Vier Forscher der Med Uni Innsbruck sind neue Mitglieder der Academia Europaea
Unter den 470 WissenschafterInnen, die "nachhaltige akademische Exzellenz" bewiesen haben und deshalb kürzlich als Mitglieder in die Academia Europaea aufgenommen wurden, sind auch der Zellbiologe Lukas Huber, der Genetiker Florian Kronenberg, der Gastroenterologe Herbert Tilg und der Infektiologe Günter Weiss. Auf der renommierten Liste finden sich insgesamt rund 6.000 ExpertInnen aus allen akademischen Disziplinen, darunter 72 NobelpreisträgerInnen.
Die Mitgliedschaft in der Academia Europaea (MAE) ist eine Auszeichnung, die nur auf Einladung der bestehenden MAE erfolgt. Die Wahl wird im Rahmen eines strengen Peer-Review- Verfahrens durch das Kuratorium beurteilt. Mitglieder sind berechtigt, die Post-Nominal-Buchstaben MAE zu verwenden. Die 470 neu gewählten Mitglieder verteilen sich auf die vier Klassen der Akademie: Klasse der Geisteswissenschaften (91 gewählte Mitglieder), Klasse der Sozial- und Gesellschaftswissenschaften (70 gewählte Mitglieder), Klasse der Exakten Wissenschaften (111 gewählte Mitglieder) und Klasse der Biowissenschaften (198 gewählte Mitglieder).
Die paneuropäische wissenschaftliche Gesellschaft wurde 1988 mit Sitz in London gegründet, „um herausragende wissenschaftliche Leistungen in den Geistes-, Rechts-, Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaften, der Mathematik, der Medizin und allen Zweigen der Natur- und Technikwissenschaften überall in der Welt zum Nutzen der Allgemeinheit und zur Förderung der Bildung der Menschen aller Altersstufen zu fördern und zu verbreiten.“
Bisher war es drei, inzwischen emeritierten Wissenschaftern der Medizinischen Universität Innsbruck – dem Physiologen Peter Deetjen, dem Pharmakologen Hans Winkler und dem Pathophysiologen und Alternsforscher Georg Wick – gestattet, die Buchstaben MAE nach ihrem Namen anzuführen. Mit Lukas A. Huber, Direktor des Instituts für Zellbiologie am Innsbrucker Biozentrum, Florian Kronenberg, Direktor des Instituts für Genetische Epidemiologie, Herbert Tilg, Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin I und Günter Weiss, Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin II, können nun bereits sieben Forscher der Med Uni Innsbruck von diesem Recht Gebrauch machen.
Die vier neuen Mitglieder der Medizinischen Universität Innsbruck (in alphabetischer Reihenfolge):
Lukas Huber – einst Doktorand bei MAE-Mitglied Georg Wick – leitet seit 2002 das Institut für Zellbiologie am Innsbrucker Biozentrum, dessen Gründungsdirektor er auch ist. In seiner wissenschaftlichen Tätigkeit konzentriert sich der Zellbiologe und wissenschaftliche Leiter von Oncotyrol (Zentrum für personalisierte Krebsforschung) und des Austrian Drug Screening Institute (ADSI) vor allem auf die räumliche und zeitliche Koordination von Zellsignalen, die zur Krebsentstehung führen können. Wichtige und vielbeachtete Forschungsbeiträge erzielte er mit seinem Team auf dem Gebiet des intrazellulären Proteintransports und der Krankheiten, die mit dessen Fehlfunktionen zusammenhängen. Insbesondere mit den Methoden der Proteomik, die die Gesamtheit aller an einem biologischen Vorgang oder innerhalb eines Zellabschnitts aktiven Eiweißstoffe erfasst, gelangen ihm weitreichende Erkenntnisse, die in anerkannten Wissenschaftsjournalen, wie Cell, Science oder Nature veröffentlicht wurden. Dazu zählen etwa die Aufklärung der dreidimensionalen Struktur des LAMTOR Komplexes und seine Bedeutung für die Signalübertragung. Der LAMTOR-Komplex wurde von Lukas Huber bereits vor mehreren Jahren als Verband aus fünf derzeit bekannten Gerüst- und Regulatorproteinen identifiziert, der eine Vielzahl wichtiger Vorgänge in der Zelle steuert und als Schaltweiche für zwei zentrale, in der Krebsentstehung hyperaktive, Signalwege verstanden werden kann. Mit der Aufklärung der detaillierten atomaren Struktur von LAMTOR und seiner einzelnen Komponenten wird der Weg für die Entwicklung neuer Therapieansätze geebnet. Von klinischer Bedeutung sind insbesondere auch seine Beiträge zur Erforschung der Mikrovillus-Einschlusserkrankung, einer angeborenen lebensbedrohlichen Durchfallerkrankung von Babys und Kleinkindern. Aktuell leitet Huber mit ASCENION München ein präklinisches Programm, um einen neuen CdK-Inhibitor gegen das Multiple Myelom zu entwickeln.
