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Studie: Der optimale Zeitpunkt des Beginns einer Nierenersatztherapie bei Intensivpatienten

Etwa ein Viertel der PatientInnen auf Intensivstationen mit einer akuten Nierenschädigung benötigt eine Nierenersatztherapie. Unklar ist allerdings, wann der ideale Zeitpunkt dafür gegeben ist. Eine internationale, großangelegte Studie, an der die Gemeinsamen Einrichtung für Internistische Notfall- und Intensivmedizin der Medizin Uni Innsbruck maßgeblich beteiligt war und die im renommierten Fachjournal New England Journal of Medicine erschienen ist, hat nun Klarheit geschaffen.

Die akute Nierenschädigung ist eine häufige Komplikation bei PatientInnen auf Intensivstationen und ist mit einem hohen Risiko für Tod, Folgekomplikationen und Ressourcenverbrauch verbunden. Viele dieser PatientInnen erhalten eine Nierenersatztherapie. Diese wird zur Behandlung schwerwiegender Stoffwechselstörungen (z.B. Azidose, Hyperkaliämie, Urämie) und Störungen im Flüssigkeitshaushalt benötigt (Überwässerung). Nach wie vor ist es jedoch unklar, wann genau mit einer Nierenersatztherapie begonnen werden soll.

Nierenschädigungen bei COVID-19

Auch in der aktuellen COVID-19 Pandemie zeigt sich, dass viele kritisch kranke PatientInnen mit COVID-19 zusätzlich eine akute Nierenschädigung entwickeln. Im Tiroler COVID-19 Intensivmedizin Register (Koordinatoren Michael Joannidis, Sebastian Klein) zeigte sich bei 106 IntensivpatientInnen mit COVID-19, dass beinahe die Hälfte dieser PatientInnen eine akute Nierenschädigung aufwies. Knapp 20 Prozent benötigten weiterführend eine Nierenersatztherapie. (Das Manuskript zur Publikation ist eingereicht)

Bislang gab es um den Zeitpunkt einer Nierenersatztherapie widersprüchliche Meinungen. „Es gibt KollegInnen, die für frühe Maßnahmen eintreten, anderer für spätere“, kennt Michael Joannidis, Direktor der Gemeinsamen Einrichtung für Internistische Notfall- und Intensivmedizin, die Problematik wobei die Tendenz hin zu früheren Maßnahmen geht: „Bisher war die gängige Meinung, dass man bei einer akuten Nierenschädigung bei IntensivpatientInnen relativ früh mit der Nierenersatztherapie beginnen soll, um das Akkumulieren von Giftstoffen zu vermeiden.“ Grundsätzlich ist die Nierenersatztherapie ein Verfahren, das sehr gut toleriert wird und selten Nebenwirkungen hat. Joannids gibt allerdings zu bedenken: „Eine Nierenersatztherapie ist ein Eingriff: Man benötigt einen großlumigen Katheter, das Blut kommt in einen externen Kreislauf und kommt somit mit Kunststoffoberflächen in Berührung, was einen gewissen Entzündungsreiz darstellt. Weiters wird das Blut zur Entfernung von Giftstoffen gefiltert, allerdings gehen bei diesem Prozess unter Umständen auch nützliche Stoffe verloren“, sagt Joannidis.

Verschiedene Zugänge

Eine frühere deutsche, monozentrische Studie, an der hauptsächlich chirurgische PatientInnen teilnahmen, deutete darauf hin, dass eine frühere Nierenersatztherapie die Sterblichkeit senkt. Umgekehrt fanden aber zwei andere Studien, die überwiegend bei PatientInnen mit septischem Schock durchgeführt wurden, keine Verringerung der Sterblichkeit. „Mit unserer Studie haben wir es uns zum Ziel gesetzt, das ganze Spektrum der Intensivpatienten einfließen zu lassen“, erklärt Michael Joannidis, der als nationaler Studienkoordinator für Österreich tätig war. Ziel der aktuellen Studie war es, einen frühzeitigen Beginn der Nierenersatztherapie („Beschleunigte Strategie“) mit einem abwartenden Vorgehen („Standardstrategie“) zu vergleichen. Die PatientInnen stammen aus einem breiten Spektrum von 168 Intensivstationen aus 15 Ländern und bieten so eine breite Generalisierbarkeit. Darüber hinaus wurde der Auslöser für die Einleitung einer Nierenersatztherapie in der Standardstrategie der Therapie nicht durch ein bestimmtes Stadium der Nierenschädigung oder durch vordefinierte Zeitintervalle gesteuert, sondern primär durch das Vorliegen von abnormalen Stoffwechselwerten oder Überwässerung. „Unsere Studie liefert somit eine evidenzbasierte Empfehlung für den individualisierten Zeitpunkt einer Nierenersatztherapie“, ist Joannidis überzeugt.  

Multinationale Studie

In dieser großen multinationalen, randomisierten Studie, die bei insgesamt 3019 kritisch kranken PatientInnen mit schwerer akuter Nierenschädigung durchgeführt wurde, reduzierte eine beschleunigte Strategie zur Einleitung einer Nierenersatztherapie die 90-Tage-Mortalität im Vergleich zu einer Standardstrategie nicht. Jedoch zeigte sich bei PatientInnen im beschleunigten Arm eine deutlich höhere Rate an Dialysepflichtigkeit am Tag 90. Dies könnte mit der größeren Häufigkeit von Blutdruckabfällen verbunden sein, die im beschleunigten Arm der Studie signifikant häufiger auftraten. „Unsere Studie klärt ein langjähriges klinisches Dilemma hinsichtlich des Beginns der Nierenersatztherapie bei PatientInnen mit akuter Nierenschädigung ohne akute Krankheitskomplikationen, die einen sofortigen Beginn der Nierenersatztherapie erfordern würden“, meint Michael Joannidis.

Die Studie zeigt, dass der Zeitpunkt in vielen Fällen unerheblich ist. „Wenn man wartet bis es keine Alternative zu einer Nierenersatztherapie mehr gibt, ist das Überleben gleich, aber man erspart sich und den Patientinnenen und Patienten bis zu 50 Prozent der Behandlungen“, weiß der Intensivmediziner.

Michael Joannidis, Direktor der Gemeinsamen Einrichtung für Internistische Notfall- und Intensivmedizin

Links:

https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/nejmoa2000741

Gemeinsame Einrichtung für Internistische Notfall- und Intensivmedizin

 (20.07.2020; db,js; Fotos: D. Bullock; Burmakin_AdobeStock)

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