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Stereotaktische Radiofrequenzablation: Innovative Tumorbehandlung lockt US-Mediziner nach Tirol

Dass seine vor nunmehr 20 Jahren in Innsbruck entwickelte und optimierte Methode der Stereotaktischen Radiofrequenzablation (sRFA) zur effektiven Behandlung von Tumoren funktioniert, davon war der interventionelle Radiologe Reto Bale von Beginn an überzeugt. Mehr als 1.000 Anwendungen später hat ihm erstmals ein anerkannter Kollege aus den USA bei einem Eingriff über die Schulter geschaut, um die Methode auch in Übersee etablieren zu können.

Die weltweite Führungsrolle der USA in Medizin und Forschung ist unbestritten. Dass sich US-Medizinerinnen und -Mediziner bei österreichischen Kolleginnen und Kollegen „etwas abschauen“ und außergewöhnliche Methoden erlernen wollen, kommt deshalb auch nicht alle Tage vor. Die sRFA ist ein solches Verfahren, das die Aufmerksamkeit von Bruno C. Odisio, interventioneller Onkologe am renommierten MD Anderson Cancer Center in Houston, geweckt hat. Bislang wird die innovative sRFA ausschließlich an drei Standorten in Österreich (Univ.-Klinik für Radiologie Innsbruck, Ordensklinikum Linz und Klinik Donaustadt) durchgeführt.

Mehr Nadeln – mehr Treffsicherheit

Bei der herkömmlichen Radiofrequenzablation, die auf dem Prinzip der Hitzeschädigung von Tumorgewebe beruht, wird lediglich eine einzelne Nadel gesetzt. Bei der sRFA kommt hingegen eine von Reto Bale, leitender Oberarzt für Interventionelle Onkologie - Mikroinvasive Therapie (SIP) an der Universitätsklinik für Radiologie (interim. Direktorin: Elke Gizewski), bereits in seiner Studienzeit entwickelte Zielvorrichtung und ein inzwischen erfolgreich optimiertes neurochirurgisches 3D-Navigationssystem zum Einsatz. Auf diese Weise können gleich mehrere Nadeln platziert und damit auch große und zahlreiche Tumore erfasst werden. Die minimalinvasive radiologische Behandlung ermöglicht eine effektive und punktgenaue Tumorzerstörung. „Die Nadeln werden so im Tumor eingebracht, dass die durch die Hitze erzeugten Ablationszonen das Krebsgewebe komplett überdecken. Die Gelenke der Zielvorrichtung werden dabei so lange verändert, bis am Bildschirm drei Kreise deckungsgleich übereinanderliegen. Durch hohle Koaxialnadeln – das präzise Setzen dieser Nadeln wird vor dem Eingriff minutiös an dreidimensionalen Datensätzen geplant und mittels CT kontrolliert – werden schließlich die eigentlichen Radiofrequenzsonden eingeführt.

Durch Wechselstrom zwischen einer Hautelektrode und der metallenen Spitze wird eine Temperatur von 60 bis 100 Grad Celsius im Gewebe erzeugt, sodass die Tumorzellen absterben. Damit sich die Organe nicht durch die Atemtätigkeit bewegen, wird die Atmung kurzfristig ausgesetzt, sodass die Nadeln mit einem sehr geringen Risiko eingeführt werden können“, berichtet Bale, der auf diese Weise seit 2001 bereits über 1.000 PatientInnen mit zum Teil multiplen Leberzellkarzinomen sowie Lebermetastasen erfolgreich behandelt hat, wie auch in einem Review zur kürzlich veröffentlichten Registerstudie nachzulesen ist. In Innsbruck wird die Methode, die neben präziser Vorbereitungen auch einer gut abgestimmten Teamarbeit bedarf, aber nicht nur in der Leber, sondern auch bei Knochen-, Nieren- und Lungentumoren sowie Lymphknotenmetastasen angewendet.

Vom ersten bis zum letzten Schritt: Die sRFA punktet mit präziser 3D-Planung, minimalinvasiver Technik und gut abgestimmter Teamarbeit

„Bestechende“ Technologie

Detaillierte 3D-Planung, ein mehrnadeliger Zugang und eine intraprozedurale Bildfusion zur Überwachung und sofortigen Überprüfung des Behandlungsergebnisses sind die Erfolgskomponenten des Verfahrens, das bei gleicher Rezidivrate auch noch mit der schonenderen Technik gegenüber der Chirurgie punktet. „Nach der minimalinvasiven sRFA bleiben nur winzige Narben zurück und viele PatientInnen können das Krankenhaus bereits nach einem Tag wieder verlassen", beschreibt Reto Bale die Vorzüge. Von diesen Pluspunkten und der durchdachten Methodik war auch Bruno Odisio schnell zu überzeugen, als er bei einem internationalen Radiologiekongress 2019 in Innsbruck auf Reto Bale traf. „Ich wollte mir selbst ein Bild von dieser vielversprechenden Methode machen. Leider kam die Pandemie dazwischen, sodass sich die erste Lehrstunde in Innsbruck erst jetzt umsetzen ließ“, erzählt der amerikanische Radioonkologe.

Dass sich nun ein führendes onkologisches Zentrum – das MD Anderson Cancer Center belegt im diesjährigen Newsweek/Statista Ranking der weltweit besten Krebszentren Platz 1 – für die „bestechende“ Technik aus Österreich interessiert, kommt für Reto Bale zur rechten Zeit. „Die Resektion galt lange Zeit als einzige lokal kurative Methode für die Behandlung von Lebertumoren. Allerdings ist diese Methode nicht bei allen Patienten anwendbar. Durch Fortschritte in der systemischen Therapie, der Leberresektion und insbesondere durch die zusätzliche Option der sRFA konnte der Anteil der Patienten mit Lebertumoren, die in Innsbruck einer lokal kurativen Therapie zugeführt werden konnten, zwischen 2003 und 2019 fast vervierfacht werden. Uns ist aber auch bewusst, dass unsere prospektive Registerstudie durch einen Single-Center-Bias limitiert ist. Deshalb hoffen wir auf weiteres Interesse an der stereotaktischen Thermoablation und die Erweiterung um potenzielle Multicenter-Daten“, so Bale.

Nach seinem viertägigen Aufenthalt in Innsbruck und einer weiteren Einschulungswoche im Oktober wird Bruno Odisio der erste Vertreter eines Zentrums außerhalb Österreichs sein, der die sRFA im Interventions-OP live mitverfolgt hat. Ehe die Methode am MD Anderson Cancer Center erstmals durchgeführt werden kann, muss die entsprechende Adaption der für die sRFA notwendigen Hard- und Software realisiert werden. „Spätestens Ende des Jahres habe ich dann eine Woche lang Gelegenheit, meine Kolleginnen und Kollegen in Houston zu unterweisen“, freut sich Reto Bale auf seinen Lehraufenthalt in den USA.

(25.08.2021, Text: D. Heidegger, Bilder: D. Bullock)

 

Links:

Narrative review of 3D navigated stereotactic liver ablation—do we still need a minimally invasive liver surgeon?
https://doi.org/10.21037/ls-20-107

Video: Stereotaktische Radiofrequenzablation (SRFA) von Leberkarzinomen und Lebermetastasen
https://www.youtube.com/watch?v=HnCP5zoLeA4&feature=youtu.be

Univ.-Klinik für Radiologie
https://radiologie.tirol-kliniken.at/page.cfm?vpath=radiologie

Abteilung Interventionelle Onkologie
https://radiologie.tirol-kliniken.at/page.cfm?vpath=radiologie/patienten/intervonk-sip

Newsweek/Statista Ranking

 

 

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