Die Arbeit von Florian Kronenberg genießt internationales Ansehen. Mit seinem Team trägt er maßgeblich dazu bei, die genetischen Ursachen von Krankheiten (v.a. Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen) zu identifizieren und Risikovorhersagen zu verbessern. Das von ihm geleitete Institut für Genetische Epidemiologie verfügt mittlerweile über rund 20 MitarbeiterInnen mit eigenen Forschungsprofilen. Mit ungefähr 500 Publikationen, gehört er laut Google Scholar mit einem H-index von 108 und mehr als 47.000 Zitationen zu den am häufigsten zitierten WissenschafterInnen der Med Uni Innsbruck. Ein Meilenstein und eine Herzensangelegenheit in der bisherigen wissenschaftlichen Karriere von Kronenberg sind die Forschungsarbeiten zum Lipoprotein(a). Bei Lp(a) handelt es sich um einen Biomarker, der im Blut gemessen werden kann. Kronenberg und sein Team haben in wesentlichen Arbeiten nachgewiesen, dass erhöhte Werte einer der wichtigsten, genetischen Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Gefäßverkalkungen ist. Unter seiner Leitung wurden unter anderem die Lp(a)-Spiegel bei mehr als 40.000 Menschen untersucht. Dabei kamen neue Methoden zum Einsatz, die es erstmals ermöglicht haben, eine der komplexesten Genomregionen systematisch zu untersuchen. Dabei wurden sehr häufige, bisher unbekannte Genveränderungen gefunden, die einen wichtigen Beitrag zur genetischen Regulation der Lp(a)-Konzentrationen leisten und das Herzinfarktrisiko senken. Mittlerweile haben die Erkenntnisse auch Einzug in die klinische Routine gehalten. Die Richtlinien mehrerer, unter anderem der europäischen und kanadischen Kardiologie-Gesellschaften, wurden dahingehend angepasst, dass bei jedem Menschen zumindest einmal im Leben Lp(a) gemessen werden sollte, um das kardiovaskuläre Risiko besser einschätzen zu können. Der mehrfach ausgezeichnete Wissenschafter ist darüber hinaus seit vielen Jahren in verschiedenen internationalen Arbeitsgruppen zur Erstellung von neuen Richtlinien und Konsensus-Initiativen für PatientInnen mit Nierenerkrankungen, kardiovaskulären Erkrankungen sowie Fettstoffwechselstörungen tätig. Zuletzt führte er den Vorsitz für ein Consensus-Paper der "European Atherosclerosis Society" zum Thema Lp(a).
