Kein Hörverlust: Gute Nachrichten für die Alzheimer-Therapie
Am Institut für Physiologie der Medizin Uni Innsbruck ist in Zusammenarbeit mit der HNO-Klinik, dem Institut für Klinisch-Funktionelle Anatomie sowie KollegInnen aus Deutschland eine vielbeachtete Forschungsarbeit entstanden. Der Artikel von Michael Leitner, korrespondierender Autor aus Innsbruck, und Tobias Huth aus Erlangen wurde Anfang November im „Journal of Neuroscience“ veröffentlicht und schaffte es auf die Titelseite. Der Beitrag bringt neue Erkenntnisse über das Enzym BACE1.
BACE1 initiiert die enzymatische Produktion und Akkumulation des neurotoxischen Amyloid-β-Peptides. Dies ist ein wahrscheinlicher pathogenetischer Mechanismus für die Entstehung der Alzheimer Erkrankung, was die pharmakologische Inhibition des Enzymes zu einer vielversprechenden Strategie in der Therapie der Erkrankung macht. Das Enzym hat aber natürlich auch physiologische Aufgaben, die bisher nur unzureichend bekannt sind. „Es ist wichtig die physiologischen Funktionen des Enzymes zu kennen und zu verstehen, da sie Auskunft über mögliche Nebenwirkungen der Alzheimer-Therapie mit BACE1 Inhibitoren geben können“, erklärt Michael Leitner, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Physiologie (Direktorin: Michaela Kress) in Innsbruck seit 2018.
BACE1 ist essentiell für sensitives Hören
Im Tiermodell konnten die ForscherInnen zeigen, dass Mäuse deutlichen Hörverlust entwickeln, wenn das Enzym fehlt. Mit Mitteln aus der Tiroler Wissenschaftsförderung ist Leitner gemeinsam mit seinen KollegInnen am Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg der Bedeutung von BACE1 für das Hören auf den Grund gegangen. „Das Protein kommt im Innenohr hauptsächlich in den Nervenfasern vor, und wenn es nicht exprimiert ist, sind diese Nervenfasern desorganisiert und die wichtige Myelinisierung fehlt weitgehend. Deswegen sind die Übertragung der Schallinformation von den Sinneszellen auf die Nervenfasern und die Weiterleitung der Signale wahrscheinlich eingeschränkt. Das führt dann zum Hörverlust“, lauten die gewonnenen Erkenntnisse. Komplexe neurowissenschaftliche Untersuchungen waren notwendig, um diese Einsichten zu gewinnen. Diese wurden unter anderem am renommierten Innenohr-Labor von Anneliese Schrott-Fischer (mit Lejo Johnson Chacko) an der Univ.-Klinik für HNO (Direktor: Herbert Riechelmann) und im Institut für Klinisch-Funktionelle Anatomie von Michael Blumer (Direktorin: Helga Fritsch) in Innsbruck durchgeführt.
Inhibition des Enzyms führt nicht zu Hörverlust
Schlussendlich haben die WissenschafterInnen eine möglicherweise beruhigende Erkenntnis für die Alzheimer-Behandlung gewonnen: „Wenn das Enzym mit einem therapeutischen Inhibitor gehemmt wird, kommt es, zumindest in Mäusen, zu keinem nennenswerten Hörverlust. Das liegt wahrscheinlich daran, dass BACE1 nicht für den Erhalt der Strukturen im Innenohr zuständig ist, sondern für die ordentliche Entwicklung der neuronalen Versorgung,“ sagt Leitner. Dementsprechend sollte Hörverlust eher keine Nebenwirkung der beschriebenen Alzheimer-Therapie darstellen. „Wir müssen aber erst sehen, in wieweit sich unsere Erkenntnisse im Tiermodell tatsächlich auch auf den Menschen übertragen lassen,“ schränkt der Forscher ein.
In weiteren Arbeiten wollen die WissenschafterInnen die erfolgreiche Kollaboration fortführen und die Rolle von BACE1 in den Nervenfasern des Innenohres und dessen Funktionen im Menschen weiter untersuchen. Den ForscherInnen ist aber ein wichtiger, weiterer Schritt zur Aufklärung der physiologischen Relevanz von BACE1 gelungen und damit möglicherweise auch für die Alzheimer-Forschung.
Publikation:
β-Secretase BACE1 Is Required for Normal Cochlear Function.
AutorInnen:
Dierich M, Hartmann S, Dietrich N, Moeser P, Brede F, Johnson Chacko L, Tziridis K, Schilling A, Krauss P, Hessler S, Karch S, Schrott-Fischer A, Blumer M, Birchmeier C, Oliver D, Moser T, Schulze H, Alzheimer C, Leitner MG, Huth T.
Bildunterschrift:
Dargestellt sind Kulturen des Sinnesepithels des Innenohres immunhistochemisch gefärbt mit Antikörpern gegen myelin basic protein (MBP, rot; Myelinisierung) und gegen NF-200 (grün) als Marker für alle Nervenfasern. In BACE1 knock-out Mäusen ist die Myelinisierung (rot) drastisch reduziert und die Nervenfasern sind dicker und am (synaptischen Ende) desorganisiert und geschwollen. Deswegen kommt es bei diesen Mäusen zu einem signifikanten Hörverlust. Foto: Marlen Dierich.
(B. Hoffmann-Ammann)
Weitere Informationen: