Internationale „Woche des Gehirns“: ExpertInnen geben Einblick in die neuesten Forschungserkenntnisse
Mit seinen 100 Milliarden Nervenzellen ist das Gehirn eines der faszinierendsten Organe und wichtigste Schaltzentrale des Menschen. Im Rahmen der weltweiten „Woche des Gehirns“ (Brain Awareness Week) geben ForscherInnen in Innsbruck Einblicke in die neuesten Erkenntnisse der Neurowissenschaften. Die öffentlichen Vorträge finden vom 12. bis 16. März 2018 von Montag bis Freitag jeweils um 18:30 Uhr, im Centrum für Chemie und Biomedizin (CCB, Innrain 80-82) statt. Der Eintritt ist frei.
Warum lösen bestimmte Gerüche Gefühle aus? Wie wirken Meditation und Yogaübungen auf das Gehirn? Wird Parkinson heilbar? Können Stammzellen Hirnverletzungen heilen? Wie viel Schlaf braucht unser Gehirn? Diese und weitere Fragen beantworten ExpertInnen im Rahmen der internationalen „Woche des Gehirns 2018“ in Innsbruck. Die Vorträge vermitteln spannende, neue Informationen über das Gehirn, dessen Nervenbahnen eine Länge von rund 5,8 Millionen Kilometern erlangen. Das Gehirn steuert alle lebenswichtigen Funktionen des Menschen und verbraucht dabei weniger Energie als eine Glühbirne. Das menschliche Gehirn besitzt etwa 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen). Diese sind wiederrum durch rund 100 Billionen Synapsen miteinander verbunden. Damit hat das Gehirn mehr solcher Schaltstellen, als die Milchstraße Sterne.
Neurowissenschaften: Forschungserkenntnisse für neue Therapien
Im Rahmen der internationalen „Woche des Gehirns“ machen ForscherInnen weltweit auf die Bedeutung der Neurowissenschaften aufmerksam. „Wir haben in den letzten Jahrzehnten sehr viel über das Gehirn und seine Funktionsweise erforschen können. Sehr viele Mechanismen sind bisher aber unbekannt. Wir brauchen daher weitere Forschungsarbeiten, um neue Therapien entwickeln können“, erklärt die Neurobiologin Christine Bandtlow, Vizerektorin für Forschung und Internationales der Medizinischen Universität Innsbruck.
Erkrankungen des Gehirns sind weit verbreitet: Bereits jeder vierte Mensch in der EU hat eine neurologische, neurodegenerative oder psychische Erkrankung. Die Neurowissenschaften sind ein Forschungsschwerpunkt der Medizinischen Universität Innsbruck. Es gibt in diesem wichtigen Bereich auch eine enge Zusammenarbeit mit WissenschafterInnen der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Die Vorträge in der „Woche des Gehirns“ in Innsbruck werden daher von WissenschafterInnen beider Universitäten gehalten.
Überblick Programm der Woche des Gehirns in Innsbruck
12.03., Geruch und Gehirn
Herbert Riechelmann (Univ.-Klinik für HNO)
13.03., Wird Parkinson heilbar? – Aktuelles aus der Forschung
Werner Poewe (Univ.-Klinik für Neurologie)
14.03., Meditation, Yoga und Hirnforschung
Nicolas Singewald (Institut für Pharmazie)
15.03., Stammzellen: Hoffnungen für Hirnerkrankungen?
Frank Edenhofer (Institut für Molekularbiologie)
16.03., Bedeutung des Schlafs für die Gehirngesundheit
Birgit Högl (Univ.-Klinik für Neurologie)
Hintergrundinformationen zu den Vorträgen
Geruch und Gehirn (12.03., 18:30 Uhr)
Mit dem Riechsinn kann der Mensch chemische Substanzen (Moleküle) in der Luft wahrnehmen, die über die Nase eingeatmet werden. Die Wahrnehmung von Gerüchen erfolgt über komplexe Strukturen aus Eiweiß, sogenannte Rezeptoren, in der Hülle von Riech-Sinneszellen, die im Nasendach vorkommen. Der Mensch verfügt über ca. 350 spezielle Rezeptoren für unterschiedliche Riechsubstanzen. In Kombination können damit viele tausend Gerüche unterschieden werden. Von den Riechsinneszellen ziehen Nervenfasern durch feine Löcher im knöchernen Nasendach in das Schädelinnere und erreichen dort Hirnareale wie z. B. das limbische System, das für unsere Gefühlswelt wichtig ist. „Deswegen können Gerüche bei uns Gefühle auslösen, ohne dass uns das bewusst wird“, erklärt Herbert Riechelmann, Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für HNO. „Im Alltag nutzen wir Menschen zwar in erster Linie das Sehen und Hören, der Riechsinn beeinflusst unser Leben aber wahrscheinlich stärker als uns bewusst ist. Es ist ein unterschätzter Sinn, über den es viel Interessantes zu berichten gibt.“
Wird Parkinson heilbar? (13.03., 18:30 Uhr)
Die Parkinson-Krankheit ist nach der Alzheimer-Erkrankung die zweithäufigste, sogenannte neurodegenerative Erkrankung des Gehirns. Derzeit sind weltweit zwischen sechs und acht Millionen Menschen erkrankt und diese Zahl dürfte sich in den nächsten Jahrzehnten auf bis zu 14 Millionen erhöhen. Für die Behandlung der Parkinson-Erkrankung stehen zwar zahlreiche hochwirksame Therapieformen zur Verfügung, dennoch kann das Fortschreiten der Erkrankung bislang nicht verhindert werden. Das zentrale Ziel der Parkinson-Forschung ist daher weiterhin, das Fortschreiten deutlich zu verzögern oder ganz verhindern zu können. Damit einhergehend besteht die Notwendigkeit der Früherkennung, da nur bei möglichst frühem Beginn eine optimale Wirkung von solchen, neuen Therapien möglich erscheint. In der Forschung hat es in den letzten Jahren bedeutsame Fortschritte gegeben. „Die Parkinson-Arbeitsgruppe an der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck ist dabei aktiv an Projekten zur Identifikation von Risikomarkern der Parkinson-Erkrankung und ihrer möglichen Anwendung im Rahmen von Bevölkerungs-Screenings beteiligt“, erklärt Werner Poewe, Direktor der Univ.-Klinik für Neurologie.
