COVID-19: „Nature Reviews Nephrology“ beschreibt nephrologische Herausforderungen
Die COVID-19-Pandemie stellt die Versorgung von PatientInnen mit immunvermittelten Nierenerkrankungen und EmpfängerInnen von Nierentransplantaten vor große Herausforderungen. In einem Artikel, kürzlich in „Nature Reviews Nephrology“ erschienen (Erstautor der Innsbrucker Nephrologe Andreas Kronbichler), werden das Management der Immunsuppression für diese PatientInnen während der Pandemie diskutiert und Behandlungsstrategien vorgeschlagen.
Die zelluläre Immunität ist für den Verlauf von COVID-19 von zentraler Bedeutung. Gerade bei immunsupprimierten PatientInnen, einschließlich TransplantatempfängerInnen und PatientInnen mit Nieren betreffenden Erkrankungen, kann diese Erkrankung zu schweren Komplikationen bis hin zu einem höheren Sterberisiko führen. Im Gespräch erklärt der Erstautor des Artikels, Andreas Kronbichler von der Innsbrucker Universitätsklinik für Innere Medizin IV – Nephrologie und Hypertensiologie (Klinikdirektor: Gert Mayer), die Behandlungsstrategien und meint, dass man bei der Bekämpfung von COVID-19 und begleitender laufender Immunsuppression von anderen Viruserkrankungen und bakteriellen Entzündungen lernen kann.
Erfahrungen aus der Therapie von Autoimmunerkrankungen sind Teil von Überlegungen bei der Therapie von COVID-19. Immunsuppression und Transplantation bei Nierenerkrankungen ist ein zentraler Aspekt Ihrer Arbeit. Welchen Einfluss hat dabei COVID-19?
Andreas Kronbichler: COVID-19 ist weitaus komplexer, als wir uns es vorgestellt haben. Viele der histopathologischen Veränderungen ähneln denen von Autoimmunerkrankungen, die oftmals die Nieren (Glomerulonephritis) und die Lungen betreffen. So entwickelte sich die Diskussion, welche Therapien sowohl für Autoimmunerkrankungen als auch für COVID-19 sinnvoll erscheinen. Es gibt nämlich bereits Studien zu COVID-19 und Einsatz von Tocilizumab, das bei rheumatoider Arthritis oder auch der Riesenzellarteriitis sehr effizient eingesetzt wird. Der Antikörper Tocilizumab, ein Interleukin-6-Rezeptorblocker, bindet sich spezifisch an lösliche und membrangebundene Interleukin-6-Rezeptoren und hat so einen direkten Einfluss auf das Wachstum von Immunzellen, aber auch Zellen, die den entzündlichen Prozess bei Autoimmunerkrankungen vorantreiben. Bei COVID-19 hat man gesehen, dass PatientInnen mit einer „Hyperinflammation“ sehr hohe Interleukin-6-Spiegel haben. Erste Ergebnisse haben gezeigt, dass das Einsetzen dieser Hemmer bei dieser Subgruppe sehr effizient ist. Tocilizumab wurde in Einzelfällen bereits bei so genannten ANCA-assoziierten Vaskulitiden eingesetzt und so könnte man bei gleichzeitiger SARS-CoV-2 Infektion eine kurzzeitige Therapie mit Tocilizumab in Erwägung ziehen, bevor man nach Bewältigung der Infektion auf eine Standardtherapie umstellt.
Bei dem Artikel geht es aber nicht um eine konkrete Therapie für COVID-19.
Die COVID-19-Pandemie stellt die Therapie von Patientinnen und Patienten mit immunvermittelten Nierenerkrankungen und die EmpfängerInnen von Nierentransplantaten vor große Herausforderungen. Im Artikel diskutieren wir Strategien, die einerseits in der Therapie von SARS-CoV-2 Infektionen eingesetzt werden, und andere effiziente Therapien, welche die zelluläre Immunität kaum beeinflussen und somit in dieser Pandemie als „sicher“ eingestuft werden können.
Was empfehlen Sie?
Bei immunsupprimierten PatientInnen mit einer SARS-CoV-2-Infektion empfehlen wir eine Verringerung der Immunsuppression – der medikamentöse Einsatz soll je nach Schwere der Infektion und von Fall zu Fall entschieden werden.
Immunsuppressiva werden ja aus therapeutischen Gründen eingesetzt. Welche Gefahren gibt es, wenn diese reduziert oder gar pausiert werden?
Wenn man bei PatientInmnen abrupt die Immunsuppressiva reduziert, erhöht sich bei Autoimmunerkrankungen das Risiko eines Rückfalles und bei TransplantpatientInnen das Abstoßungsrisiko. Wäre dies der Fall, müsste man die Immunsuppression verschärfen, was wiederum bei einer COVID-19 Erkrankung absolut ungewünscht wäre. Es ist ein Balanceakt. Diese Problematik haben wir auch beschrieben. Zudem sollten Kontakte mit dem Gesundheitssystem bestenfalls vermieden werden, da das Krankenhauspersonal bzw. auch andere PatientInnen potentiell eine Transmission von SARS-CoV-2 verursachen.
Andreas Kronbichler, Univ.-Klinik f. Innere Medizin IV
(29.5.2020; Interview: David Bullock; Fotos: MUI/D. Bullock; Andrey Burmakin/AdobeStock)
Links:
Nature Reviews Nephrology Artikel: COVID-19: implications for immunosuppression in kidney disease and transplantation; Andreas Kronbichler, Philipp Gauckler, Martin Windpessl, Jae Il Shin, Vivekanand Jha, Brad H. Rovin & Rainer Oberbauer
Universitätsklinik für Innere Medizin IV – Nephrologie und Hypertensiologie