Neuer Zusammenhang: Anzahl der Mitochondrien korreliert mit Infektionsrisiko
Als Energiekraftwerke spielen Mitochondrien eine wichtige Rolle in der Zelle. Auch die Kopienanzahl mitochondrialer Genome pro Zelle ist von physiologischer Bedeutung und wird zunehmend mit der Entwicklung von Erkrankungen assoziiert. Mit einer an der Sektion für Genetische Epidemiologie entwickelten und gut standardisierten Methode zur Messung der mitochondrialen DNA-Kopienzahl war es nun möglich, einen Zusammenhang zwischen Mitochondrienanzahl und Infektionsrisiko herzustellen.
PatientInnen mit einer niedrigen Anzahl an mitochondrialen Genomen haben nicht nur häufiger eine kardiovaskuläre Erkrankung, sondern auch ein höheres Risiko, in den nächsten Jahren vor allem an Infektionen zu versterben oder wegen Infektionen stationär ins Krankenhaus aufgenommen werden zu müssen. Zu dieser erstmals nachgewiesenen Erkenntnis gelangt ein Team um Florian Kronenberg anhand der Messung der mitochondrialen DNA-Kopienzahl in mehr als 5.000 PatientInnen mit chronischen Nierenerkrankungen. "Mit dieser großen Anzahl an Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen haben wir eine sehr interessante Hochrisiko-Gruppe zur Hand, die wir bereits seit mehr als sechs Jahren prospektiv beobachten und in der wir jeden klinischen Zwischenfall genau erfassen – etwa auch, dass in den ersten vier Jahren leider bereits 342 Patienten verstorben sind “, betont Kronenberg, Mitbegründer der "German Chronic Kidney Disease Study" und Leiter der Sektion für Genetische Epidemiologie, an der bereits seit mehr als zehn Jahren erfolgreich zur Relevanz der Mitochondrien in der Entstehung komplexer Erkrankungen geforscht wird.
Methodisch abgesichert
Der Energiebedarf einer Zelle wird zum größten Teil durch zelleigene Kraftwerke – den Mitochondrien – gedeckt. Je nach Art der Gewebe können deren Zellen jeweils hunderte bis tausende Mitochondrien beinhalten, die wiederum mehrere Kopien ihrer eigenen mitochondrialen DNA besitzen. Zur Analyse von mitochondrialer DNA wurden an der Sektion, unter anderem von Hansi Weissensteiner, Lukas Forer und Sebastian Schönherr, bereits Softwarelösungen programmiert und auch als frei zugänglicher Service über den sogenannten mtDNA-Server zur Verfügung gestellt, der mittlerweile auch weltweit sehr gerne in Anspruch genommen wird.
„Neben diesen informatischen Ansätzen wurde in den letzten Jahren die Kopienanzahl mitochondrialer Genome pro Zelle zu einem wichtigen Arbeitsfeld, da man davon ausgeht, dass man mit dieser eine gute Abschätzung der Mitochondrienzahl machen kann und diese neben ihrer physiologischen Funktion auch in der Entwicklung von Erkrankungen eine Rolle spielen dürfte“, weiß Florian Kronenberg. In einem ersten Schritt musste also ein Verfahren entwickelt werden, mit welchem die Anzahl der mitochondrialen Genome ausreichend genau bestimmt werden kann. "Dies war für uns eine große Herausforderung, da bisherige Verfahren kaum standardisiert und reproduzierbar waren", erinnert sich Liane Fendt, unter deren Anleitung diese Methode gemeinsam mit Federica Fazzini etabliert wurde. Durch die Einführung eines Plasmids als internen Kalibrator gelang es, diese Messungen deutlich zu verbessern und für den Hochdurchsatz einsetzbar zu machen. "In dieser methodischen Arbeit haben wir auch auf zahlreiche Fallstricke für die Messung der mitochondrialen DNA-Kopienzahl aufmerksam gemacht, die bisher nicht bekannt waren", fasst Federica Fazzini diese in Scientific Reports publizierte Arbeit zusammen.
Reduktion der Mitochondrien-Anzahl
In einem nächsten wichtigen Schritt ging es um die Anwendung dieser Methode in einer großen klinischen Kohorte, deren Ergebnisse nun in der renommierten nephrologischen Zeitschrift Kidney International berichtet wurden. Bei der statistischen Auswertung der Daten zeigte sich, dass jenes Viertel der PatientInnen mit der niedrigsten Anzahl von mitochondrialen DNA-Kopien nicht nur häufiger eine kardiovaskuläre Erkrankung zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses hatten, sondern auch ein um 40 Prozent höheres Risiko, in den nächsten vier Jahren zu versterben. "Diese Patienten hatten vor allem ein um 82 Prozent höheres Risiko, an Infektionen zu versterben und auch ein deutlich erhöhtes Risiko, wegen Infektionen ins Krankenhaus aufgenommen zu werden", fasst Co-Autorin und Statistikerin Claudia Lamina diesen erstmals in der Literatur berichteten Befund zusammen. Der erhöhte oxidative Stress, dem PatientInnen mit Nierenerkrankungen ausgesetzt sind, dürfte dabei zu einer Reduktion der Anzahl von Mitochondrien und in weiterer Folge zu einer Erhöhung von kardiovaskulären Erkrankungen und Infektionen und einer erhöhten Mortalitätsrate beitragen, so die Annahme des Innsbrucker Teams.
Mit diesen beiden Hauptarbeiten konnte Erstautorin Federica Fazzini ihre Dissertation im Rahmen des Doktoratsprogrammes HOROS sehr erfolgreich abschließen, an weiteren Publikationen zu diesem Thema arbeitet sie bereits. Mit der Messung von weiteren Proben von 10.000 SüdtirolerInnen aus der CHRIS-Studie soll schließlich gemeinsam mit den Daten der GCKD-Studie eine genomweite Assoziationsstudie durchgeführt werden, um die genetische Grundlage für diese Beobachtungen näher zu durchleuchten und auch die Auswertung in Zusammenhang mit metabolischen Störungen fortführen zu können.
(D. Heidegger/F. Kronenberg)
Links:
Mitochondrial DNA copy number is associated with mortality and infections in a large cohort of patients with chronic kidney disease. Fazzini F, Lamina C, Fendt L, Schultheiss UT, Kotsis F, Hicks AA, Meiselbach H, Weissensteiner H, Forer L, Krane V, Eckardt KU, Köttgen A, Kronenberg F. Kidney Int. (in press).
Plasmid-normalized quantification of relative mitochondrial DNA copy number. Fazzini F, Schöpf B, Blatzer M, Coassin S, Hicks AA, Kronenberg F, Fendt L. Sci. Rep. 8:15347, 2018.