MUI Scientist to watch: Judith Hagenbuchner
Um herausragende Wissenschafterinnen und Wissenschafter vor den Vorhang zu holen, hat die Medizinische Universität Innsbruck das Programm „MUI Scientist to watch“ etabliert. Damit haben ForscherInnen die Möglichkeit, alle drei Monate ihre jeweils beste Arbeit einzureichen und von einem unabhängigen Komitee bewerten zu lassen. Ein Portrait der erfolgreichen KandidatInnen und die Hintergründe ihrer Forschung lesen Sie in jedem Quartal auf myPoint.
Die fünfte Ausschreibungsrunde des Programms MUI Scientist to watch konnte Judith Hagenbuchner aus dem 3D-Bioprinting-Labor für sich entscheiden. Auf dem Schreibtisch der ausgebildeten Bio- und Umwelttechnologin, die sich an der Medizinischen Universität Innsbruck in Experimenteller Pathophysiologie habilitierte und an der Pädiatrie II (Leiterin Prof. Ursula Kiechl-Kohlendorfer) arbeitet, liegen Schläuche, Schrauben und Plastikteile, aber auch fertig zusammengesetzte Modelle, die eigentlich an Figuren und Bausätze aus Kindertagen erinnern, letztendlich aber als Werkzeuge für spezifische Fragestellungen in molekularbiologischen Labors Verwendung finden. Gemeint sind hier aber Mikroprozessor-gesteuerte Zellkultur-Bioreaktoren, Perfusionssysteme für 3D-biogedruckte Gewebe oder Elektrospinning-Geräte, die dann „bio shaker“, „sphere breeder x1“ oder „nano coater“ heißen. Das von ihr zusammen mit Michael Außerlechner gegründete und geleitete 3D Biodruck Labor der Medizinischen Universität Innsbruck ist übrigens das erste dieser Art in Österreich.
Dass das Design von Werkzeugen und die Physiologie von Zellen durchaus harmonieren, beweist sich in der Arbeit von Judith Hagenbuchner täglich auf´s Neue. Die gebürtige Traunerin, die an der FH Oberösterreich, Campus Wels Bio- und Umwelttechnologie studierte, kam zufällig zur Molekularbiologie. „Im Rahmen meines Diplomstudiums habe ich ein Berufspraktikum an der Innsbrucker Pädiatrie gemacht, das mir so gut gefallen hat, dass ich schließlich sogar meine Habilitation hier geschrieben habe“, erzählt die 36-jährige, die sich in Tirol inzwischen „wie zu Hause“ fühlt.
Resistenzentwicklung in Neuroblastomzellen
Metabolische Veränderungen in Tumorerkrankungen stehen, wie schon in ihrer Dissertation am Tiroler Krebsforschungsinstitut, im Mittelpunkt ihres Forschungsinteresses. Vor allem Mechanismen, die zu Resistenzen im Rahmen der Therapie des Neuroblastoms – einer besonders aggressiven kindlichen Tumorerkrankung – führen, interessieren Judith Hagenbuchner. Für ihre Arbeit wurde sie vom Rat für Forschung und Technologie des Landes Oberösterreich 2019 auch als Erste mit dem „RFT- Young Scientist Award“ prämiert. Auch die Erkenntnisse ihrer neuen, in dieser Ausschreibung eingereichten Forschungsarbeit sollen dazu beitragen, Strategien gegen Resistenzentwicklungen zu finden und Therapien zu verbessern. Im Rahmen dieser Arbeit hatte Hagenbuchner die zwei Zelltod hemmenden (Inhibitor of Apoptosis Proteine, IAPs) und in Neuroblastomzellen überexprimierten Proteine Survivin und XIAP im Visier. In einer vorangegangenen Arbeit konnte sie bereits zeigen, dass Survivin in hoher Expression die Tumorzelle schützt und damit gegen Chemotherapeutika resistent macht, sowie auch den Energiestoffwechsel von Neuroblastomzellen in Richtung Glykolyse verschiebt. Nun untersuchte Hagenbuchner, ob eine Kombinationstherapie von IAP-Antagonisten, sogenannten Smac Mimetika, mit Glykolysehemmern das Wachstum von Neuroblastomzellen verhindern kann und die Tumorzellen schließlich in den Zelltod eintreten. „Wir konnten zeigen“, so Hagenbuchner, „dass diese Kombination den Effekt der Survivin-XIAP-Achse überwinden kann“. Die neuartige Kombinationstherapie hätte den entscheidenden Vorteil, dass gesunde Zellen dadurch nicht beeinflusst werden und damit nicht nur das Überleben der Patientinnen und Patienten gesteigert, sondern auch die schädigende Chemotherapie reduziert werden könnte.
