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COVID-19: „Plötzlich wissen alle, was ein Virologe macht“

Seit mehr als zehn Jahren leitet Dorothee von Laer das Institut für Virologie an der Medizinischen Universität Innsbruck. In dieser Zeit hat die Fachärztin für Virologie, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie zahlreiche Preise erhalten, Forschungsgelder eingeworben und ein innovatives, inzwischen erfolgreich verkauftes Spin-off gegründet. Der großen Arbeitsbelastung in Zeiten der Covid-19-Pandemie sind sie und ihr Team gewachsen.

Die zusätzlichen Arbeitsstunden der vergangenen Wochen nimmt Dorothee von Laer in dieser Ausnahmesituation für sich selbst in Kauf. Bei ihren MitarbeiterInnen im akkreditierten, virologisch-serologischen Diagnostiklabor achtet sie allerdings genau auf die Einhaltung der erlaubten Mehrarbeitszeit. „Auch wenn von Normalbetrieb derzeit keine Rede sein kann, schaue ich bei meinem Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern derzeit besonders darauf, dass sie nicht mehr als 45 Stunden pro Woche arbeiten. Sie müssen gesund und fit bleiben für diese verantwortungsvolle Tätigkeit“, betont Dorothee von Laer, an deren Institut derzeit 45 der insgesamt 50 MitarbeiterInnen im 24-Stunden-Rhythmus für die Diagnostik und die Diagnostikkontrolle „abgestellt“ sind. Extra motivieren müsse sie ihr Team nicht, „alle wissen, dass sie in dieser intensiven Zeit etwas Wichtiges tun“. In der Geschwindigkeit der durchgeführten Tests hat das Innsbrucker Labor seit Beginn der Corona-Krise die größte Testkapazität in Österreich bewiesen, nun soll diese Leistung mit einem neuen Gerät von 500 auf 1.000 PCR*-Tests pro Tag erhöht werden. „Die Anzahl der durchzuführenden Tests wird noch weiter massiv ansteigen, deshalb müssen alle, auch die niedergelassenen Labors, ihre Leistung hochfahren“, so die Virologin.

BU: Das neue Gerät am Institut für Virologie verdoppelt die Testkapazität. @MUI/Hoffmann-Ammann

Neben der Steigerung der Kapazität von PCR-Testungen ist der Fokus in der aktuell akuten Situation aber auch auf die Entwicklung geeigneter Antikörpertests gerichtet. „Nachdem viele Infizierte keine oder nur leichte Symptome haben, wären Antikörpertests sinnvoll, um deren Immunität nachzuweisen. Diese Tests sind derzeit noch zu ungenau und bedürfen weiterer Überprüfungen. In zwei bis drei Wochen könnten aber valide Tests verfügbar sein“, glaubt die Virologin.


BU: Dorothee von Laer: Mit großen Pandemien muss die Menschheit rechnen“ ©MUI

Pandemien sind erwartbar
Wirklich überrascht ist Dorothee von Laer von der aktuellen Covid-19-Pandemie nicht. „Mit großen Pandemien musste und muss die Menschheit immer wieder rechnen. In den vergangenen Jahren sind wir ein paar Mal knapp daran vorbeigeschrammt, etwa 2003 bei der SARS-Infektion, die auf eine Epidemie beschränkt blieb, weil die Infektion erst bei Fieber übertragbar ist und Erkrankte somit eher zuhause blieben; auch Ebola blieb aufgrund der geringeren Reisetätigkeit nach Afrika örtlich beschränkt“, berichtet von Laer, die nach jahrzehntelanger Arbeit im Labor – die ersten händischen HIV-Tests Anfang der 1980er Jahre noch in guter Erinnerung – „aufgehört hat, sich vor Viren zu fürchten“, auch wenn sie selbst mit knapp über 60 Jahren bald in eine Risikogruppe fällt.

Virologie im Rampenlicht
Die Effizienz des neuen Virus, das die Strategie der schnellen und starken Vermehrung verfolgt, sei mit anderen Pandemien, wie etwa Pocken, Polio oder Influenza aber nicht vergleichbar, weil gegen diese Infektionskrankheiten bereits Impfungen entwickelt worden seien. „Viren können aber auch sehr nützlich sein und therapeutische Aufgaben erfüllen. Denken wir an das Masernimpfvirus, ein weniger schädlicher Verwandter des Masernerregers MeV, das als Lebendimpfstoff die Geimpften immun macht“, so von Laer, an deren Institut auch an Gentherapien und onkolytischen Viren geforscht wird. Bei der Gentherapie fungiert ein Virus als Genfähre und schleust Erbmaterial in die defekte Zelle, um diese zu reparieren. Mit ihren innovativen Forschungsergebnissen zu krebszerstörerischen Viren bzw. der Entwicklung des onkolytischen Virus VSV-GP, mit dem eine effektive Immunreaktion bei soliden Tumoren ausgelöst werden soll und der Gründung des Spin-Offs „ViraTherapeutics“ konnte von Laer einen entscheidenden Schritt in Richtung klinischer Anwendung dieser Immuntherapie machen.

Im Moment bleibt am Institut allerdings wenig Zeit zum Forschen. Dabei wäre es die primäre Aufgabe der Virologie, der Pandemie wissenschaftlich zu begegnen. In Vorbereitung auf die Zeit nach der akuten Krise, hat von Laer schon einige Forschungsfragen und -anträge konzipiert und Virus-Isolate für spätere Projekte gesichert. Fragen nach dem Immunstatus der Bevölkerung, nach der Dunkelziffer oder wie sich das Virus anpasst, können damit aufgearbeitet und beantwortet werden. Mit dem Fortschreiten der SARS-CoV-2-Pandemie wird das Interesse an der Medikamenten- und Impfstoffentwicklung gegen die neue Coronavirus-Infektion jedenfalls immer größer. „Die Förderquote für Covid-19-Forschungsprojekte wird stark ansteigen und damit auch die virologische Forschung wieder mehr ins Rampenlicht rücken“, ist von Laer überzeugt

*) PCR oder Polymerase-Kettenreaktion beschreibt eine Methode, bei der die Virus-DNA mithilfe des Enzyms DNA-Polymerase vervielfältigt und somit nachgewiesen werden kann.

(30.03.2020, Text: D. Heidegger, Fotos: Heidegger, Lackner, Hoffmann-Ammann)

Links:

Institut für Virologie

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