Welche Rolle spielt das Protein Sprouty2 bei aggressiven Gehirntumoren?
Auf unerwartete Erkenntnisse ist Jongwhi Park, PhD-Student im neurowissenschaftlichen Doktoratskolleg SPIN, gestoßen. Seine Forschungsarbeit ist an der Innsbrucker Sektion für Neuroanatomie (Direktor: Lars Klimaschewski) entstanden und bietet überraschende Einblicke in die Rolle von Sprouty2 bei Glioblastomen, einer sehr aggressiven Art von Gehirntumoren.
„Als ich 2005 mit meinen neurowissenschaftlichen Forschungsarbeiten begonnen habe, war die durchschnittliche Überlebensrate der Patientinnen und Patienten mit einem Glioblastom 15 Monate“, erklärt Jongwhi Park, Erstautor der Forschungsarbeit zu Sprouty2, die vor kurzem im führenden Hirntumor-Journal „Neuro-Oncology“ veröffentlicht worden ist. Fieberhaft wird daher nach neuen Ansätzen für die Entwicklung einer besseren Therapie gesucht. Hierbei leistet die Grundlagenforschung einen entscheidenden Beitrag. Durch die Aufklärung von molekularen Mechanismen, die das Tumorwachstum steuern, können neue Ansätze für eine Behandlung entwickelt werden. Vor diesem Hintergrund sind die Innsbrucker Forschungserkenntnisse zur Rolle von Sprouty2 bei bösartigen Hirntumoren von besonderem Interesse.
Gerade der translationale Ansatz der neurowissenschaftlichen Forschung, der durch das Innsbrucker Doktoratskolleg SPIN gefördert wird, war eine Motivation für den Jungwissenschafter Park an die Medizinische Universität Innsbruck zu kommen. Das seit 2007 an der Medizinischen Universität Innsbruck etablierte und in Österreich einzigartige neurowissenschaftliche Doktoratskolleg SPIN ("Signalverarbeitung in Nervenzellen / Signal Processing in Neurons") beschäftigt sich mit dem Aufbau und der Funktionsweise des Nervensystems. Neben der experimentellen molekularbiologischen Grundlagenforschung gehen ForschungsleiterInnen und Studierende auch den medizinischen Fragestellungen zu Ursachen und Heilungsmöglichkeiten von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen nach.
Überraschende Erkenntnisse: Ohne Sprouty2 kein Tumorwachstum
In Analysen menschlicher Hirntumore wurde festgestellt, dass bei Tumorerkrankungen wie dem Glioblastom mehr Sprouty2 gebildet wird als im gesunden Gewebe. Dies ist besonders auffällig, da aufgrund seiner hemmenden Wirkung auf die Zellteilung Sprouty2 bei den meisten anderen Tumorerkrankungen herunterreguliert wird. „Es hat sich aber gezeigt, dass bei schnellwachsenden Glioblastomen der Sprouty2-Level besonders hoch ist“, erklärt Jongwhi Park. „Daher haben wir angenommen, dass Sprouty2 ein wichtiger Faktor für das Wachstum von Glioblastomen ist. Aufgrund der bekannten Funktionsweise des Proteins mussten wir aber eigentlich davon ausgehen, das durch Sprouty2 ein bestimmter Signalweg (Ras/Raf/ERK) gehemmt und damit die Zellteilung vermindert wird.“ Im Tierversuch zeigte sich dann aber etwas ganz Anderes: Bei Mäusen, denen humane Hirntumorzellen mit reduziertem Sprouty2 implantiert wurden, kommt es zu keinem weiteren Wachstum der Glioblastome im Vergleich zur Kontrollgruppe. Als nach neun Wochen das Protein mit Hilfe modernster Biotechnologie wieder eingeschaltet wurde, begannen die Gehirntumore erneut zu wachsen. Die hierfür erforderlichen Methoden erlernte Jongwhi Park im Team von Stephan Geley an der Sektion für Molekulare Pathophysiologie (Leiter: Arno Helmberg).
Wichtige Erkenntnisse für Therapieentwicklung
Die Forschungserkenntnisse könnten dazu beitragen, neue Therapien für die Behandlung von Hirntumoren zu entwickeln. „Wir haben herausgefunden, dass Glioblastome Sprouty2 nutzen, um Signalwege zu bremsen, die bei zu starker Aktivierung zu einem Stop der Zellteilung und zum Zelltod führen“, erklärt Lars Klimaschewski. Dementsprechend sind bei der Entwicklung neuer Therapien völlig neue Denkansätze möglich: Während bisher versucht wurde, das Zellwachstum mit Signal-Blockern zu unterdrücken, wird zukünftig möglicherweise ein völlig gegensätzlicher Ansatz gewählt: Theoretisch wäre es denkbar, durch eine gezielte Übersteuerung von Zellteilungs-fördernden Signalwegen das Tumorwachstum zu stoppen. Allerdings existiert bisher kein Hemmstoff, der es ermöglichen würde, Sprouty2 auch beim Menschen auszuschalten. Jongwhi Park und seine ForschungskollegInnen arbeiten daher intensiv mit dem Team von Dr. Guido Wollmann von der Sektion für Virologie (Direktorin: Dorothee von Laer) zusammen. Mit Hilfe einer neuen Lentivirus-basierten Therapie soll Sprouty2 in Zukunft nicht nur bei Hirntumoren, sondern auch bei anderen neurologischen Erkrankungen herunterreguliert werden. Denn in früheren Arbeiten konnte die Arbeitsgruppe um Klimaschewski zeigen, dass dieser Ansatz auch bei der Epilepsie und beim Schlaganfall erfolgversprechend sein könnte. Bis es soweit ist, muss allerdings noch sehr viel geforscht werden.
(B. Hoffmann-Ammann)
Publikation:
“Sprouty2 enhances the tumorigenic potential of GBM cells”, AutorInnen: Jongwhi Park, Guido Wollmann, Carles Urbiola, Barbara Fogli, Tullio Florio, Stephan Geley, Lars Klimaschewski (Neuro-Oncology)
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