Epigenetische Analyse von aggressiven Hirntumoren
Glioblastome sind Hirntumore mit einer schlechten Prognose. Eine österreichische Studie zeigt auf, wie die epigenetische Analyse von Tumorproben aus dem klinischen Alltag für eine bessere Diagnostik und mittelfristig auch eine gezieltere Behandlung von Glioblastomen verwendet werden kann. An der Arbeit, die in „Nature Medicine“ veröffentlicht worden ist, waren auch ForscherInnen und ÄrztInnen der Medizinischen Universität Innsbruck beteiligt.
Glioblastome sind aggressive Hirntumore, die sich auf zellulärer Ebene oft stark voneinander unterscheiden. Dies führt trotz postoperativer, strahlentherapeutischer und medikamentöser Behandlung zu einer evolutionären Selektion mit rascher Resistenzentwicklung und Tumorprogression. Um wirksamere Therapien für Glioblastome zu entwickeln, ist es daher entscheidend, die molekularen Mechanismen der Resistenzentwicklung und der Tumorprogression besser zu verstehen.
Die epigenetische Regulation bei der Tumorbildung von Glioblastomen ist bisher weitgehend unerforscht. Ein Team um Christoph Bock, Forschungsgruppenleiter am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Co-Seniorautor, untersuchte in dieser neuesten Studie die Rolle der Epigenetik im Krankheitsverlauf von Glioblastomen. Dazu analysierten die WissenschafterInnen die DNA-Methylierung in Tumorproben von über 200 Glioblastom-PatientInnen.
Zusammenarbeit war entscheidend
In Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Wien und KlinikerInnen in acht Schwerpunktkrankenhäusern Österreichs, konnten so epigenetische Veränderungen identifiziert werden, die eng mit dem Krankheitsverlauf der Glioblastome assoziiert sind. Die neuen Erkenntnisse, die in Nature Medicine veröffentlicht wurden, erlauben außerdem eine bessere Einschätzung der Prognose einzelner PatientInnen auf Basis der gewonnenen epigenetischen Daten. Diese Forschungsarbeit basiert auf dem Österreichischen Hirntumorregister, das von Adelheid Wöhrer vom Institut für Neurologie der Medizinischen Universität Wien (Direktor: Johannes Hainfellner) und Co-Letztautorin der Studie, aufgebaut wurde und neben Innsbruck weitere Partner in ganz Österreich einbindet.
„Die österreichweite Zusammenarbeit war einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für die Studie“ erklärt Christian Freyschlag, stellvertretender Direktor der Univ.-Klinik für Neurochirurgie (Direktor: Claudius Thomé). Pro Jahr werden in Innsbruck rund 60 Glioblastome neurochirurgisch behandelt. „Die Zahl ist sehr konstant, aber insgesamt sind die Fallzahlen zu niedrig, so dass nur durch eine enge Kooperation mit anderen Zentren diese Hirntumore weitergehend erforscht werden können.“ Für die aktuelle Studie wurde nicht die DNA-Struktur der Glioblastome untersucht, sondern die Epigenetik. „Wenn wir den Tumor mit einem Text vergleichen heißt das, wir haben uns die Sätze angeschaut, nicht die Wörter“, verdeutlicht Freyschlag.
Durch die Kombination epigenetischer Daten mit bildgebenden Verfahren und digitaler Pathologie konnte diese Studie wichtige Gemeinsamkeiten von Glioblastomen auf molekularer, zellulärer und Organ-Ebene aufzeigen. Die neuen Erkenntnisse können nun zur besseren Sub-Klassifikation der Tumorerkrankungen herangezogen werden und liefern die Basis für eine personalisierte Behandlung von PatientInnen mit einem Glioblastom.
Hohe Expertise am Campus der Medizinischen Universität Innsbruck
Durch die enge Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen am Campus haben die Innsbrucker Univ.-Kliniken eine hohe Expertise in der Behandlung von Gehirntumoren. Seit 1994 gibt es so an der Univ.-Klinik für Neurologie (Direktor: Werner Poewe) die „Arbeitsgruppe Neuroonkologie“ unter der Leitung von Günther Stockhammer. Auch sein Team war an der Nature-Publikation beteiligt. Martha Nowosielski, Assistenzärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe, hat basierenden auf eigenen Vorarbeiten zur bildgebenden Charakterisierung von Hirntumoren, auch die PatientInnenkohorte der Nature-Publikation unter diesem Gesichtspunkt analysiert. „Die systematische Analyse der Entwicklung radiologischer Progressionstypen entstand aus der Idee heraus zu untersuchen, ob Resistenzmechanismen im Verlauf einer Glioblastom-Erkrankung auch radiologisch abgebildet werden können. Durch den direkten Vergleich der bildgebenden Daten mit den epigenetischen Daten konnten nun in dieser Arbeit ein weiterer, wichtiger Baustein gelegt werden, um den Tumor im Rezidiv besser charakterisieren zu können“, erklärt die Assistenzärztin.
Seine neuropathologische Expertise mit in das Paper eingebracht hat auch Johannes Haybäck. Der im Sommer 2018 neuberufene Professor für Klinische und Molekulare Pathologie der Medizinischen Universität Innsbruck hatte als Neuropathologe und Pathologe der Medizinischen Universität Graz an dem Kooperationsprojekt mitgearbeitet und mit histologischer Befundung, diagnostischer Klassifizierung und Sammlung von Präparaten unterstützt.
AutorInnen: Klughammer J*, Kiesel B*, Roetzer T, Fortelny N, Kuchler A, Nenning KH, Furtner J, Sheffield NC, Datlinger P, Peter N, Nowosielski M, Augustin M, Mischkulnig M, Ströbel T, Alpar D, Erguener B, Senekowitsch M, Moser P, Freyschlag CF, Kerschbaumer J, Thomé C, Grams AE, Stockhammer G, Kitzwoegerer M, Oberndorfer S, Marhold F, Weis S, Trenkler J, Buchroithner J, Pichler J, Haybaeck J, Krassnig S, Mahdy Ali K, von Campe G, Payer F, Sherif C, Preiser J, Hauser T, Winkler PA, Kleindienst W, Würtz F, Brandner-Kokalj T, Stultschnig M, Schweiger S, Dieckmann K, Preusser M, Langs G, Baumann B, Knosp E, Widhalm G, Marosi C, Hainfellner JA, Woehrer A#, Bock C# (*Diese Autoren haben gleichberechtigte Beiträge geleistet; #Diese Autoren haben die Studie gemeinsam geleitet). (Nature Medicine 27.08.2018)
Förderung:
Diese Studie wurde vom FWF der Wissenschaftsfonds, der Europäischen Union, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem ERC Europäischen Forschungsrat gefördert.
(Redaktion, B. Hoffmann-Ammann)
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