ATP Rezeptor P2Y11: potentes Ziel für entzündungshemmende Strategien
Die immunrelevante Rolle des lange unerforschten Transmembranrezeptors P2Y11 konnte vom Team rund um Martin Thurnher, Leiter des Immunologischen Labors der Univ.-Klinik für Urologie (Direktor: Wolfgang Horninger), bereits vor zwei Jahren näher beleuchtet werden. In einer neuen Forschungsarbeit gelang es den ForscherInnen mit innovativen Methoden, seine stark entzündungshemmende Funktion zu zeigen.
P2Y11 ist ein unkonventioneller, G protein-gekoppelter Rezeptor, der während der Differenzierung von M2-Makrophagen hochreguliert wird. Zu dieser Erkenntnis gelangten Martin Thurnher und sein inzwischen in Südtirol tätiger Mitarbeiter Georg Grünbacher vor zwei Jahren mittels Durchflusszytometrie. Damals untersuchten die Biologen erstmals Expression und Regulation des wenig erforschten P2Y11-Rezeptors auf Proteinebene und zwar im Zuge der Entwicklung von M2-Makrophagen.
Anti-inflammatorische Wirkung auf menschlichen Makrophagen
In ihrer rezenten, im Fachjournal British Journal of Pharmacology veröffentlichten Forschungsarbeit gingen die Forscher nun der Frage nach, welche Rolle der Rezeptor bei der Signalübertragung einnimmt. „Wir wissen, dass Nukleotide wie das Adenosintriphosphat (ATP) – die Hauptenergiequelle der Zelle – unter Stressbedingungen, wie sie im Zuge von Entzündungs- und Immunreaktionen herrschen, ins extrazelluläre Milieu gelangen. Außerhalb der Zelle kann ATP vom purinergen Rezeptor P2Y11 als Gefahrensignal erkannt werden“, beschreibt Martin Thurnher die Ausgangslage.
Um mehr Informationen über die Funktion des P2Y11-Rezeptors bei der Signalübertragung bzw. einen Überblick über die Aktivität der verschiedenen Gene nach Stimulation zu erhalten, führten Thurnher und Grünbacher Transkriptomanalysen bzw. Sekretomanalysen durch – im Fall von P2Y11 eine Premiere, denn für diesen Rezeptor gab es lange Zeit kaum Reagenzien, weshalb Expression und Funktion von P2Y11 lange unerforscht blieben. Auch Thurnher und Grünbacher forschten zunächst in einer rekombinanten Zelllinie, ehe ihnen die Reproduktion der Daten in primären menschlichen Makrophagen gelang. In Mäusen gibt es P2Y11 nämlich nicht.
Mit diesen innovativen Methoden konnte schließlich nachgewiesen werden, dass die Signalwege von P2Y11-Rezeptoren Entzündung hemmen und nicht – wie man vielleicht vermutet hätte, fördern.
„Der aktivierte P2Y11-Rezeptor kommuniziert mit einem anderen Rezeptor, dem Interleukin-1-Rezeptor. Dadurch wird die Produktion von Tumornekrosefaktor (TNF) - einem Signalstoff des Immunsystems, der an lokalen und systemischen Entzündungen beteiligt ist und hauptsächlich von Makrophagen ausgeschüttet wird – stark gedrosselt. Gleichzeitig werden TNF-Rezeptoren durch die Protease Adam17 von der Zelloberfläche abgespaltet. Diese löslichen Formen der TNF-Rezeptoren dienen dazu, den bereits vorhandenen TNF zu neutralisieren. Der anti-inflammatorische Effekt spielt sich also auf zwei Ebenen ab und ist damit doppelt effizient“, beschreibt Thurnher die Ergebnisse.
Der Mehrwert dieser vielversprechenden experimentellen Erkenntnis könnte sich auch in neuen therapeutischen Ansätzen niederschlagen. „Im Rahmen entzündlicher Infektionserkrankungen und Autoimmunerkrankungen ist es durchaus denkbar, den Rezeptor mit synthetischen Agonisten zu aktivieren und dadurch TNF-induzierte Entzündung zu hemmen“, so Thurnher. Umgekehrt gedacht könnte die Unterdrückung der P2Y11-Rezeptor-Aktivierung in der Krebsimmuntherapie wirksam sein. Denn im Rahmen der Immuntherapie ist Entzündung ausdrücklich erwünscht, um eine immunologische Reaktion gegen den Tumor zu erzielen.
Mit seinem nunmehrigen PostDoc Dominik Klaver, der bereits an der rezenten Arbeit mitwirkte, und der guten Datenlage aus den Makrophagen ist Martin Thurnher auf dem besten Weg, weitere Details zum Rezeptor aufzuklären. Im Rahmen des neu bewilligten FWF-Einzelprojekts P 33640-B soll die erste Transkriptomanalyse direkt in Makrophagen durchgeführt werden.
(22.04.2021, Text: D. Heidegger, Bild: Hubert Gander)
Links:
The human G protein‐coupled ATP receptor P2Y11 is a target for anti‐inflammatory strategies. Georg Gruenbacher et al.
Labor für Immunologie und Immuntherapie
myPoint Archiv: Erstmals nachgewiesen: P2Y11 Rezeptor auf immunsuppressiven M2 Makrophagen