Hervorragende internationale Vernetzung und zahlreiche substanzielle wissenschaftliche Beiträge markieren auch die „nachhaltige akademische Exzellenz“ des Gastroenterologen Herbert Tilg. Die Erkenntnisse des Direktors der Univ.-Klinik für Innere Medizin I über Zytokine (körpereigene Botenstoffe) und pro-entzündliche Proteine, wie TNF (Tumornekrosefaktor) haben wesentlich zur Aufklärung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen, Lebererkrankungen (Fettleber) und Stoffwechselerkrankungen, aber auch Krebs beigetragen. Der Facharzt für Innere Medizin hat sich während seiner Laufbahn auf die Bereiche Endokrinologie, Gastroenterologie, Stoffwechsel und Onkologie spezialisiert und nach seinem Forschungsaufenthalt bei Charles Dinarello in den USA mit dem Thema „Zytokine und Lebererkrankungen“ habilitiert. Das von ihm begründete Spitzenniveau der Innsbrucker Forschung zur Entzündungsbiologie des Darms – zu diesem Forschungsbereich leitete Tilg bis 2013 ein Christian-Doppler-Forschungslabor, das erste am Standort Innsbruck – basiert auf seiner Forschung zur komplexen Mikrobenwelt des Darms und deren Relevanz für die Entwicklung von Darmkrebs und anderen Erkrankungen. So konnte er mit seinem Team spezifische Darm-Bakterien als Auslöser von chronischer Entzündung und schließlich Krebs entschlüsseln und zeigen, dass sich die Mikrobiota bei kranken Menschen stark von jener von gesunden ProbandInnen unterscheidet und bei PatientInnen mit Darmkrebs bestimmte Schlüsselkeime zu wenig vorhanden sind. In seinem Labor wurde außerdem auch nachgewiesen, dass die Wirksamkeit der Immuntherapie beim Melanom wie beim Lungenkrebs von der Zusammensetzung der Keimwelt abhängig ist. Zahlreiche seiner Arbeiten wurden u.a. im New England Journal of Medicine, Cell, Nature Reviews Immunology, Nature Medicine und Journal of Experimental Medicine publiziert. Herbert Tilg wurde als erster Österreicher zum designierten Mitherausgeber von GUT, der führenden europäischen Zeitschrift für Gastroenterologie und Hepatologie, gewählt.
Günter Weiss, ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Inneren Medizin, Infektiologie und Immunologie konnte in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche, international beachtete Beiträge zu immunologischen Prozessen der Infektionsabwehr liefern. So wurden in seinem Team Mechanismen, die zur Entwicklung der chronischen Anämien bei Tumorerkrankungen und Infektionen führen, entschlüsselt und darauf aufbauend neue Therapiekonzepte entwickelt. Der Nachweis der dualen Rolle des Bluthormons Erythropoietin (EPO) in der Regulation der Immunantwort oder des Calciumantagonisten Nifedipin als Regulator des Eisenmetabolismus sorgte ebenso für Aufsehen wie Arbeiten über die Wirkung natürlicher Resistenzgene in Immunzellen, die v.a. vor bakteriellen Infektionen schützen oder der Rolle des Eisenmetabolismus für die Effizienz der Immunantwort und den Verlauf von Infektionen, woraus sich neue Therapiekonzepte zur Behandlung von Infektionskrankheiten ableiten lassen. Ferner konnte seine Arbeitsgruppe direkte Interaktionen zwischen Eisenstoffwechsel und Lipidhaushalt nachweisen, was einen neuen therapeutischen Weg zur Senkung des LDL-Cholesterinspiegels ebnen und damit die Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen optimieren könnte. Viele seiner zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten (einige davon wurden in die „Faculty of 1000“, der weltweit besten 1000 Arbeiten eines Jahres gewählt) finden sich in renommiertesten internationalen Fachjournalen wie dem New England Journal of Medicine, Lancet, Nature Medicine, Journal of Experimental Medicine oder Immunity. Bereits 2015 wurde Günter Weiss als Mitglied in die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) aufgenommen.
Als Sprecher des Comprehensive Center for Infection, Immunity and Transplantation (CIIT) an der Medizinischen Universität Innsbruck zielt sein Engagement außerdem darauf ab, die Expertise dieser in Innsbruck seit Jahren intensiv erforschten Disziplinen zu bündeln, um das große Potential für neue Therapien besser nützen zu können.
(09.08.2022, Text: D. Heidegger/ Bilder: C. Lackner / D. Bullock / G. Berger / F. Lechner)
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