Meditation, Yoga und Hirnforschung (14.03., 18:30 Uhr)
Kann man durch regelmäßige Mediationspraktiken besser mit Stress, Angst und Schmerzen umgehen, Emotionen effektiver regulieren? Sind Effekte im Gehirn nachweisbar? Ist es möglich, Therapien bestimmter Erkrankungen durch diese Verfahren zu ersetzen bzw. zu ergänzen? Schon seit Jahrtausenden berichten Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen über erstaunliche Wirkungen von Meditation, Yoga und ähnlichen Praktiken auf das geistige und körperliche Wohlbefinden. Eine wachsende Zahl an wissenschaftlichen Studien untersucht die resultierenden Effekte. Im Rahmen der „Woche des Gehirns“ gibt der Neuropharmakologe Nicolas Singewald von der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck einen Überblick zum aktuellen Stand der Forschung. „Ich betrachte die Auswirkungen von Meditation, Achtsamkeitstraining, Yoga auf den Körper und insbesondere auf das menschliche Gehirn aus der Sicht des kritischen Neurowissenschafters“, sagt Nicolas Singewald, der am Institut für Pharmazie unter anderem zur der Entwicklung neuer Therapiestrategien für Angsterkrankungen und anderen stress-assoziierten Störungen forscht.
Stammzellen: Hoffnung für Hirnerkrankungen? (15.03, 18:30 Uhr)
Der Mythos von Unsterblichkeit und ewiger Jugend begleitet die Menschheit seit Anfang an - doch die Verwirklichung blieb und bleibt in unerreichbarer Ferne. Oder doch nicht? Neue Ergebnisse der Forschung an zellbiologischen regenerativen Prozessen zeigen, dass zumindest auf zellulärer Ebene eine offensichtlich uneingeschränkte Regeneration möglich ist. Dabei stehen Stammzellen im Mittelpunkt – sie sind die Alleskönner unter den Zellen und an vielen Regenerationsprozessen des Körpers beteiligt. Die vom japanischen Forscher Shinya Yamanaka 2006 publizierte und 2012 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Entdeckung der künstlichen Erzeugung von Stammzellen durch Zell-Reprogrammierung leitete eine biomedizinische Revolution ein. Reprogrammierte Zellen werden heute zum Studium diverser neurologischer Erkrankungen, wie z.B. der Alzheimer- und Parkinson-Krankheit, sowie der Multiplen Sklerose verwendet. Auch sind erste Versuche zur Zell-Ersatz-Therapie mittels reprogrammierter Zellen im Tierversuch vielversprechend und derzeit in klinischer Testung. Wissenschaftliche Arbeiten von Frank Edenhofer vom Institut für Molekularbiologie der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck haben gezeigt, dass die Transplantation von Gehirnstammzellen die Entzündungslast am Ort der Kopfverletzung reduzieren kann. Edenhofers Team hat dazu ein Verfahren entwickelt, welches die direkte Reprogrammierung von Hautzellen eines Patienten in Gehirnstammzellen erlaubt.
Bedeutung des Schlafs für die Gehirngesundheit (16.03, 18:30 Uhr)
Zum Abschluss des Programms der „Woche des Gehirns“ in Innsbruck erläutert die Leiterin des Innsbrucker Schlaflabors der Univ.-Klinik für Neurologie (Direktor: W. Poewe) die Bedeutung des Schlafs für die Gehirngesundheit. Am 16. März 2018 ist auch der „Welttag des Schlafes“. Im März 2018 fallen also gleich zwei internationale Awareness-Kampagnen zusammen, die auch inhaltlich in Verbindung stehen: Neueste Erkenntnisse belegen den Zusammenhang von neurodegenerativen Erkrankungen und Schlafstörungen.
(B. Hoffmann-Ammann)
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