansätze bearbeitet und ein Nachweisverfahren zur quantitativen Messung der Afamin-Konzentration im Blutplasma entwickelt hat. In einer Meta-Analyse von Daten von mehr als 20.000 Menschen konnten die Innsbrucker ForscherInnen erst kürzlich die Bedeutung einer erhöhten Afaminkonzentration als Risikofaktor für die Entstehung von Typ 2 Diabetes im Menschen belegen. Zudem wurde 2016 durch eine unabhängige Entdeckung bekannt, dass Afamin die in der Embryonalentwicklung und im Krebsgeschehen wichtigen Wnt Signalproteine binden kann. Besonders schwer zu verstehen war dabei, warum und wie Afamin den wasserunlöslichen Fettsäure’schwanz‘ von Wnt Proteinen binden kann und das Wnt Molekül dadurch wasserlöslich und zwischen den Körperzellen transportierbar wird. Der Wnt-Signalweg ist nach seinem Liganden „Wnt“ benannt, der als Wachstumsfaktor relevanten Einfluss auf die Entwicklung verschiedener tierischer oder menschlicher Zellen nimmt.
Röntgenblick auf Afamin
Um Fragen, wie: Welche Klassen von kleinen Molekülen wie Arzneistoffe oder fettlösliche Vitamine an Afamin binden können, oder wie es als Transporter für die wichtigen Wnt Signalproteine funktioniert, beantworten zu können, wurde nun im Rahmen eines vom FWF geförderten Projekts die molekulare Struktur von Afamin aufgeklärt. Dazu wurden kleine Kristalle von Afamin in winzigen Lösungs-Tröpfchen gezüchtet und aus den Röntgenstreudaten der Kristalle ein detailliertes Strukturmodell erstellt. „Das auf der Afamin Kristallstruktur basierende Modell des Afamin-Wnt Komplexes lieferte uns eine plausible Erklärung dafür, wie Afamin in der Lage ist, die Fettsäurekette des Wnt-Signalproteins aufzunehmen, und dabei die Löslichkeit der Wnt Proteine zu erhöhen“, erklärt Erstautor und PhD-Student Andreas Naschberger.
Die anspruchsvolle Strukturbestimmung wurde durch den Zugang zu Europas stärkster Röntgenstrahlquelle (ESRF, European Synchrotron Radiation Facility) in Grenoble ermöglicht. Durch vollständige Automation der MASSIF-1 Experimentalstation können hunderte Kristalle unbeaufsichtigt auf zur Strukturbestimmung ausreichende Qualität der Röntgenstreuung untersucht werden. „In Verbindung mit leistungsstarken Detektoren ist es damit heute auch kleinen Forschungsgruppen möglich, an komplexe Fragestellungen der Strukturbiologie und Biomedizin auf höchstem technischen Niveau heranzugehen“, kommentiert Bernhard Rupp, der mit über 150 Publikationen und als anerkannter Buchautor wesentlich zur Methodik von Kristallstrukturbestimmungen beigetragen hat.
(B. Rupp / D. Heidegger)
Links:
Structural evidence for a role of the multifunctional human glycoprotein afamin in Wnt transport Structure. Naschberger, A., Orry, A., Lechner, S., Bowler, M.W., Nurizzo, D., Novokmet, M., Keller, M.A., Oemer, G., Seppi, D., Haslbeck, M., Pansi, K., Dieplinger, H. and Rupp, B. (2017). Structure.
https://doi.org/10.1016/j.str.2017.10.006
Plasma concentrations of afamin are associated with prevalent and incident type 2 diabetes: A pooled analysis in more than 20,000 individuals. Kollerits, B., Lamina, C., Huth, C., Marques-Vidal, P., Kiechl, S., Seppälä, I., Cooper, J., Hunt, S.C., Meisinger, C., Herder, C., et al. (2017). Diabetes Care.
https://doi.org/10.2337/dc17-0201
Sektion für Genetische Epidemiologie
http://www3.i-med.ac.at/genepi/
ESRF
http://www.esrf.eu/MASSIF_PUBS
Dectris Newsroom
https://www.dectris.com/company/news/newsroom/success-story-details/featured-beamline-massif-1-at-the-esrf
Einführung in die Proteinkristallographie
https://tinyurl.com/yjygq4v