Technisches Know-How für die Zellbiologie
Spätestens mit den komplexen Fragestellungen, die sich für Judith Hagenbuchner und ihre KollegInnen aus der Beschäftigung mir Resistenzentwicklungen in der kindlichen Tumortherapie ergaben, war auch ihr technisches Wissen wieder gefragt, zumal im 3D-Bioprinting Labor genau auf die jeweiligen Ansprüche angepasste Geräte oder künstliche Gewebestrukturen hergestellt werden können. „Mit unseren leistungsfähigen high-end 3D Biodruckern können wir körpereigene Gewebe und Tumorgewebe dreidimensional nachbilden und anschließend zu gewebeartigen Strukturen reifen lassen, um damit Medikamente, potentiell toxische Substanzen und neue Therapien zu testen, mit dem Vorteil, dass dadurch Tierversuche reduziert und ersetzt werden können“, erzählt Hagenbuchner, die mit ihrem Team auch Teil des MUI animalFree Research Clusters ist. Das Wissen und die Produkte des Labors sind von vielen Teams am Forschungsstandort gefragt, sei es der Molekularbiologe Frank Edenhofer von der Uni Innsbruck, der mit dem „Bioreaktor“ aus dem Bioprinting-Labor seine „Minibrains“ züchtet oder auch KollegInnen aus der Univ.-Klinik für Gynäkologie, für die im Bioreaktor Zellen und Zellbestandteile für die Forschung zum Ovarialkarzinom kultiviert werden.
Dieses Mikroprozessor-gesteuerte, mittels 3D Druck gefertigte Mini-Bioreaktor System erlaubt es in vielen parallelen Ansätzen, Minitumoren und Organoide schwebend zu kultivieren, damit deren Nährstoff und Sauerstoffversorgung zu optimieren und zugleich Medikamente zu testen.
„Zum Teil konstruieren wir auch nicht mehr erhältliche Ersatzteile für manche Geräte nach“, erzählt Hagenbuchner, die gerade ein frisch 3D-gedrucktes Zahnrad für das Mikroskop einer Kollegin aus dem Institut für Molekularbiologie in der Hand hält.
Das Know How zu Computer Aided Design (CAD) und 3D Druck gibt Judith Hagenbuchner aber auch in der Lehre weiter. „Der Kontakt mit den Studierenden im Onko-Modul des MolMed-Studiums und im von uns entwickelten Wahlmodul „3D Bioprinting, Rapid Prototyping and Stem cells“ bringt Abwechslung in den Laboralltag, der aber mit der Mischung aus Technik und Biologie ohnehin nie langweilig wird“, meint Hagenbuchner. Natürlich sei das wissenschaftliche Arbeiten auch anstrengend, aber dass die Forschung kein Job von acht bis vier sei, hätte sie von Anfang an gewusst, so die zielstrebige und leidenschaftliche Forscherin, die an den Wochenenden das Kochen genießt – ein Hobby, das mit Bio-Printing viel gemeinsam hat.
Ambitionierte Forscherinnen und Forscher können sich noch bis zum 31.12.2019 für die sechste Ausschreibung im Programm MUI Scientist to watch bewerben.
(D. Heidegger)
Links:
Modulation of Respiration and Mitochondrial Dynamics by SMAC-Mimetics for Combination Therapy in Chemoresistant Cancer. Judith Hagenbuchner, Herbert Oberacher, Kathrin Arnhard, Ursula Kiechl-Kohlendorfer, Michael J. Ausserlechner. Theranostics 2019;