Zehnter „Ilse und Helmut Wachter-Preis“ an Pionier der Genforschung
An der Medizinischen Universität Innsbruck wurde am 1. Dezember zum zehnten Mal der renommierte Ilse und Helmut Wachter-Preis für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der medizinischen Forschung verliehen. Der diesjährige Preisträger, Matthias Hentze, Direktor des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg (D), erhielt die Auszeichnung für seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Feld der RNA Biologie.
„Die Arbeit von Matthias Hentze zur RNA-basierten Genregulation im Zytoplasma und zu RNA-bindenden Proteinen ist grundlegend und unorthodox. Er hat ein neues Forschungsfeld etabliert, das viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler inspiriert und sowohl die Grundlagenforschung als auch die Biomedizin maßgeblich vorangebracht hat“, freut sich Lukas Huber, Vorsitzender des Vorstands der Ilse & Helmut Wachterstiftung an der Medizinischen Universität Innsbruck über die Entscheidung des Preiskomitees.
Grundlagen
RNA greift steuernd in biologische Prozesse ein. „Das Hauptthema unserer Forschung sind biologische Kontroll- und Leitsysteme, wobei sich der größte Teil der Forschung um die Frage der Funktionsweise im gesunden Körper dreht, denn um Krankheiten verstehen zu können, muss man genau wissen, wie ein gesunder Organismus funktioniert“, erklärt Hentze. Die neuesten Erkenntnisse von ihm und seinem Team bieten enormes Potential. „Die RNA – und das ist unsere jüngste und bisher wohl spannendste Entdeckung – ist nicht nur ein gesteuertes Element, sondern sie greift auch steuernd in biologische Prozesse ein“, weiß der Molekularmediziner, dessen Erkenntnis direkte Auswirkungen auf die angewandte, translationale Forschung hat.
Bedeutung für Forschung in Innsbruck
Hentzes Erkenntnisse sind essentiell für das Verständnis der Regulation der Proteinsynthese im Zytoplasma (d.h. durch RNA-bindende Proteine oder microRNAs), die wiederum wichtig für die Entwicklungsbiologie, Hirnfunktion, Krebsentstehung und andere Erkrankungen ist. Mit der Entdeckung dieser Regulationsmechanismen gelangen ihm z.B. entscheidende Entdeckungen auf dem Gebiet des Eisenstoffwechsels und damit assoziierten Erkrankungen. Von Hentzes Forschungsleistungen am EMBL in Heidelberg profitiert neben dem Innsbrucker Onkologie-Schwerpunkt auch das heuer eröffnete Christian-Doppler Labor für Eisenmetabolismus und Anämieforschung an der Universitätsklinik für Innere Medizin II, in dem Klinikdirektor Professor Günter Weiss und sein Team eine systematische Analyse der Veränderungen des Eisenstoffwechsels bei Infektionen mit spezifischen Pathogenen (intrazelluläre versus extrazelluläre Bakterien) durchführen und die Effekte von oral bzw. intravenös aufgenommenem Eisen auf den Infektionsverlauf und die Immunantwort untersuchen. Mit Heidelberg verbunden ist auch die Sektion für Genomik und RNomik des Biozentrums, die international seit Jahren erfolgreich zur RNA-Forschung beiträgt. Direktor Alexander Hüttenhofer und sein Team widmen sich dabei hauptsächlich der funktionalen Untersuchung von Regulationsmechanismen der Genexpression durch sogenannte nicht-protein kodierende RNAs (ncRNAs) bei Erkrankungen von Morbus Alzheimer bis hin zum chronischen Nierenerversagen; zudem werden strukturelle und funktionelle Aspekte der ribosomalen RNA, einer weiteren wichtigen ncRNA, in der Proteinsynthese untersucht. Matthias Hentze war dabei einer der ersten Forscher, der neben Proteinen auch die Beteiligung von ncRNAs in der Regulation der Proteinsynthese im Zytoplasma analysiert hatte.
Prestigeträchtige Anerkennung
Von der Liste der bisherigen PreisträgerInnen zeigt sich Matthias Hentze beeindruckt. „In den Vergangenen Jahren wurden jeweils herausragende Arbeiten prämiert. Umso mehr freut es mich, dass meine Forschung direkt an die Erkenntnisse der ersten Wachter-Preisträger Avram Hershko und Aaron Ciechanover zum Ubiquitin-System, für die sie 2004 den Nobelpreis erhielten, anknüpfen. Die Forschung der beiden Nobelpreisträger ist höchst relevant für den Prozess der Autophagie, der als Müllentsorgungssytem von Zellen verstanden werden kann. „Unsere Erkenntnis, dass ein Protein von einem RNA Molekül kontrolliert werden kann, ordnet sich direkt in den Prozess der Autophagie ein“, erklärt Hentze.
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Info:
Der Ilse und Helmut Wachter-Preis ist ein hochdotierter Wissenschaftspreis (Preissumme von € 15.000.-) und wird für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Medizinischen Forschung verliehen. Die Einrichtung des Ilse und Helmut Wachter Preises an der Medizinischen Universität Innsbruck sowie der gleichnamigen Stiftung geht auf den Lebenswunsch Helmut Wachters zurück, dem im Jänner 2012 verstorbenen ehemaligen Vorstand des Instituts für Medizinische Chemie und Biochemie an der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck. Mit diesem Preis sollte seine Verbundenheit mit der Medizinischen Universität zum Ausdruck gebracht und deren Ansehen in der Welt gefördert werden. Die PreisträgerInnen werden von den Organen der Stiftung aus weltweit eingeholten Nominierungen ermittelt.
Vorstand Wachter-Stiftung:
- Lukas A. Huber, Direktor der Sektion für Zellbiologie am Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck;
- Dietmar Fuchs, Biozentrum, Medizinische Universität Innsbruck;
- Matthias Schmuth, Direktor Univ.-Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Medizinischen Universität Innsbruck;
Bisherige PreisträgerInnen:
- 2016: Hans Clevers für seine Entdeckungen in der Stammzellenforschung
- 2014: Alexander Levitzki für seine Entwicklung der Signaltransduktionstherapie
- 2012: Jean-Laurent Casanova für seine Arbeit über die Genetik von Infektionskrankheiten im Kindesalter
- 2010: William A. Catterall für seine Forschung auf dem Gebiet der Ionenkanalforschung
- 2007: Irving L. Weissman für seine Pionierarbeit in der Stammzell-Forschung
- 2005: Cynthia J. Kenyon für die Entdeckung von Regulationsmechanismen des Alterungsprozesses bei C. elegans
- 2003: Wolfgang P. Baumeister für die Aufklärung der Struktur und des Mechanismus des Proteasoms
- 2001: Hanns Möhler für die Aufklärung der Beeinflussbarkeit der Angst durch Benzodiazepine
- 1999: Avram Hershko & Aaron Ciechanover für die Aufklärung des Ubiquitin-Systems
European Molecular Biology Laboratory:
Das 1974 gegründete EMBL ist Europas Flaggschiff für Life Sciences mit mehr als 80 unabhängigen Forschungsgruppen, die das Spektrum der Molekularbiologie abdecken. Das Forschungsinstitut ist an den sechs Standorten Heidelberg, Barcelona, Hamburg, Grenoble, Rom und Hinxton vertreten.
(D. Bullock)
Links:
http://www.wachterstiftung.org