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Gefunden: Schlüssel zu nebenwirkungsarmen Opiaten

Opiate zählen zu den wichtigsten Medikamenten in der Schmerztherapie, haben aber schwere Nebenwirkungen wie Abhängigkeit oder Hemmung des Atemzentrums. Für die Entwicklung nebenwirkungsarmer Substanzen wäre es wichtig, erwünschte von unerwünschten Wirkungen pharmakologisch zu trennen. Mit der innovativen Zusammenarbeit von Forschern des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried, der Medizin Uni Innsbruck, der Uni Innsbruck und der Temple University, USA, rückt dieses Ziel näher.

Der Kappa Opioid Rezeptor (KOR) ist ein zentraler Angriffspunkt für starke Schmerzmittel auf Opiatbasis und wäre ein sehr guter Ersatz für Mü Opiod Rezeptoren, die das Ziel der meisten Opiate sind. KOR basierte Schmerzmittel haben zwar kein Suchtpotential, allerdings führt die Stimulation dieser Rezeptoren zu Dysphorie (Gereiztheit) und anderen Nebeneffekten. In der Entwicklung nebenwirkungsarmer Schmerzmittel haben es ForscherInnen mit dem Phänomen der „funktionellen Selektivität“ (biased agonism) zu tun. Dabei wird einer von mehreren Signaltransduktionswegen bevorzugt aktiviert, womit unterschiedliche Effekte ausgelöst werden. Eine für die Arzneimittelentwicklung essentielle Erkenntnis, die bislang zwar in der Zellkultur nachweisbar, dann aber in vivo nicht mehr feststellbar war. Damit bleibt eine Vorhersage der Effekte bzw. eine gezielte Ausschaltung unerwünschter Nebenwirkungen erschwert.

Phosphoproteomik schlägt Brücke von in vitro zu in vivo
Mit den soeben im Top-Journal Science veröffentlichten Erkenntnissen aus einer gemeinsamen Forschungsarbeit unter der Federführung des Biochemikers und Physikers Matthias Mann (Direktor am Max-Planck Institut für Biochemie in Martinsried) und Christoph Schwarzer,  Pharmakologe an der Medizinischen Universität Innsbruck, könnte diese Lücke zwischen pharmakologischen Zellmodellen und Untersuchungen im Mausorganismus nun geschlossen werden.
„Ein zufälliges Treffen auf einem Kongress zu Kappa-Rezeptoren im Jahr 2015 brachte mich mit dem Biophysiker Jeffrey J. Liu aus dem Team um Matthias Mann zusammen. Wir sprachen über massenspektrometriebasierte Phosphoproteomics-Technologien an seinem Institut und ob diese auch in vivo anwendbar wären – so kam unser Projekt ins Rollen“, erzählt Christoph Schwarzer, der am Institut für Pharmakologie zur Signaltransduktion, im Besonderen zu KOR aktivierten Signalwegen, forscht.

Für die Analyse setzten die Teams fünf verschiedene Substanzen ein, die in vivo unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Um die Unterschiede in der spezifischen Aktivierung der intrazellulären Signalwege feststellen zu können, wurde mittels Phosphoproteomics – einer Methodik zur Identifizierung und Quantifizierung von Proteinen – der Phosphorylierungsgrad der einzelnen Proteine sichtbar gemacht. „Mit dieser an der Abteilung von Matthias Mann entwickelten High-Tech-Methode lassen sich aus minimalsten Gewebeproben maximale Ergebnisse zum essentiellen biochemischen Prozess der Phosphorylierung ablesen. So konnten wir erstmals spezifisch in Gehirnregionen sehen, welche Signalwege aktiviert werden“, erklärt Schwarzer.

mTOR markiert Nebenwirkungen
Die Verabreichung der fünf verschiedenen Substanzen und die darauf folgende Überprüfung der Aktivierung in den verschiedenen Hirnabschnitten zu verschiedenen Zeitpunkten zeichnete dabei ein komplexes Bild:  Vor allem im Striatum, einem hochkomplexen motorischen und emotionalen und für dysphorische Wirkungen verantwortlicher Regelkreis des Großhirns, wurden deutliche Unterschiede zwischen Substanzen, die Aversion auslösen und solchen, die das nicht tun, beobachtet. „Wir sahen, dass die Aktivierung des mTOR Signalweges die herausragende Gemeinsamkeit bei jenen Substanzen ist, die Aversionen machen“, so Schwarzer.
Nach dem Vergleich der in vitro und in vivo Daten mittels Quantifizierung von über 50.000 Phosphorylierungsstellen kommen die Forscher nun zum Schluss, dass letztlich die Aktivierung von mTOR im Striatum ein relevanter Maßstab für die Vorhersage von erwünschten und unerwünschten Nebenwirkungen darstellt. Diese Aktivierung ist auch in neuronalen Zellkulturen zu beobachten bzw. auch bei Substanzen, die eigentlich keine Aversion erwarten lassen würden. Die Forscher empfehlen daher, auch in der Zellkultur-Analyse spezifisch auf die Aktivierung des mTOR Signalweges zu achten.

Vor dem Hintergrund der Opioid-Krise in den USA, wo die oft leichtfertige und missbräuchliche Verschreibung von Opiaten zu einer regelrechten Drogenepidemie geführt hat, kommt den Ergebnissen dieser innovativen Forschungskooperation besondere Bedeutung zu. Weitere gemeinsame Forschungsprojekte zum besseren Verständnis der Aktivierung von Signalwegen sind bereits in Planung.

(D. Heidegger)

Links:

In vivo Brain GPCR signaling elucidated by phosphoproteomics. Jeffrey J. Liu, Kirti Sharma, Luca Zangrandi, Chongguang Chen, Sean J. Humphrey, Yi-Ting Chiu, Mariana Spetea, Lee-Yuan Liu-Chen, Christoph Schwarzer* und Matthias Mann*.
http://dx.doi.org/10.1126/science.aao4927

Institut für Pharmakologie
https://www.i-med.ac.at/pharmakologie/index.html.de

Forschungsbereich Christoph Schwarzer
https://www.i-med.ac.at/pharmakologie/forschung/research_schwarzer.html

Max-Planck Institut für Biochemie / Proteomics und Signaltransduktion
http://www.biochem.mpg.de/266417/mann_slider

 

 

 

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